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§ 8Das Deutsche Reich und die Reichsverfassung von 1871
Оглавление28Als 1870 Frankreich nach der Provokation Bismarcks (sog. „Emser Depesche“) Preußen den Krieg erklärte, fragte Bismarck auch bei den süddeutschen Staaten um deren Teilnahme an. Daraufhin traten Bayern, Hessen, Baden und Württemberg 1870 dem Norddeutschen Bund mit Wirkung zum 1.1.1871, nach Ratifizierung durch die Landtage, bei. Nach dem Sieg über Frankreich wurde am 18.1.1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles ein neues deutsches Kaiserreich proklamiert, das sich aus den Staaten zusammensetzte, die zu diesem Zeitpunkt Mitglieder des Norddeutschen Bundes waren. Dieses gab sich mit der Verkündung im Reichsgesetzblatt am 16.4.1871 auch eine neue deutsche Verfassung, die aber im Wesentlichen inhaltsgleich mit der Verfassung des Norddeutschen Bundes war.
Sie ersetzte jedoch das bisherige Bundespräsidium durch den Deutschen Kaiser als Staatsoberhaupt und schuf somit eine konstitutionelle Monarchie in Form eines Bundesstaats. Diese war als Erbmonarchie ausgestaltet, zum ersten Kaiser wurde der preußische König Wilhelm I. proklamiert. Der Kaiser war zwar konstitutionelles, d. h. durch die Verfassung gebundenes Staatsoberhaupt, aber ihm kamen eine Reihe von Befugnissen zu, die eine stärkere Stellung gewährleisteten, als sie z. B. die englische Monarchie heute besitzt; insbesondere konnte er den Reichskanzler unabhängig vom Parlament ernennen (Art. 15). Er war Oberbefehlshaber von Heer und Marine (Art. 53 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1). Die vorzeitige Auflösung des Reichstages bedurfte seiner Zustimmung (Art. 24). Grundrechte kannte die Reichsverfassung nicht, weshalb sie mit Blick auf die Rechtsposition der Bürger einen Rückschritt im Vergleich zur Paulskirchenverfassung darstellt. Von besonderer verfassungsgeschichtlicher Bedeutung ist sie jedoch als erste Konstitutionalisierung der bundesstaatlich organisierten Reichseinheit.