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2.2 Ciceros Begründung der Menschenwürde

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Ciceros Begründung der Würde des Menschen und damit die erste bedeutende Begründung der notwendigen Würde in der Geschichte der westlichen Philosophie findet man in Ciceros „De Officiis“, einem Werk, das von Friedrich dem Großen als „Das beste Buch über Moral“ charakterisiert wurde. An der entscheidenden Stelle zur Frage der Begründung der Würde des Menschen unterscheidet er zwei Arten der Würde:

„[F]erner: wenn wir bedenken wollen, eine wie überlegene Stellung und Würde in [unserem] Wesen liegt, dann werden wir einsehen, wie schändlich es ist, in Genusssucht sich treiben zu lassen und verzärtelt und verweichlich, und wie ehrenhaft andererseits, sparsam, enthaltsam, streng und nüchtern zu leben.

(107) Auch muß man einsehen, dass wir von der Natur gleichsam mit zwei Rollen ausgestattet sind: die eine davon ist eine gemeinsame daher, weil wir alle teilhaftig sind der Vernunft und des Vorzugs, durch den wir uns auszeichnen vor den Tieren, von der alles Ehrenhafte und Schickliche hergeleitet und von der aus der Weg zur Auffindung des pflichtgemäßen Handelns gesucht wird; die andere aber eine, die in besonderem Sinne den Einzelnen zugeteilt ist. Wie es nämlich bei den Körpern sehr große Unterschiede gibt – die einen, so sehen wir, sind durch Schnelligkeit im Laufen, die anderen durch ihre Kraft zum Ringen gut, und ebenso haben andere in ihrer Erscheinung Würde, wieder andere Schönheit –, so zeichnen sich im Geist noch größere Verschiedenheiten ab.“ (De off. I 106f)

Die erste ist die notwendige, inhärente Würde, die allen Menschen in gleichem Maße zukommt. Diese Art der Würde wird zum ersten Mal in der Ideengeschichte auf prominente Weise bei Cicero behandelt. Vor Cicero hat man von Würde in der Regel in einer anderen Art gesprochen, die aber auch bei Cicero vorkommt. Es handelt sich um eine Form der kontingenten Würde, die nicht die Gleichheit, sondern die Ungleichheit aller Menschen impliziert. Nach Cicero haben Menschen diese Art der Würde, indem sie sich Fähigkeiten erarbeiten, Talente besitzen oder in eine edle Familie geboren werden. Jede gesellschaftlich anerkannte Stärke bringt dem, der sie besitzt, eine solche Art der hierarchischen Würde.

Wie begründet Cicero die notwendige, die sittliche Gleichheit implizierende Würde, die für uns relevant ist? Zunächst stellt er fest, dass sie in unserem Wesen liege. Sie sei eine gemeinsame und verweist in diesem Kontext auf die Vernunft. Dies kann zweierlei bedeuten. Einerseits hätten wir alle Würde, weil sie in unserem, dem menschlichen Wesen liegt. Andererseits nennt er die Vernunft und macht an ihr die Würde fest. Haben alle Menschen Würde, weil sie Menschen sind, oder haben nur die Würde, die Vernunft haben? Die Frage ist also, ob die Würde primär an die Spezies oder an die ratio gebunden ist? Es könnte sein, dass wir alle, weil wir Menschen sind, automatisch auch Vernunft haben. Was ist dann jedoch die Vernunft? Wie ist sie zu verstehen? Haben Säuglinge Vernunft? Geistig Behinderte? Dadurch, dass er sowohl auf das menschliche Wesen als auch auf die Vernunft verweist, liegt nahe, dass nach Cicero alle Menschen Vernunft haben und damit auch Würde. Dies müsste implizieren, dass auch Kleinkinder Vernunft haben, was durchaus möglich ist, wenn man davon ausgeht, dass Vernunft als Fähigkeit, die u.a. die Sprachfähigkeit beinhaltet, schon aktuell in der Seele des Menschen vorhanden ist, jedoch der Körper noch nicht fähig ist, diese zu zeigen. Die Unklarheiten legen nahe, Ciceros Verständnis der Vernunft und der Seele zu klären.

Menschenwürde nach Nietzsche

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