Читать книгу Goschamarie Mofacup - Stefan Mitrenga - Страница 14
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Walter klappte das Verdeck seines Peugeot 205 nach hinten und fuhr ihn aus der Garage. Er schaltete das Abblendlicht ein und lief, bei laufendem Motor, einmal um den Wagen. Tatsächlich: vorne rechts ging das Licht nicht. Liesl hatte ihn neulich abends darauf aufmerksam gemacht.
„Scheißndreckn“, fluchte er und wählte auf seinem Handy Faxes Nummer.
„Muss das echt heute sein?“, maulte der Kfz-Meister. „Wir schrauben immer noch am Mofa und es ist schon Mittwoch. Uns läuft die Zeit davon.“
Walter hatte Verständnis, doch er wollte nicht mit einem kaputten Licht herumfahren.
„Geht doch ganz schnell. So ein Birnchen wechselst du doch in zehn Minuten.“
„Dann komm um vier kurz vorbei“, gab Faxe nach. „Aber stell dein Auto vor der Werkstatt ab. Du kannst nicht reinfahren. Da steht das Mofa.“
Walter bedankte sich und setzte sich mit einer Apfelschorle auf die Terrasse. Gefühlt, drehte sich alles nur noch um dieses Mofarennen. Den ganzen Tag über waren im Dorf Mofas auf Testfahrt unterwegs. Ihre Zweitaktmotoren kreischten in unvorstellbaren Drehzahlbereichen und hinterließen blaue Dunstwolken. Im Festzelt war es jetzt,am frühen Nachmittag noch ruhig. Die meisten der Musikanten mussten arbeiten und würden erst später zum Helfen kommen. Nur Gustl, der Elektriker aus Wernsreute, hatte sich offensichtlich frei genommen. Mit zwei Helfern verlegte er überall Kabel und band sie hoch. Wo das nicht ging, schützte er sie durch schwarz-gelbe Schwellen am Boden.
Walter ging zu Gustls Elektriker-Bus. „Kann dir da niemand helfen? Das sind ja Kilometer an Kabeln.“
Gustl wischte sich Schweiß von der Stirn. Sein T-Shirt war durchgeschwitzt. „Da bin ich gar nicht so scharf drauf. Bei der Elektrik muss alles stimmen. Da will ich keine Laien dabeihaben.“
„Was sind das denn für Kisten?“, erkundigte sich Walter und zeigte auf zwei riesige, graue Würfel hinter dem Zelt.
„Stromaggregate.“
„Wofür das denn? Da vorne ist doch ein Verteilerkasten. Warum zapft ihr den nicht an?“
Gustl lächelte. „Da sieht man, dass du kein Elektriker bist. Natürlich sind wir auch an dem Verteilerkasten dran, aber bei Hochbetrieb reicht der Strom von da nicht. Überleg mal: die ganze Beleuchtung, die Soundanlage und vor allem die Kühlschränke und Fritteusen. Ohne zusätzliche Stromquellen ständen wir da ganz schnell im Dunkeln.“
Darüber hatte sich Walter wirklich noch nie Gedanken gemacht. Für ihn kam der Strom aus der Steckdose. Immer. In ausreichender Menge. Allmählich dämmerte ihm, welcher enorme logistische Aufwand hinter dem Fest steckte.
Gustl hievte stöhnend ein weiteres Starkstromverlängerungskabel aus seinem Bus und schleifte es ins Zelt. „Nix für ungut Walter. Ich muss weitermachen, bevor die anderen kommen und mir im Weg rumstehen.“
Walter ließ den Elektriker weiterarbeiten und kehrte auf seine Terrasse zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Balu nicht da war. Er machte sich aber keine Sorgen. Seit Georgs Hündin Chiara von Balu trächtig geworden war, und sechs wunderschöne Welpen bekommen hatte, stattete der Wolfsspitz dem Hof hinter dem Hummelberg regelmäßig einen Besuch ab. Georg hatte einen der Welpen behalten, Fred, und Balu erwies sich als vorbildlicher Hundepapa. Bei jedem seiner Besuche spielte er mit Fred und Chiara bis zur Erschöpfung.
„Nichts zu tun?“, fragte Liesl und riss Walter aus seinen Gedanken.
„Ich warte, bis ich zu Faxe kann. Er macht mir eine neue Birne in den Peugeot.“
Liesl lächelte. „Was würden wir auch ohne Faxe machen? Ist er eigentlich noch mit dieser Uschi vom Landesdenkmalamt zusammen?“
Walter schüttelte den Kopf. „Schon lange nicht mehr. Die Fernbeziehung war ihm auf Dauer dann doch zu fern.“
„Da wird sich der Rest der Frauenwelt freuen“, sagte Liesl, die Faxes Wirkung auf das andere Geschlecht schon am eigenen Leib erfahren hatte. Er zog Frauen auf magische Art und Weise in seinen Bann und selbst Männer verhielten sich in seiner Gegenwart oft merkwürdig.
„Ich glaube, im Moment hat er nur Augen für das Mofa, an dem sie herumbasteln. Ich bin gespannt, ob es sich lohnt.“
„Jetzt ist es ja nicht mehr lange hin: am Samstag werden wir sehen, was die Jungs in ihren Werkstätten geschafft haben.“
Walter sah auf die Uhr. „Ich fahr dann mal. Wenn er sich schon Zeit für mich nimmt, will ich pünktlich sein.“
Normalerweise war das Tor zu Faxes Werkstatt immer weit geöffnet, doch nun waren die Türen verschlossen. Walter parkte den Peugeot irritiert an der Straße und klopfte an das Tor.
„Eintritt verboten. Eltern haften für Kinder. Kinder haften für ihre betrunkenen Eltern!“, stand auf einem handgeschriebenen Schild.
Das Tor öffnete sich einen Spalt und Faxe lugte heraus.
„Ach, du bist es Walter“, sagte er erleichtert und stieß das Tor weiter auf.
Walter wollte hineingehen, doch Faxe hielt ihn zurück.
„Erst unterschreiben“, befahl er und hielt ihm ein Papier unter die Nase.
Unter der Überschrift „Verschwiegenheitsvereinbarung“ wurde erklärt, dass der Unterschreibende sich verpflichtet, mit Nichts und Niemandem über das zu sprechen, was er in der Werkstatt sah oder hörte. Bei Zuwiderhandlung wurde eine Strafe von zehn Kästen Bier angedroht.
Walter sah verwundert auf. „Was soll das? Baut ihr hier das neue Bond-Auto?“
Doch Faxe blieb hartnäckig. „Unterschreiben! Hier!“
Walter seufzte und setzte seine Unterschrift auf das Papier. Faxe nickte zufrieden und ließ ihn herein. Sofort verriegelte er das Tor hinter ihm.
Das Rennmofa thronte auf einer kleinen Hebebühne im hinteren Teil der Werkstatt, beleuchtet von vier Halogenstrahlern. In der Ecke saß Max auf zwei übereinandergestapelten Bierkästen, während Faxes Freund Fibi mit einem Baumwolllappen ein Aluteil auf Hochglanz polierte.
„Na, was sagst du?“, fragte Faxe stolz. „Hier siehst du das Gewinner-Mofa vom Goschamarie Mofa-Cup.“
Walter hatte keine Ahnung von Mofas, rein optisch machte es aber wirklich was her. Chrom blitzte, die lackierten Teile reflektierten das Licht der Strahler und der Motor sah aus, als käme er direkt aus der Produktion.
„Hübsch“, sagte Walter unbeholfen, „nettes Mofa …“
Max zog die Stirn kraus. „Nicht „nett“ … das ist eine Hochleistungsmaschine!“
„Eine bis zum Letzten ausgetüftelte Rennmaschine“, ergänzte Fibi und fuhr mit dem Baumwolllappen liebevoll über den Zylinder.
Faxe stellte sich vor das Mofa und verschränkte die Arme.
„Was du hier siehst, war einmal eine Herkules Prima GT, von der sind aber nur noch der Rahmen und der Motorrumpf geblieben. Das Mofa hat jetzt einen wassergekühlten Rollerzylinder, eine neue Zündanlage, einen speziellen Auspuff und einen verbesserten Vergaser. So kommt es jetzt auf knapp zehn PS. Vorher hatte es nur zwei PS. Deshalb haben wir von einem Spezialisten auch noch ein verstärktes Getriebe besorgt, das die Belastung aushält. Hinzu kommt das komplett neue Fahrwerk mit Dämpfern und Federn aus dem Motocrossbereich. Natürlich geht es vor allem um die Leistungssteigerung, aber genauso wichtig ist die Haltbarkeit. Das Rennen am Samstag geht auf Zeit: das Mofa muss zwei Stunden durchhalten und das bei höchster Belastung. Das können wir vorher leider nicht ausprobieren, aber wir versuchen, alle Schwachstellen auszumerzen.“
Jetzt war Walter doch beeindruckt. Ein Mofa mit zehn PS? Das hätte er sich als Fünfzehnjähriger gewünscht.
Plötzlich sprang Max auf und stieß die Bierkästen um, auf denen er gesessen hatte.
„Drohne! Drohne!“, rief er und zog hektisch den Vorhang vors Fenster. Fibi deckte das Glas der Hintertür mit einem großen Stück Pappe ab. Sie verharrten schweigend und lauschten dem typischen Surren des Fluggeräts. Als es sich entfernte, spickelte Fibi durch den Vorhang.
„Entwarnung. Die Drohne ist weg.“
„Was war das denn?“, fragte Walter schockiert.
„Spionage“, erklärte Faxe. „Die Jungs vom Küchenstudio Hämmerle schrauben selber an einem Mofa und versuchen herauszubekommen, was wir hier machen. Aber wir sind auf der Hut!“
„Meinst du nicht, ihr übertreibt etwas?“
„Keineswegs. Stell dir vor: ein anderes Team hat vor ein paar Tagen eine hübsche Blondine geschickt, die angeblich Probleme mit ihrem Auto hatte, dabei hat sie hier in der Werkstatt heimlich Fotos gemacht. Aber wir haben sie erwischt und die Bilder von ihrem Handy gelöscht.“
Walter erinnerte sich an seine Zeitungsrunde. „Wenn das so ist, solltest du aber vorsichtiger sein. Neulich nachts habe ich in der Werkstatt noch Licht gesehen und habe durchs Schlüsselloch geschaut. Das Mofa war gut zu erkennen.“
„Verdammt!“, rief Faxe und schnappte sich einen frischen Baumwolllappen. Mit einem Tacker heftete er ihn ans Garagentor, so dass er das Schlüsselloch verdeckte.
„Danke für den Tipp. Wir hatten uns schon gewundert, woher das Team vom Küchenstudio von unserem Rollerzylinder erfahren hat. Jetzt ist es klar.“
Fibi widmete sich einem weiteren Aluteil, während Max sich eine Flasche Bier aufmachte.
„Was ist denn deine Aufgabe?“, fragte Walter.
„Aufsicht natürlich“, antwortete Max grinsend und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.
Faxe zog eine Schublade auf und kruschtelte darin herum.
„Da haben wir sie ja“, sagte er stolz und hob ein Birnchen in die Höhe. „Die baue ich dir jetzt schnell ein, damit wir hier weitermachen können.“
Der Kfz-Mechaniker schleuderte seine langen, schwarzen Haare nach hinten und ging mit Walter nach draußen. Mit wenigen, geübten Handgriffen öffnete er die Motorhaube des Peugeot und ersetzte die Birne. Er startete den Motor und schaltete das Licht ein.
„Wie neu“, sagte er zufrieden und machte die Motorhaube wieder zu.
„Vielen Dank! Mit deinen geschmeidigen Fingern machst du das wirklich wunderbar“, lobte Walter und fragte sich im selben Moment, warum er das gesagt hatte.
Faxe ignorierte das Kompliment und ging zurück zur Werkstatt. „Gib mir mal bei der Goschamarie ein Bier aus, dann passt das.“
Noch bevor Walter etwas erwidern konnte, schloss Faxe die Werksatttür. Zurück blieb sein Duft nach Schweiß und Motoröl. Was für ein Kerl, dachte Walter.