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§ 6Die sog. Paulskirchenverfassung von 1848/1849

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22Den ersten Versuch einer gesamtdeutschen Verfassung stellt die sog. Paulskirchenverfassung von 1848/9 dar. Nach der Niederringung Napoleons führten Bevölkerungswachstum und damit verbundene Massenarbeitslosigkeit, die fortschreitende Industrialisierung sowie Missernten in der Landwirtschaft in den 1840er Jahren zu sozialen Verwerfungen in den deutschen Staaten. Angestoßen durch die (dritte) französische Revolution im Februar 1848 und den damit verbundenen Sturz des französischen Königs Louis Philippe kam es auch in Deutschland zu Massenbewegungen und Aufständen, die insbesondere zu blutigen Straßenkämpfen in Berlin sowie zur Abdankung des österreichischen Kaisers und zum Austausch der Regierungen in einigen Kleinstaaten führten (sog. Märzminister). Die regierenden Fürsten versuchten durch Konzessionen weitere revolutionäre Fortentwicklungen zu verhindern und ließen die von den Abgeordneten der 2. Kammern im Rahmen eines „Vorparlaments“ initiierten Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung zu.

23Diese trat, unmittelbar vom Volk (das hieß nach dem Verständnis der damaligen Zeit allen männlichen, selbstständigen Deutschen) gewählt, am 18.5.1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Die Nationalversammlung nahm für sich in Anspruch, den Souverän widerzuspiegeln, also Ausdruck und Inhaber der obersten Gewalt in Deutschland zu sein. Am 28.6.1848 wurde von der National­versammlung das Reichsgesetz über die Einführung einer provisorischen Zentralgewalt erlassen und Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser (Reichsverwalter), dem provisorischen Staatsoberhaupt, gewählt.

Der im März 1849 fertiggestellte Verfassungstext sah neben den bereits im Dezember 1848 beschlossenen Grundrechten des deutschen Volkes ein auf das monarchische System festgelegtes Staatsorganisationsrecht vor: Es sollte ein Erbkaisertum auf Reichsebene geben, wobei im Rahmen einer kleindeutschen Lösung (ohne Österreich) der preußische König die Kaiserwürde erhalten sollte. Der Kaiser sollte seine Stellung nicht von Gottes Gnaden ableiten, sondern durch die Verfassung zugewiesene Kompetenzen wahrnehmen. Zur Gesetzgebung sollte ein aus Volkshaus und Staatenhaus bestehender Reichstag befugt sein, dem Kaiser sollte lediglich ein Vetorecht zukommen.

24Diese nach dem Versammlungsort als Paulskirchenverfassung bezeichnete Verfassung trat jedoch nie in Kraft. Nachdem mit knapper Mehrheit (290 Stimmen gegen 248 Enthaltungen) beschlossen worden war, dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone anzutragen, lehnte dieser ab. Mit einer Annahme der Krone aus der Hand des Volkes hätte er die Volkssouveränität anerkennen und sich von der Vorstellung eines Monarchen von Gottes Gnaden verabschieden müssen. In einem Brief schrieb Friedrich Wilhelm IV.: „Man nimmt nur an und schlägt nur aus eine Sache, die gebothen werden kann“.

Das in der Folge nach Stuttgart verlegte „Rumpfparlament“ wurde im Juni 1849 durch württembergische Truppen aufgelöst. Weitere Versuche einer Einigung unter den deutschen Fürsten wie das sog. Dreikönigsbündnis von 1849 oder der Fürstentag von 1863 blieben erfolglos.

Staatsrecht I

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