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§ 4Staatsrecht und Verfassungsrecht

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Die Beschränkung staatlicher Regelungsmöglichkeiten durch den Verfassungsstaat stellt sich somit als Fortentwicklung der zum Wesen des Staates und seiner Souveränität aufgestellten Überlegungen dar:

12Ausgehend vom oben skizzierten Vertragsmodell, wonach der Einzelne seine Selbstverteidigungsfähigkeit auf den Staat überträgt, sind Sinn und Aufgabe des Staates:

– Schaffen eines Friedenszustandes;

– Gewährleistung von Rechtssicherheit;

– möglichst weitgehende Verwirklichung von Gerechtigkeit.

Eine erste Bindung des Souveräns (Herrscher) ergibt sich in diesem Modell aus dem (gedachten) Staatsvertrag, durch den der Übergang vom Ur- oder Naturzustand in den staatlichen Friedenszustand ermöglicht wurde: Er darf diesen Friedenszustand nicht infrage stellen, etwa indem er selbst zur Bedrohung für die Bürger wird.

13Die Schaffung von Rechtssicherheit und das Anstreben von Gerechtigkeit als weitere Staatsaufgaben gehen demgegenüber über das Minimum hinaus, das für ein Gemeinwesen zu fordern ist, das die Bezeichnung Staat beanspruchen kann. Rechtssicherheit erfordert eine gewisse Bindungswirkung, die der Souverän etwa in Thomas Hobbes’ Leviathan nicht kennt. In dem Moment, in dem der Staat Rechtssicherheit anstrebt, tritt er sozusagen in einen höheren Aggregatzustand. Er wird vom bloßen Staat zum Verfassungsstaat.

Verfassungsrecht muss damit im Vergleich zum Staatsrecht zusätzliche Voraussetzungen erfüllen:

– Regelungen der Begrenzung der Herrschaftsgewalt;

– erschwerte Abänderbarkeit dieses normativen Systems;

– Schutz subjektiver Rechte.

14Die Unterscheidung von Verfassungsrecht und Staatsrecht ist heute nur in den Ländern problematisch, die nicht über eine geschriebene Verfassungsurkunde verfügen, die den dargestellten Voraussetzungen entspricht, wie z. B. das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland. Darüber hinaus hat sie für die Staaten Bedeutung, die zwar eine Verfassungsurkunde besitzen, welche jedoch keine oder eine nur partielle effektive Bindungswirkung gegenüber der Staatsgewalt entfaltet, wie dies in den kommunistischen Staaten China, Nordkorea sowie Staaten mit klerikaler Autoritätsverankerung, wie dem Iran, der Fall ist.

15In der Bundesrepublik Deutschland ist Staatsrecht dagegen weitestgehend Verfassungsrecht. Das Grundgesetz regelt die Ausübung von Herrschaftsgewalt im Bundesgebiet, beansprucht eine höherrangige Verbindlichkeit, die mit einer erschwerten und teilweise sogar ausgeschlossenen Abänderbarkeit einhergeht und verleiht den Bürgern subjektive Rechtspositionen. Es gibt allerdings einige Gebiete, die zum Staatsrecht gehören, aber keine verfassungsrechtliche Verankerung erfahren haben. Dies sind beispielsweise die Regelungen der Geschäftsordnungen der obersten Bundesorgane sowie diese betreffende Gesetze, sowie das Wahlrecht, das Staatsangehörigkeitsrecht und das Recht der politischen Parteien.

Dass Staatsrecht in Deutschland im Wesentlichen Verfassungsrecht ist und dass dieser Verfassung, dem Grundgesetz, ein derart überragender Stellenwert im politischen und juristischen System zukommt wie in der Bundesrepublik, ist Ergebnis einer längeren historischen Entwicklung, die im folgenden Abschnitt kurz skizziert werden soll.

Staatsrecht I

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