Читать книгу Ausgewählte Briefe, Band 2 - Sophronius Eusebius Hieronmyus - Страница 48

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27. An Marcella

Einleitung

Ein eigenartiges Brieflein! Papst Damasus hatte Hieronymus den Auftrag gegeben, den lateinischen Text des Neuen Testamentes nach dem griechischen Original zu verbessern. Die Lösung der Aufgabe scheint weit vorangeschritten; denn die angeführten Beispiele sind schon den Paulinen und nicht mehr den Evangelien, mit denen seine Revision begann, entnommen. Hieronymus wehrt sich gegen eine Gruppe von Gegnern, bei der Frauen das große Wort zu führen schienen, 2537 gegen den Vorwurf, den althergebrachten Bibeltext zu entstellen. Doch unvermittelt greift der Reformator des christlichen Lebens in Rom, der es von allem heidnischen Beiwerk reinigen will, eine Reihe von Mißbräuchen an, um dann erst zu den textkritischen Fragen zurückzukehren. Wie erklärt sich dies? Offenbar waren die Kreise, die den Asketen treffen wollten, ihn aber auf dem weniger gefährlichen Gebiete der Exegese angriffen, die gleichen. Das hatte er wohl erkannt und daher die doppelte Abwehr. Der Brief ist an Marcella, die auf das stürmische Temperament ihres Freundes mäßigend einwirkte, 2538 gerichtet, weil sie, wie aus den zahlreichen Briefen an sie hervorgeht, großes wissenschaftliches Interesse verriet. Dann war sie aber auch bei ihrem Einflusse besonders geeignet, Hieronymus in der römischen Gesellschaft vor den gegen ihn gerichteten Anwürfen in Schutz zu nehmen.

Der Brief ist, wie die meisten an Marcella gerichteten, im Jahre 384 geschrieben, wenn nicht gar 385, bald nach dem Tode des Papstes Damasus, 2539 eine Vermutung, welche die Heftigkeit der Angriffe gegen Hieronymus nahelegt.

1.

Nach meinem letzten Schreiben an Dich, 2540 in welchem ich kurz einige hebräische Ausdrücke erklärt habe, kam mir ganz unerwartet zu Ohren, daß gewisse Leutchen mit allem Eifer an mir herumnörgeln. Sie werfen mir vor, daß ich im Gegensatz zur Autorität der alten Schriftsteller und gegen die Meinung der ganzen Welt mich unterfangen habe, an den Evangelien einige Verbesserungen vorzunehmen. Ich hätte ja alles Recht, sie links liegen zu lassen; denn schließlich ist es vergebliche Liebesmühe, dem Esel nach der Leier eins vorzusingen. 2541 Aber tue ich dies, dann zeihen sie mich ihrer Gewohnheit gemäß des Stolzes, und deshalb sollen sie ihre Antwort haben. Sie mögen mich doch nicht für so stumpfsinnig und ungebildet halten, daß ich glaube, am Worte Gottes etwas verbessern zu müssen, oder daß ich gar seine göttliche Eingebung leugne. Von mir aus sollen sie Stumpfsinn und Dummheit mit Heiligkeit gleichsetzen und betonen, daß sie Schüler von Fischern seien, gleich als ob sie dadurch, daß sie nichts wissen, schon gerecht wären. Wohl aber bedürfen die fehlerhaften lateinischen Handschriften der Verbesserung, wie ja die mangelnde Übereinstimmung aller Texte hinreichend nahelegt. Sie gilt es, mit der griechischen Urschrift in Einklang zu bringen, aus der sie sich, was ja auch meine Gegner nicht bestreiten, herleiten. Wenn diesen das reine Wasser der Quelle mißfällt, mögen sie immerhin aus den morastigen Bächlein trinken! Mögen sie bei der Lesung der Schrift auf die Sorgfalt verzichten, die sie auf den Geschmack der Vögel oder die Herkunft der Austern verwenden! Sie sollen dann wenigstens ihre Einfalt dadurch bekunden, daß sie Christi Worte für bäuerisch halten, über denen im Laufe der Jahrhunderte so viele Geister gebrütet haben, um zuletzt den Sinn der einzelnen Worte mehr zu ahnen als klar wiederzugeben. Sie mögen den Apostel als unerfahren hinstellen, dem wegen seines vielen Studierens Wahnsinn vorgeworfen wurde. 2542


2.

Ich weiß, Du wirst die Stirne runzeln, wenn Du dies liest. Du wirst befürchten, daß meine freimütigen Worte die Quelle neuen Haders sein dürften. Am liebsten möchtest Du mir ja mit der Hand den Mund zuhalten, wenn es möglich wäre, damit ich nicht zu sagen wage, was andere sich nicht zu tun scheuen. Ich bitte Dich, inwiefern bin ich in meinen Worten zu weit gegangen? Habe ich etwa die auf den Schalen eingravierten Götzenbilder angegriffen? Habe ich mich darüber aufgeregt, daß man bei christlichen Gastmählern jungfräulichen Augen die Umarmungen der Bacchantinnen und Satyren zu schauen gibt? 2543 Hat ein allzu herber Ausdruck von mir eine Frau verletzt? Habe ich vielleicht meinem Schmerz darüber Ausdruck verliehen, daß Bettler zu reichen Leuten geworden sind? Habe ich von Leichenfeiern gesprochen, die zur Erbschleicherei mißbraucht wurden? Nein, nur eines habe ich Unglückswurm berührt. Ich habe gesagt, die Jungfrauen möchten mehr die Gesellschaft der Frauen als die der Männer aufsuchen. Damit habe ich in den Augen der ganzen Stadt angestoßen, und alle Welt zeigt mit Fingern nach mir. Zahlreicher als die Haare meines Hauptes sind die, welche mich ohne Grund hassen; zum Gespötte bin ich ihnen geworden. 2544 Und nach all dem fürchtest Du, daß ich noch etwas äußern werde?

3.

Aber der alte Flaccus soll nicht über mich lachen und sagen: „Eine Amphora wollte er schaffen, aber auf der kreisenden Scheibe ist ein Krug daraus geworden.“ 2545 Deshalb zurück zu unseren zweibeinigen Eselein! Statt Zitherklang will ich ihnen Trompetenschall in die Ohren schmettern. 2546 Sie mögen lesen „freudig in Hoffnung, dienstbar der Zeit“; wir aber lesen „freudig in Hoffnung, dienstbar dem Herrn“. 2547 Sie mögen nach ihrem Texte dafür eintreten, daß man unter keinen Umständen eine Anklage gegen einen Priester annehmen dürfe. Wir aber wollen lesen: „Gegen einen Priester nimm keine Anklage entgegen, es sei denn in Gegenwart von zwei oder drei Zeugen. Die aber sündigen, weise vor allen zurecht.“ 2548 Mögen sie Gefallen finden an der Fassung: „Menschlich ist das Wort und aller Annahme würdig.“ Wir aber wollen weiter im Irrtum verharren und uns mit den Griechen, also auch mit dem Apostel, der ebenfalls griechisch gesprochen hat, für die Lesart entscheiden: „Zuverlässig ist das Wort und aller Annahme würdig.“ 2549 Mögen sie dich bis zum Überdruß an gallischen Wallachen ergötzen. 2550 Wir wollen uns bescheiden freuen an jenem losgebundenen Eselchen des Zacharias, das dazu bestimmt war, mitzuwirken am geheimnisvollen Werke des Erlösers, und, nachdem es den Herrn auf seinem Rücken getragen, 2551 die Weissagung des Propheten erfüllte: „Selig, der an allen Wassern sät, wo Ochs und Esel sich abmühen.“ 2552

Ausgewählte Briefe, Band 2

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