Читать книгу Goschamarie Mofacup - Stefan Mitrenga - Страница 20

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„Schau mal: da vorne sind noch ganz viele Plätze frei“, rief Liesl erfreut und zeigte auf eine Reihe unbesetzter Bierbänke, direkt vor der Bühne. Walter hielt sie zurück.

„Die besten Plätze sind nicht vorne, sondern ganz hinten“, erklärte Walter, der mehr Blasmusikkonzerterfahrung hatte als Liesl. Wenn die Musik erst spielte, war es in den ersten Reihen so laut, dass man sich nicht mehr unterhalten konnte. Sie sahen sich im hinteren Bereich um und steuerten den letzten freien Tisch an. Sie hatten sich gerade hingesetzt, als Anne mit Klein-Walter das Zelt betrat. Sie sah sich suchend um und entdeckte Walter, der ihr mit beiden Armen ausladend zuwinkte.

„Da habt ihr ja noch einen der guten Plätze ergattert“, lobte Anne. Sie hatte, seit sie mit Elmar zusammen war, schon ausreichend Blasmusikkonzerterfahrungen gemacht.

„Wawa“, quäkte Klein-Walter aus seinem Buggy heraus und streckte Walter seine Ärmchen entgegen.

Walter nahm ihn aus dem Buggy und setzte ihn sich auf den Schoß. Sofort begann Klein-Walter zu kieksen, und grabschte ungeschickt nach Walters Nase.

„Na, da freut sich aber jemand dich zu sehen“, lachte Anne und setzte sich Walter gegenüber. Sie begrüßte die Anderen und sah zur Bühne. Als sie Elmar in der letzten Reihe an seinem Schlagzeug entdeckte, winkte sie ihm überschwänglich zu.

Eine Bedienung kam mit einem vollbeladenen Tablett an ihren Tisch und Georg übernahm die erste Runde.

„Auf das Gartenfest“, sagte er feierlich und streckte den anderen sein Glas entgegen.

„Bamm bamm“, beteiligte sich Klein-Walter, als die Krüge aneinander krachten.

Die Musiker versammelten sich auf der Bühne und rückten ihre Notenständer zurecht. Gleich würde es losgehen. Walter sah sich im Zelt um und entdeckte viele bekannte Gesichter: Otto und Manne, die beiden weißhaarigen Rentner aus dem Vorderdorf, Karle aus Alberskirch saß beim Rennteam vom Küchenstudio Hämmerle, Xavier aus Wernsreute war mit seiner ganzen Familie da. Max, Theo und Peter kamen gemeinsam und sahen sich nach freien Plätzen um. Walter reckte klein Walter in die Höhe, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Kleine lachte und zappelte über die Köpfe der anderen hinweg.

„Habt ihr noch Platz für ein paar durstige Stammtischkollegen?“, fragte Max rhetorisch und schob sich neben Anne auf die Bierbank, Theo und Peter quetschten sich neben Walter. Erneut kam die Bedienung und versorgte die Neuankömmlinge.

Plötzlich entdeckte Walter Eugen Heesterkamp, der direkt ihren Tisch ansteuerte. Er war in der Menge gut zu erkennen, seine geschwollene Nase leuchtete rot, wie die Rundumwarnleuchte eines Baustellenfahrzeugs. Er ging vor Walter, der Klein-Walter noch immer auf seinen Schenkeln sitzen hatte, in die Hocke und machte ein dämliches Dutzi-Dutzi-Gesicht. Dabei traten seine Augen hervor, was in Kombination mit der entstellten Nase furchteinflößend aussah.

„Ja, wen haben wir denn da?“, flötete Eugen mit Kopfstimme. „Wer ist denn da? Das ist doch der kleine Walter. Na – duzi-duzi-du …“

Klein-Walter machte eine Schnute und zog die Stirn kraus. Er schniefte zweimal ängstlich und drückte sich enger an Walter.

„Hören Sie auf - Sie machen dem Kleinen ja Angst“, sagte Walter besorgt und rutschte instinktiv etwas nach hinten.

„Ja, wo isser denn? Wo isser denn? Der kleine Walter … ja daaaa isser!“, brabbelte Eugen weiter.

„Buhääää!“, quäkte Klein-Walter panisch und ruderte mit seinen Ärmchen. Als Eugen sich weiter zu ihm hinunterbeugte, kam er in die Reichweite seiner Abwehrbewegungen. Mit seinen kleinen Händen erwischte er Eugens Nase schwungvoll von beiden Seiten.

Eugen zuckte zurück und griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Nase.

„Oh Scheiße, tut das weh!“, jammerte er mit Tränen in den Augen.

„Bitte keine bösen Wörter vor dem Kind“, tadelte ihn Anne sofort. „Die braucht er gar nicht lernen.“

Klein-Walter fand unterdessen Gefallen an Eugens Reaktion und strahlte übers ganze Gesicht.

„Bamm bamm!“, kiekste er. „Bamm bamm!“

„Du bist so ein gutes Kind“, lobte Walter mit Blick auf Eugen und streichelte dem Kleinen liebevoll über den Kopf.

„Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?“, fragte Liesl besorgt, doch Eugen winkte ab.

„Das ist mir zu … hmm … gefährlich hier. Außerdem hab ich einen super Platz in der ersten Reihe erwischt.“ Walter grinste. Manche Erfahrungen muss man einfach selber machen.

Nach einer kurzen Begrüßungsrede des Vorstands ging es endlich los und die mehr als sechzig Musikanten gaben ihr Bestes. Zwischen Märschen und Polkas gab es auch immer wieder moderne Stücke. Die Titelmelodie aus „Fluch der Karibik“ fand Walter besonders gelungen und applaudierte überschwänglich. Danach war Pause.

„Ich hole uns was zu essen“, kündigte er an und wedelte mit den

Essensmarken. Er schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch und stellte sich bei der Essensausgabe in die Schlange.

„So Walter – hosch au an Hungr?“, begrüßte ihn Marie, die auf einem Hocker hinter dem Tresen thronte. „Wa hetsch denn gärn?“

Die Auswahl war groß: Wurst im Wecken, Currywurst, Pommes, Steak im Wecken, halbes Hähnchen und Wurstsalat mit saurem Käse. Zum Glück hatte er sich mit Liesl abgesprochen.

„Zweimal den Wurstsalat mit saurem Käse“, bestellte er.

Marie nickte und rief nach hinten: „Zwoimol Wurschtsalat mitma saura Käs!!!“

Walter entdeckte s’Dieterle, der grinsend den eingelegten Käse aus einer riesigen Blechwanne fischte. Er zwinkerte Walter zu und legte jeweils ein Extrastück auf die Teller.

Marie öffnete die Kasse. „Des macht dänn …“

Walter hielt ihr die beiden Essensmarken unter die Nase.

„Jo du bisch scho an räata Schwob, Walter. Wenns nix koscht, ka mr frässa wie an Ochs.“

S’Dieterle stellte die beiden Teller auf den Tresen. Die Wurstsalatberge waren mit frischen Zwiebeln belegt, vier dicke Stücke Käse lagen halb auf dem Rand.

Marie zog die Stirn kraus. „Jo sag mol schpinnsch du jetzt, Dieterle? Des sind jo dopplete Portiona. Du ruiniersch no d Musikverei!!! Und dr Walter hot au no Märkla und zahlt nix. Sind dänn grad blos Däppa umanand?“

Walter zuckte mit den Schultern und nahm die Teller vom Tresen.

Er musste die Berge regelrecht zum Tisch balancieren, doch er schaffte es, ohne auch nur einen Streifen Wurst zu verlieren.

Vorsichtig stellte er einen Teller vor Liesl ab. „Guten Appetit!“

Liesl starrte auf die Monsterportion. „Scheißndreckn“, vergriff sie sich an Walters Lieblingsschimpfwort.

Klein-Walter hing schräg in seinem Buggy und schlief, seine Mutter nutzte die Pause, um auch etwas zu essen: Currywurst mit Pommes.

„Na, das ist ja mal eine Überraschung“, quietschte eine hübsche Blondine, die plötzlich an ihrem Tisch stand. „Wie kommst denn du hierher, Anne?“

Anne verschluckte sich an einem Stück Wurst und musste husten.

„Ja, um Gottes Willen – Gigi. Dich hab ich ja ewig nicht gesehen.“

Sie stand auf und die beiden Frauen umarmten sich herzlich. In diesem Moment verkündete der Alte über das Mikrophon, dass nun der zweite Teil des Konzerts beginne und wünschte gute Unterhaltung. Nach der Pause erholt, eröffnete die Musikkapelle die zweite Runde in gefühlt doppelter Lautstärke.

„Könntest du kurz auf Klein-Walter aufpassen?“, schrie Anne Walter ins Ohr. „Ich würde mich gerne mit meiner Freundin unterhalten … aber hier drin ist es einfach zu laut.“

Walter sah zu dem schlafenden Kind und nickte. Anne bedankte sich mit einem Kuss auf die Backe. Er sah den beiden Frauen hinterher, die sich zum Ausgang durchdrängelten. Annes Freundin war wirklich hübsch, fand Walter. Sie war recht groß, er schätzte sie auf ungefähr einen Meter siebzig, hatte blonde glatte Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte und machte einen sehr sportlichen Eindruck. Den Temperaturen entsprechend trug sie nur ein dünnes

ärmelloses T-Shirt, ohne BH darunter. Ihre Brüste hüpften bei jeder Bewegung einladend auf und ab. Walter lächelte: zwei wohlig geformte Halbkugeln menschlichen Fleisches, die sprunghaft gegen die Schwerkraft ankämpfen.

„Du Schuft“, grinste Liesl und knuffte ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. „Ich weiß genau, wo du hingeschaut hast. Aber vergiss eines nicht: Appetit darfst du dir holen – aber gegessen wird zu Hause.“

Walter setzte sein unschuldigstes Lächeln auf, doch die roten Flecken im Gesicht verrieten ihn.

„Wenn du da nicht mehr hinschaust, bist du tot“, kommentierte Max lachend. „Bei sowas Schönem guckt man doch nicht weg.“ Es war Max‘ besonderes Talent alles auf einen ganz einfachen Punkt zu bringen.

Ansonsten unterhielten sie sich kaum. Die Musik war selbst im hinteren Bereich des Zeltes zu laut dafür und Walter hatte keine Lust, die anderen anzubrüllen. Mit einem quietschenden Trompetensolo näherte sich das Konzert seinem Ende. Alle Zuschauer waren aufgestanden und klatschten im Rhythmus mit. Außer Max. Ihm fehlte jedes musikalische Taktgefühl. Noch einmal kam der Vorstand auf die Bühne, bedankte sich bei allen Besuchern und verwies auf den nächsten Abend. Der Mofacup sei das Motorsporthighlight des Jahres in der Region. Danach verstauten die Musiker erschöpft ihre Instrumente und eilten zur Theke, wo bereits ausreichend Bier für sie eingeschenkt war.

„Wir machen uns auf den Heimweg“, sagte Walter und half Anne ihren Sohn im Buggy anzuschnallen. „Sehen wir uns morgen früh auf dem Markt?“

„Auf jeden Fall. Ich hoffe nur, Elmar übertreibt es heute Abend nicht und kann auf Klein-Walter aufpassen.“

„Du kannst ihn sonst auch gerne zu mir bringen“, bot Liesl an. „Der kleine Mann war schon lange nicht mehr bei uns.“

Anne lachte. „Wir werden sehen. Aber auf jeden Fall, vielen Dank für das Angebot.“

Sie gingen gemeinsam zum Ausgang. Max, Theo und Peter wollten noch etwas bleiben und bei ein paar Bier die Ruhe nach dem Konzert genießen. George schüttelte den Kopf und bohrte mit einem Finger im Ohr.

„Ganz ehrlich: ich glaube, ich bin die nächsten Tage taub. Diese Lautstärke vertrage ich einfach nicht.“

Walter ging es ähnlich, musste aber lächeln, als er an Eugen dachte, der den Abend in der ersten Reihe verbracht hatte.

Goschamarie Mofacup

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