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§ 10Die Zeit des Nationalsozialismus

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38Zwischen 1930 und Anfang 1933 verfiel die Weimarer Verfassung. Das parlamentarische Regierungsprinzip wich einem Präsidialsystem der Zusammenarbeit von Reichspräsident und Reichsregierung, gestützt auf Notverordnungen. Zur schrittweisen Auflösung der Weimarer Republik kam es nach der nationalsozialistischen Machtübernahme: Als Hindenburg am 30.1.1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, glaubte man, die beim Volk beliebt gewordenen Nationalsozialisten würden sich mit der Zeit totlaufen. Hitler jedoch war von Anfang darum bemüht, seine Herrschaft schnell und konsequent durch Einschüchterung und durch Systemveränderungen zu festigen.

Der Reichstagsbrand gab Hitler bereits im Februar 1933 Gelegenheit, auf eine Notverordnung Hindenburgs hinzuwirken, mit der wichtige Grundrechte wie insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit vorübergehend außer Kraft gesetzt wurden. Das auf parlamentarischem Wege erreichte „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ vom 24.3.1933 ermöglichte eine umfassende Gesetzgebungszuständigkeit der Regierung (sog. Ermächtigungsgesetz)21. Seine Verfassungskonformität ist einerseits aufgrund der oben dargestellten Bedenken gegen eine Verfassungsdurchbrechung und die hier bewirkte vollständige Aufhebung der Gewaltenteilung, andererseits mit Blick auf die seinem Beschluss vorangehende Inhaftierung und Einschüchterung von Abgeordneten problematisch. Man kann das Ermächtigungsgesetz als „Selbstmord des parlamentarischen Systems“ bezeichnen; in der Folge konnte Hitler, der nach dem Tod Hindenburgs am 2.8.1934 auch das Amt des Reichspräsidenten übernahm22, weitreichende Umorganisationen der staatlichen Ordnung selbstständig beschließen.

Unmittelbar auf das Ermächtigungsgesetz folgte die Gleichschaltung der Länder in vier Gesetzen: dem vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31.3.193323, dem Zweiten Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7.4.193324, dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30.1.193425 und dem Reichsstatthaltergesetz vom 30.1.193526. Hinzu kamen die Abschaffung des Reichsrates27 und des Reichswirtschaftsrates28 sowie die Umgestaltung der Vorschriften über Volksbegehren und Volksentscheid in eine Befugnis der Reichsregierung, das Volk zu befragen29, und die Auflösung der politischen Parteien. Schließlich erging das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1.12.193330, das die Grenzen zwischen staatlichen und politischen Organisationen vollständig beseitigte. Der NSDAP wurde sogar der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt. Die Justiz wurde durch eine Umwandlung der Gerichtsorganisation der Länder in Reichsorganisationen in das zentralistische System integriert (sog. Verreichlichung der Justiz).31 Infolge der Justizänderungen besaß der Staatsgerichtshof keine Zuständigkeit mehr und entfiel. Errichtet wurden vielfältige Sondergerichte, wie insbesondere der berüchtigte Volksgerichtshof32.

39Vor dem Hintergrund, dass es erklärtes Ziel des Nationalsozialismus war, die alte Rechtsordnung durch einen neuen, vollständig der nationalsozialistischen Ideologie unterworfenen Staat zu ersetzen, wirkt es erstaunlich, wie sehr die Nationalsozialisten um den Schein von Legalität und Kontinuität auf Basis der Weimarer Reichsverfassung bemüht waren. So wurde das auf einem Parlamentsbeschluss beruhende befristete Ermächtigungsgesetz auch nach der Etablierung eines totalitären Führerstaates mehrfach verlängert, so 193733, 193934 und schließlich durch Führererlass vom 10.5.194335 mit unbestimmter Geltungsdauer.

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