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2.2.2 Seele

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Die Seele hat bei Cicero zwei Aspekte, zum einen die Begierde und zu anderen die Vernunft (De off. I 101), wobei das Denkvermögen für das Ermitteln der Wahrheit26, das Begehrvermögen für das Handeln zuständig ist (De off. I 132). Goedeckemeyer bestätigt diese Lesart, indem er spezifiziert: Die Seele bestehe aus zwei Teilen,

„einem vernünftigen und einem vernunftlosen, und dass dem vernunftlosen die vegetative und sensitive Tätigkeit, diese mit den Funktionen der Empfindung, der Bewegung und des Begehrens, zukommt, während dem vernünftigen die intellective Tätigkeit mit ihren beiden Arten des intuitiven und diskursiven Erkennens, sowie der Wille eigen sein soll.“ (Goedeckemeyer 1905, 154f)

Diese Aussage hilft uns noch nicht entscheidend weiter. Besonders die Beschreibung des vernünftigen Seelenteils ist noch genauer zu spezifizieren. Cicero sagt hierzu Folgendes:

„Aus diesen Gründen, lieber Scipio (Du wunderst Dich mit Laelius schon lange darüber), ist das Alter mir leicht, und zwar nicht nur unbeschwerlich, sondern sogar angenehm. Denn wenn ich mich darin irre, der ich glaube, dass die Seelen der Menschen unsterblich sind, so irre ich mich gerne und möchte auch nicht, dass mir dieser Irrtum, durch den ich mich freue, solange ich lebe, entwunden werde. Wenn ich aber als Toter, wie manche kleinlichen Philosophen (quidam minuti philosophi) meinen, nicht mehr empfinde und gewahre, dann fürchte ich nicht, dass diese Philosophen, wenn sie tot sind, diesen meinen Irrtum verlachen werden.“27

Forschners Deutung ist plausibel, wenn dieser schreibt: „[E]r macht deutlich, dass Monismus und Dualismus die grundlegenden Einteilungsgesichtspunkte bilden und dass Cicero für die monistischen Ansätze der Klärung des Leib-Seele-Verhältnisses nicht allzu viel Sympathie hegt“ (1998, 151). Er hegt zwar nicht allzu viel Sympathie für einen Monismus, wobei auch der vernünftige Teil der Seele sich ganz in dieser Welt befände, trotzdem hält er diese Ansicht aufgrund seiner skeptischen Grundhaltung für nicht ausgeschlossen. Aufgrund vorangegangener Überlegungen neigt Cicero zu der Meinung, dass der vernünftige Teil der Seele aus einer anderen Substanz besteht, einer nicht körperlichen, die einem die Unsterblichkeit ermöglicht. Ob er dabei auf eine persönliche oder unpersönliche Unsterblichkeit verweist, bleibt offen. Da in der angeführten Passage jedoch deutlich wird, dass die Unsterblichkeit für ihn persönlich einen Unterschied macht, ist davon auszugehen, dass er von einer persönlichen Unsterblichkeit ausgegangen ist. Dadurch, dass die Unsterblichkeit an die ratio gebunden sei, also an die Sprachfähigkeit etc., könnte die Unsterblichkeit auch eine unpersönliche sein, da die ratio zumeist keine persönlichen Charakteristika aufweist. Diese Frage kann jedoch im Rahmen der gegenwärtigen Abhandlung nicht weiter erörtert werden.

Interessant ist, wie Cicero zu seinem Glauben an die Unsterblichkeit der Seele gekommen ist. Alfonsi schreibt: „Mehr sogar als die ratio und disputatio ist es die auctoritas der Philosophen, die zur Überzeugung führt, dass die Seele nicht zugrunde geht“ (1971, 227). Alfonsi ist diesbezüglich sicherlich zuzustimmen, da für Cicero die Meinung der Weisen, wie oben erläutert, sehr wichtig ist. Seine vorangegangene Aussage zur Unsterblichkeit der Seele ist methodisch nicht mithilfe der ratio und des abwägenden Argumentierens erlangt worden, sondern vielmehr auf der Basis von Vorteilsüberlegungen und dem Verweis auf Autoritäten. Diese Einsicht legt nahe, dass Ciceros Aussagen hinsichtlich der Unsterblichkeit der Seele eher als ein persönliches Bekenntnis denn als ein metaphysisches Urteil seinerseits zu werten sind.

Festzuhalten bleibt, was sich daraus in Bezug auf die Würde ergibt. Es ist letztendlich nicht eindeutig festzustellen, ob Cicero die Würde primär an der Vernunft oder der Spezieszugehörigkeit festmacht. Es liegt nahe, dass Cicero allen Menschen Vernunft und Würde zuspricht und die Vernunft an eine unsterbliche Seele gebunden ist, die auch schon Kleinkinder haben, wobei sich bei diesen die an die Vernunft geknüpften Fähigkeiten noch nicht klar zu erkennen geben können. Auch die Frage, ob Embryos oder Föten nach Cicero Vernunft haben, kann nicht endgültig beantwortet werden. Man könnte vermuten, dass er diesen bereits Vernunft zuspricht, da sie schon menschliche Organismen sind. Trotzdem darf Ciceros skeptische Erkenntnistheorie nicht unberücksichtigt bleiben. Sie impliziert, dass alle Meinungen durchaus revidierbar sind. Weiterhin muss jedoch auch Ciceros Nähe zu stoischem Denken berücksichtigt werden. Nach der Stoa ist in jedem Fall Vernunft innerhalb der Seele vorhanden. Außerdem befindet sie sich nicht an einer Stelle im Körper, sondern durchzieht den kompletten Körper. Eine genauere Bestimmung wird von stoischen Denkern nicht gegeben. Das Menschsein ist jedoch stets mit einer Seele verbunden, in der notwendigerweise die Vernunft enthalten ist. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass die Zugehörigkeit zur menschlichen Spezies und die Vernunftfähigkeit in der Extension identisch sind und diese Position auch auf Ciceros Philosophie zutrifft. Diese Position hätte zur Folge, dass die notwendige Würde sowohl in der Spezieszugehörigkeit als auch der Vernunftfähigkeit begründet liegt und es nie zu einer Spannung zwischen der Menge der zur menschlichen Spezies gehörenden Wesen und der der vernunftfähigen Wesen kommen kann.

Menschenwürde nach Nietzsche

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