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1.4.3 Bioethische Relevanz – Menschenwürde als moralisches Konzept

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Die Unklarheit des Begriffs hat jedoch auch zur Konsequenz, dass in Debatten mit ihm gespielt wird und er als Totschlagargument auftritt, worauf die Bemerkungen Schopenhauers und Birnbachers bereits aufmerksam gemacht haben. Insbesondere innerhalb der bioethischen Debatte kommt der Menschenwürde eine herausragende Stellung zu. Eine Übersicht über die Anwendung des Menschenwürde-Argumentes in zentralen Anwendungsgebieten der Bioethik findet sich bei Knoepffler (2004). Er geht auf Konfliktfälle am Lebensanfang, am Lebensende und bei gentechnischen Eingriffen am Menschen ein. Am Lebensanfang des Menschen stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt von Würde und den damit verbundenen ethischen Konsequenzen ausgegangen werden kann oder muss.15

Entscheidend bei den Überlegungen ist, ab wann dem menschlichen Wesen Menschenwürde zukommt oder zuzusprechen ist. Beim Vorgang des Zusprechens müssen ausschließlich plausible Gründe gefunden werden, die überzeugend sind. Beim Zukommen muss erläutert werden können, warum sie den Menschen zukommt, wobei in der Regel auf metaphysische Theorien verwiesen werden muss. Entscheidend ist, dass die Begründung des Zukommens der Würde von unmittelbarer Relevanz für die Frage nach dem Beginn der Würde am Anfang der Entwicklung des menschlichen Wesens ist. Gleiches gilt für die ethischen Probleme am Lebensende. In diesem Zusammenhang kann davon ausgegangen werden, dass mit dem Tod des Menschen auch dessen Würde endet, schließlich handelt es sich um die Menschenwürde, und wenn der Mensch tot ist, kann er auch keine Würde mehr besitzen. Diese Position vertritt Knoepffler, weswegen er hervorhebt: „Menschliche Leichname fallen nicht unter den Schutz der Menschenwürde im strengen Sinn“ (2004, 167). Weiter zu klären bleibt dann natürlich, an welchem Todeskriterium der Tod festzumachen ist. Ist der Ganzkörpertod16, der Ganzhirntod oder bereits der Teilhirntod das entscheidende Kriterium für den Tod eines Menschen und damit für das Ende der Menschenwürde? Andererseits gibt es jedoch Ethiker, die davon ausgehen, dass auch Leichnamen eine schwache Würde zukommt, wie etwa Birnbacher, wobei er jedoch den Begriff „Würde“ nicht in dem Sinn gebraucht, der für die gegenwärtige Arbeit relevant ist und wie er im rechtswissenschaftlichen Kontext verwandt wird. „Menschlichen Leichnamen kommt Menschenwürde im schwachen Sinn zu“ (Birnbacher 2004, 262). Wenn man an den Tod des Hektor (Sohn des Priamos) in Homers „Ilias“ (24. Gesang) denkt und an die Konsequenzen von der Schändung dessen toten Körpers, dann lässt sich diese Position intuitiv durchaus nachvollziehen. Selbstverständlich greift Birnbacher hier auf einen anderen Menschenwürde-Begriff zurück, da der hier relevante kein abstufbarer Begriff ist, d.h., es lässt sich nicht zwischen einer Würde im starken und einer im schwachen Sinne unterscheiden.

Die Extension des Begriffs „Menschenwürde“ muss stets an der Begründung der Würde festgemacht werden. Wenn die Würde durch das Vorhandensein der individuellen Seele begründet wird und die individuelle Seele erst mit dem menschlichen Leib vereint ist, wenn empirisch die menschliche Individualität vorhanden ist, dann könnte man schließen, dass vierzehn Tage nach der Verschmelzung die Würde vorhanden ist, da dann eine Zwillingsbildung nicht mehr möglich ist. Unabhängig davon, was die Begründung für die Würde ist, muss man sich jedoch stets an dieser orientieren, um die Extension der Würde festzustellen.17

Menschenwürde nach Nietzsche

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