Читать книгу Goschamarie Mofacup - Stefan Mitrenga - Страница 15

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Als Walter um kurz nach elf die Augen aufschlug, hörte er ungewöhnlich viele Geräusche. Normalerweise war es hier, im hinteren Teil des Dorfes, so ruhig, dass man getrost bei geöffnetem Fenster schlafen konnte und am Morgen vom Zwitschern der Vögel geweckt wurde, doch in dieser Woche war nichts mehr normal. Die Geräusche kamen vom Festzelt. Mehrere Hämmer trieben lautstark Nägel in Holz, ständig schrie jemand herum und ein nerviges Klappern begleitete den Aufbau der Biertischgarnituren.

Walter ging hinunter in die Küche und öffnete für Balu die Tür zum Garten. Dann setzte er Kaffeewasser auf. Während er wartete, bis das Wasser kochte, lugte er vorsichtig zum Zelt. Viele der Musikanten hatten sich für den letzten Aufbautag offenbar Urlaub genommen und konnten schon am Vormittag mit anpacken. Überall herrschte reges Treiben. Auch um das Zelt herum tummelten sich die Helfer. Absperrungen wurden ineinander gehakt, Strohballen wurden von einem Hänger geworfen und ein Techniker nahm, mit einer unangenehmen Rückkopplung, die Beschallungsanlage in Betrieb. Etwas entfernt vom Zelt wurde unter einem riesigen Schirm eine Bar aufgebaut und ein Traktor schob den Toilettenwagen an den vorgesehenen Platz. Auch Manne und Otto, die beiden weißhaarigen Rentner aus dem Vorderdorf, halfen wieder mit. Walter entdeckte sie einige Meter vom Zelt entfernt, wo sie mit ein paar Anderen eine Zuschauertribüne errichteten. Auf den beiden frisch gemähten Wiesen auf der anderen Seite der Dorfstraße, die als Parkplätze dienen sollten, wurden rot-weiße Absperrbänder gespannt.

„Ganz schön was los da drüben, gell, gell?“

Walter fuhr herum.

„Jetzt erschreck mich doch nicht so“, schimpfte er, lächelte aber zugleich, da er sich über den Besucher freute. „Schön dich zu sehen, Dieterle“, sagte er und bot dem Mann einen Gartenstuhl an.

S’Dieterle war ein Kuriosum im Dorf. Er war vor Jahren aus dem Nichts aufgetaucht und bewohnte seitdem eine alte Hütte am Dorfrand. Die meisten glaubten, er ticke nicht ganz richtig, da er ständig über Außerirdische brabbelte und wirres Zeug erzählte. Nur Walter wusste, dass s’Dieterle einst einer der berühmtesten Anwälte Deutschlands gewesen war und sich nach einem Burnout in die Hütte in Taldorf zurückgezogen hatte. Doch auch die Hütte war nur Tarnung: im Hang hinter ihr befand sich ein alter Weinkeller, den s’Dieterle zu einer komfortablen Wohnung hatte ausbauen lassen.

„Sind wir allein?“, fragte s’Dieterle, der sehr darauf bedacht war, seine Tarnung aufrecht zu erhalten.

Walter nickte. „Ich glaube Liesl ist beim Einkaufen. Jedenfalls fehlt ihr Auto. Und die da“, Walter zeigte zu den Musikanten, „die können uns auf die Entfernung nicht hören.“

Zufrieden ließ s’Dieterle sich auf den Stuhl sinken. Er genoss Walters Gesellschaft, da er dann nicht den Idioten spielen musste.

„Da bist du ja ein echter Glückspilz“, grinste er, „du hast die nächsten Tage das Fest vor der Haustür.“

Walter gab einen undefinierbaren Brummlaut von sich. „Wir können gerne tauschen, dann ziehe ich in deiner Hütte ein.“

S’Dieterle winkte ab. „Lass mal … ich bin da auch nicht scharf drauf. Ich werde am Freitag zum Feierabendhock kommen und am Sonntag nochmal zum Frühschoppen. Das Mofarennen überlasse ich den Anderen.“

„Du hast wenigstens eine Wahl“, seufzte Walter. „Liesl und ich sitzen hier fest. Unsere Häuser stehen ja quasi auf dem Festplatz. Wir hätten einen Kurzurlaub übers Wochenende buchen sollen, dann wäre uns der ganze Trubel erspart geblieben.“

Ein anschwellendes Pfeifen erinnerte Walter an sein Kaffeewasser.

Er ging ins Haus und kam kurz darauf mit zwei dampfenden Tassen zurück.

Eine gab er seinem Gast. „Hab gar nicht gefragt … aber du trinkst doch sicher einen mit?“

S’Dieterle nickte dankbar und rührte nachdenklich in seiner Tasse.

„Das mit Panky geht mir gar nicht aus dem Kopf“, sagte er endlich. „Ich werde den alten Zausel wirklich vermissen.“

Walter war überrascht. „Ihr kanntet euch?“

„Meine Hütte, der Keller dahinter … das hat früher Panky gehört. Pfarrer Sailer hat uns damals zusammengebracht und ich habe ihm den Streifen abgekauft.“

„Dann wusste er auch, wer du wirklich bist“, stellte Walter fest.

„Er und Pfarrer Sailer waren die einzigen. Dann kamst du dazu und … naja … jetzt bist du der Letzte, der es weiß.“

Walter war während den Ermittlungen zu einem Fall hinter Dieterles Geheimnis gekommen, doch er hatte niemandem etwas verraten. Nicht einmal Liesl.

„Stört es dich denn gar nicht, dass dich alle für durchgeknallt halten?“

S’Dieterle zuckte mit den Schultern. „Sollen sie doch. Hauptsache, sie lassen mich in Ruhe. Außerdem habe ich dadurch eine Art Freifahrtschein: egal was ich mache, die Leute denken, dass ich eh nicht mehr richtig ticke.“

Er lachte und nahm einen Schluck Kaffee. „Übrigens: wusstest du, dass Panky ein Testament hatte?“

Das war Walter neu. „Woher weißt du das?“

„Wir haben es gemeinsam aufgesetzt.“

„Und was steht drin?“

S’Dieterle schüttelte den Kopf. „Als Pankys Anwalt darf ich dir das nicht sagen, Walter. Auch wenn er tot ist, muss ich mich daran halten.“

Walter fragte sich, ob Andrea von dem Testament ihres Vaters wusste und ob sie es bereits eingesehen hat.

„Ist es noch bei dir oder hat er es bei sich zu Hause?“

„Er hat es damals mitgenommen. Wo es jetzt ist, weiß ich nicht, aber er wird sich schon was dabei gedacht haben. Vielleicht liegt es in einem Bankschließfach oder in seinem Tresor zu Hause … oder auch ganz woanders. Du weißt ja, wie er war: so richtig vertraute er niemandem.“

Walter erinnerte sich gut an Pankys Misstrauen gegenüber anderen. „Die wollen alle nur mein Bestes … und das ist mein Geld“, hatte er immer gesagt, und meinte damit die Banken, Anwälte, Versicherungen und Ärzte.

„Sie haben jetzt doch eine Obduktion veranlasst. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt“, wechselte Walter das Thema.

„Ich habe davon gehört. Hat die alte Creszenz wirklich gesagt, es war kein natürlicher Tod?“

Walter nickte. „Ich war sogar dabei. Andrea war wie vor den Kopf gestoßen und Steffen wollte nichts davon wissen. Er mag die Creszenz wohl nicht.“

S’Dieterle lachte. „Die kann aber auch unheimlich sein. Wenn sie dich so durchdringend anschaut und dann eine von ihren Visionen preisgibt … uuuuuuh.“

Walter hörte, wie ein Auto vor dem Haus abgestellt wurde und hob warnend den Zeigefinger.

„Na, ihr habt’s euch ja gemütlich gemacht“, freute sich Liesl, als sie um die Hausecke kam. „Besteht die Möglichkeit, dass ich auch noch einen Kaffee bekomme?“

S’Dieterle sprang sofort auf und bot Liesl seinen Platz an. „Muss eh grad weg, gell, gell. Viel Arbeit … jaaaa. Großes Fest – viel Arbeit.“

Liesl wollte ihn bitten zu bleiben, doch s’Dieterle war schon hinter der Hausecke verschwunden.

„Ist schon ein komischer Kauz. Aber nett. Irgendwie mag ich ihn. Was wollte er denn von dir?“

„Och nichts“, sagte Walter gleichgültig. „Er hat nur rumgebrabbelt … wie immer. Aber er hat sich über den Kaffee gefreut.“

Liesl gab sich mit der Antwort zufrieden und freute sich, als ihr Walter kurz darauf ihren Kaffee brachte.

„Es gibt also ein Testament“, sagte Balu schläfrig. Er döste mit Kitty hinter dem größten der Jostabüsche. „Ja. Jetzt wird es spannend“, freute sich Kitty. „Natürlich kann alles ganz harmlos sein, aber vielleicht gibt es ja für irgendwen eine dicke Überraschung.„So wie damals für Pfarrer Sailers Schwester“, erinnerte sich Balu. „Die fiel aus allen Wolken, als sie erfuhr, dass ihr Bruder sein gesamtes Vermögen in eine Stiftung steckte.“Kitty setzte sich auf und leckte an ihrer Vorderpfote. „Geduld. Geduld. Wir werden es erfahren.“

Goschamarie Mofacup

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