Читать книгу Goschamarie Mofacup - Stefan Mitrenga - Страница 18

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Nur wenige Minuten nach Annes Nachricht, klingelte Walters Handy.

„Hallo?“, meldete er sich, wie immer ohne Namen.

„Hubert hier“, antwortete der Ravensburger Kriminalkommissar. „Hast du auch eine Nachricht von Anne bekommen?“

Walter nickte unwillkürlich. „Ja. Das ist fürchterlich. Was bedeutet das denn jetzt?“

„Das bedeutet, dass ich einen neuen Fall an der Backe habe. Mein Chef hat ihn mir gerade zugeteilt. Ich sei doch der Spezialist für Morde in Taldorf, hat er gemeint.“

Walter ahnte, worauf dieses Gespräch hinauslief und versuchte gegenzusteuern.

„Hör mal … ich würde da mal nicht vom Schlimmsten ausgehen. Es kann auch immer noch ein Versehen gewesen sein … oder ein Unfall … eine Verwechslung … oder sogar ein Selbstmord.“

„Schon klar“, erwiderte Kripo-Hubert, „glaub mir: ich weiß, was ich zu tun habe. Und das ist zuallererst ein Besuch auf dem Wagnerhof. Ich muss mir den vermeintlichen Tatort ansehen.“

Walter hoffte immer noch davonzukommen. „Die Adresse hast du ja sicher?“, fragte er scheinheilig.

„Natürlich“, seufzte Kripo-Hubert, der spürte, dass Walter sich heraushalten wollte. „Und ehrlich gesagt, habe ich mit deiner Hilfe gerechnet. Du kennst die Leute doch und könntest ganz anders mit ihnen reden. Sie wissen noch nichts vom Ergebnis der Obduktion und es wird sicher ein Schock. Ich hätte dich wirklich gerne dabei.“

Walter hörte das Flehen in Kripo-Huberts Stimme, gleichwohl verspürte er nicht die geringste Lust als Hiobersatz schlechte Nachrichten zu überbringen. Überall erledigte das die Polizei, nur hier in Taldorf, musste er immer mit dabei sein. Warum? Eine Absage lag ihm auf der Zunge, doch er brachte es nicht übers Herz. Sie waren zu gute Freunde und nach allem, was sie in den letzten Jahren gemeinsam erlebt hatten, konnte Walter seine Hilfe nicht verweigern.

„Natürlich“, murmelte er resigniert. „Wie läuft das ab?“

Kripo-Hubert räusperte sich. „Ich komme in ungefähr einer Stunde mit einem Mann von der Spurensicherung bei dir vorbei, dann gehen wir zusammen auf den Hof und schauen uns alles an.“

„Glaubst du wirklich, wir finden da noch was?“, zweifelte Walter. „Panky ist vor vier Tagen gestorben … wahrscheinlich haben sie das Zimmer schon aufgeräumt … vielleicht sogar schon geputzt …“

„Ich weiß, ich weiß. Aber das ist nun mal die normale Vorgehensweise.“

Walter wusste wie penibel Kripo-Hubert seiner Arbeit nachging und vertraute ihm.

„Schön. Dann sehen wir uns in einer Stunde“, beendete er das Gespräch.

Walter hatte Liesl von Kripo-Huberts Anruf erzählt und sie hatte dem Kommissar zugestimmt. Es würde der Familie bestimmt leichter fallen, wenn jemand dabei war, den sie kannten. Walter war sich da nicht so sicher. Menschen reagierten auf solche Nachrichten sehr unterschiedlich. Außerdem kam unweigerlich die Frage nach der Ursache der Vergiftung auf. Natürlich konnte es sich immer noch um einen fürchterlichen Unfall handeln, doch es war auch möglich, dass Absicht dahintersteckte … dass Panky ermordet wurde. Auch ohne kriminalistische Ausbildung wusste Walter, dass die Täter zu einem hohen Prozentsatz aus dem engeren Umfeld der Opfer stammten. Und wer war näher dran als die Familie? Kurz überlegte er Balu mitzunehmen, verwarf den Gedanken aber wieder. Mit Kripo-Hubert und dem Mann von der Spurensicherung an seiner Seite fühlte er sich sicher.

Kripo-Hubert und der Spurensicherer kamen mit getrennten Autos. Walter wartete schon vor dem Haus und stieg zu Hubert in den Wagen. Selbst durch die geschlossenen Türen und Fenster konnte er Balus wütendes Geheul hören. Als Walter sich zum Gehen fertig gemacht hatte, war der Wolfsspitz immer aufgeregter geworden und hatte ihn sogar angebellt. Er wusste, dass sein Hund sich nur Sorgen um ihn machte und hoffte, dass er in seinem Zorn nicht das gesamte Haus verwüstete.

Der Weg zum Wagnerhof war nicht weit, trotzdem nutzte Walter die kurze Zeit, um einen Blick in den Obduktionsbericht zu werfen, den Kripo-Hubert ihm gegeben hatte. Er verstand kaum etwas vom Fachchinesisch der Pathologin. Frau Dr. Kurz konnte bestimmte Sachverhalte eigentlich sehr verständlich darstellen, blieb in ihren Berichten aber sehr sachlich.

„Er wurde vergiftet“, reagierte Kripo-Hubert auf Walters fragenden Blick. „In seinem Magen fand man Reste vom Abendessen, eine kleine Menge starken Alkohol – vermutlich Schnaps – und eine hohe Dosis Zyankali. Man nennt es auch Blausäure. Sehr giftig. Sehr tödlich. Dein Freund hatte keine Chance, nachdem er es zu sich genommen hatte, selbst wenn ein Arzt bei ihm am Bett gestanden hätte.“

Sie klingelten und Andrea öffnete die Tür. Verwirrt sah sie von Walter zu den beiden fremden Männern. „Was kann ich für Sie tun?“

Kripo-Hubert zeigte seinen Dienstausweis. „Ich bin von der Ravensburger Kriminalpolizei und muss mit Ihnen sprechen. Hätten Sie ein paar Minuten für uns?“

„Natürlich“, sagte Andrea leise und führte die Männer ins Haus. Sie nahmen in der geräumigen Küche Platz, nur der Mann von der Spurensicherung hielt sich im Hintergrund und blieb stehen.

„Frau Meinert“, begann Kripo-Hubert vorsichtig, „Sie haben eine Autopsie Ihres verstorbenen Vaters beantragt und das Ergebnis ist jetzt da. Ich muss Ihnen leider sagen, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist.“

Andrea schaute den Kriminalkommissar mit großen Augen an.

„Die Pathologin hat im Magen Ihres Vaters, neben Essensresten, auch hochkonzentrierten Alkohol gefunden … und Zyankali.“

Noch immer brachte Andrea kein Wort hervor und schaute hilfesuchend zu Walter.

„Das ist ein Gift“, erklärte der. „Es ist auch unter dem Namen Blausäure bekannt. Daran ist dein Vater gestorben.“

„Was?“, hauchte sie und jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Aber wie … wie … wie ist das möglich?“

„Wir sind hier, um das zu untersuchen“, sprach Kripo-Hubert weiter. „Wir würden gerne das Zimmer ihres Vaters anschauen, wenn Sie nichts dagegen haben. Der Mann“, Hubert zeigte nach hinten, „ist von der Spurensicherung. Es wird nicht lange dauern.“

Andrea schlug die Hände vors Gesicht und rang nach Luft. „Also ich weiß nicht … mein Mann ist nicht da … ich weiß nicht, was er dazu sagen würde. Ist das denn unbedingt notwendig?“

Kripo-Hubert sah ihr direkt in die Augen. „Ich weiß, das ist alles sehr schlimm für Sie, aber wollen Sie denn nicht erfahren, warum ihr Vater gestorben ist?“

Andreas Blick wanderte hektisch zwischen Walter und Kripo-Hubert hin und her, dann endlich nickte sie.

„Dann gehen wir am besten gleich in sein Zimmer.“ Kripo-Hubert erhob sich, Walter und der Spurensicherer folgten ihm. Sie gingen in den ersten Stock, wo Andrea auf eine Tür zeigte. „Das ist … das war sein Zimmer“, sagte sie und wollte die Tür öffnen, doch der Spurensicherer hielt sie sanft zurück. „Lassen Sie mich das machen“, bat er, „wir wollen so wenig Spuren verunreinigen, wie möglich.“

Andrea nickte und blieb vor der Tür stehen, während die Anderen das Zimmer betraten. Walter sah sich um. Wände mit dunkler Holztäfelung, ein riesiger Bauernschrank mit bunter Bemalung, ein Doppelbett aus massivem Holz, neben dem Bett ein antikes Nachttischchen mit einer Marmorplatte oben drauf. Alles wirkte sehr ordentlich. Aufgeräumt. Sauber.

„Hast du nach Pankys Tod hier schon geputzt?“, fragte Walter.

„Geputzt nicht“, antwortete Andrea. „Aber ich habe das Bett frisch bezogen. Ich … ich … also, ich weiß nicht, warum ich das getan habe, aber es erschien mir richtig.“

Walter nickte. Eigentlich gab es hier nichts zu sehen. Der Spurensicherer bepuderte einige Stellen in der Nähe des Bettes mit Fingerabdruckpulver und sicherte sie anschließend mit einem Klebestreifen. Er machte von allem Fotos und trug seine Proben in einer Liste ein.

Eines interessierte Walter noch: „Dieser Alkohol in seinem Magen … der Schnaps … weißt du, wo der herkam? Der Todeszeitpunkt liegt zwischen sechs und sieben Uhr am Morgen und ich kann mir nicht vorstellen, dass Panky um die Uhrzeit schon einen gepichelt hat … oder hatte er vielleicht ein Alkoholproblem?“

Den letzten Teil der Frage hatte Walter sehr vorsichtig gestellt, da er Panky nicht in ein schlechtes Licht rücken wollte, doch Andrea schüttelte den Kopf.

„Papa trank fast keinen Alkohol. Nur mal ein Gläschen Wein zu besonderen Anlässen. Aber er hat jeden Morgen einen Schluck von seinem Lebenstrunk genommen. So nannte er das.“

Kripo-Hubert blickte auf. „Lebenstrunk? Was soll das sein?“

„Irgendein Kräuterschnaps. Was genau drin ist, weiß ich nicht. Er trank das Zeug schon seit über dreißig Jahren. Jeden Morgen vor dem Aufstehen. Das hat ihm mal ein Freund empfohlen. Damit soll man uralt werden.“

Das hat in diesem Fall nicht funktioniert, überlegte Walter und sah sich noch einmal um. Wenn Panky den Schnaps vor dem Aufstehen getrunken hatte, müsste hier doch irgendwo die Flasche stehen. Er zeigte auf das Nachtkästchen. „Darf ich?“ Andrea nickte.

Walter öffnete vorsichtig die Tür. Auf der linken Seite lag ein Oberarmblutdruckmessgerät mit aufgerollter Manschette, daneben stand die Schnapsflasche. Ein Schnapsglas war, wie ein Hut, über den Flaschenhals gestülpt. Sofort schob der Spurensicherer Walter beiseite und machte Fotos. Dann verpackte er die Flasche und das Gläschen einzeln in Plastikbeutel.

„Gehörte das auch Ihrem Vater?“, fragte Hubert und zeigte auf den Spalt zwischen Bett und Nachttischchen. In der Ritze klemmte ein zerknittertes Stofftaschentuch.

Andrea schaute genauer hin. „Ja. Mit dem Tuch hat er immer das Schnapsglas ausgewischt, bevor er es zurück ins Schränkchen gestellt hat.“

Der Spurensicherer zog das Taschentuch mit einer Pinzette hervor und steckte es ebenfalls in einen Beutel.

Andrea fuhr herum, als unten die Eingangstür zugeschlagen wurde.

„Andrea? Wo steckst du?“, rief ihr Mann, dann waren seine Schritte auf der Treppe zu hören.

„Was … was soll denn das hier werden?“, blaffte er kurz darauf. „Andrea, was sind das für Leute und was wollen die hier?“

„Walter kennst du ja … und das ist ein Kommissar von der Kriminalpolizei und ein Herr von der Spurensicherung …“

„Was zum Teufel ...“, setzte Steffen an, doch Andrea unterbrach ihn. „Sie sagen Papa wurde vergiftet. Mit Zyankali. Das kam bei der Obduktion heraus.“

„Aber das kann doch gar nicht sein! Wie soll er denn da drangekommen sein?“

Kripo-Hubert räusperte sich. „Genau das wollten wir sie auch fragen. Haben Sie auf dem Hof irgendwo Zyankali? Vielleicht in einem Spritzmittel oder etwas Ähnlichem?“

Steffen zog irritiert die Stirn kraus. „Soweit ich weiß: nein.“

„Wenn ich mich recht erinnere, war das Zeug früher in Rattengift, bis es dann irgendwann verboten wurde“, mischte sich Walter ein. „Habt ihr davon vielleicht noch irgendwo ein paar alte Päckchen rumliegen?“

Steffen sah Andrea an, die nur mit den Schultern zuckte.

„Ich glaube nicht, aber beschwören kann ich das nicht. Der Hof ist groß und Papa hatte viele Sachen irgendwo gebunkert. Er konnte ja nichts wegschmeißen.“

„Nun gut“, sagte Kripo-Hubert und verließ das Zimmer. „Das war’s fürs Erste, aber wir müssen mit ein paar Leuten nochmal wiederkommen und uns den Hof ansehen. Vielleicht finden wir das Gift ja irgendwo.“

Steffen stolperte ihm hinterher. „Hey Moment – brauchen Sie dafür nicht einen Durchsuchungsbefehl?“

„Den habe ich morgen“, sagte Kripo-Hubert kühl und ging die Treppe hinunter. „Eine letzte Frage noch:“, sagte er an Andrea gewandt, „hatte Ihr Vater irgendwelche Feinde? Oder gab es in letzter Zeit Streit mit jemandem?“

„Sie meinen, jemand hat ihm das angetan?“, keuchte sie. „Nie und nimmer. Fragen Sie Walter, der kannte ihn doch auch. Papa war im ganzen Dorf beliebt. Wenn er Streit mit jemandem hatte, dann weiß ich nichts davon.“

Sie verabschiedeten sich und gingen zu Kripo-Huberts Wagen. Der Spurensicherer blieb noch, um die Fingerabdrücke von Andrea und Steffen abzunehmen. So konnte er später ihre Spuren, die sie mit Sicherheit im Zimmer hinterlassen hatten, ausschließen.

„Glaubst du Panky wurde ermordet?“, fragte Walter.

„Kann sein“, antwortete Kripo-Hubert einsilbig. „Aber da habe ich schon die komischsten Dinge erlebt. Warten wir erstmal ab, was die Untersuchung der Schnapsflasche ergibt. Wenn wir darin das Gift finden, sind wir ein ganzes Stück weiter.“

Sie hielten vor Walters Haus. „Sehen wir uns morgen auf dem Markt?“, fragte Kripo-Hubert.

„Das hängt ein bisschen vom heutigen Abend ab“, lachte Walter. „Das Fest geht los und ich gehe mit Liesl zum Essen hin. Wenn es danach nicht ausartet, komme ich natürlich.“

Kripo-Hubert hob die Hand zum Gruß und rauschte vom Hof. Walter steuerte direkt seinen Kühlschrank an. Nichts half besser beim Nachdenken als ein kaltes Bier.

Goschamarie Mofacup

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