Читать книгу Der Ruf der wilden Insel - Stefanie Gislason - Страница 17

Kapitel 15

Оглавление

Die Beerdigung war eine schlichte Zeremonie.

So, wie er es sich gewünscht hatte.

Trotzdem waren viele Menschen in der kleinen Kirche versammelt, die Sitzbänke waren allesamt gut gefüllt und doch, die meisten der Anwesenden kannte Kristín nicht.

Aber sie alle waren ein Teil vom Leben ihres Vaters gewesen.

Hatten ihn ein Stück in seinem Leben begleitet.

Hatten Anteil genommen an seiner Krankheit und nicht wenige von ihnen hatten ihm immer wieder ihre Hilfe angeboten, besonders dann, als er viele Dinge nicht mehr selbst erledigen konnte.

Kristín war zutiefst gerührt, als sie nach dem Ende der Trauerrede des Pfarrers als Erste die Kirche verliess und ihr auf diesem Weg überall Hände gereicht wurden.

Voller Mitgefühl und immer begleitet von einigen lieben Worten.

Viele der Anwesenden kamen draussen noch einmal auf sie zu, erzählten ihr, wie besonders ihr Vater gewesen war und Kristín liess sich von ihnen umarmen.

Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne schien warm vom Himmel herab und durch all die Geschichten und Erzählungen konnte sie die Anwesenheit ihres Vaters ganz deutlich spüren.

Doch als die Leute nach und nach den Friedhof verliessen und sie schliesslich alleine vor der Kirche zurückblieb, wurde sie sich das erste Mal bewusst, wie einsam sie nun ohne ihren Vater war.

Er war ihre Familie gewesen, ihre Zuflucht im Alltag.

Ihre einstigen Freunde hatten alle die Stadt verlassen und sich auf der ganzen Welt verteilt.

Dementsprechend waren die Gespräche auch seltener geworden.

Und ihre Mutter..

Ja, von ihrer Mutter wusste sie eigentlich nichts.

Ihr Vater hatte nie über sie gesprochen.

Hatte immer erfolgreich das Thema beendet oder war einer hitzigen Diskussion ausgewichen.

Aber Kristín war nie entgangen, wie traurig sein Blick wurde, wenn das Gespräch auf ihre Mutter kam.

Und dann tat es ihr leid.

Was wohl zwischen den Beiden vorgefallen war?

Ob ihre Mutter wohl noch lebte?

Schliesslich hatte sie ein Recht darauf, die Wahrheit über ihre Familie, ihre Mutter, zu erfahren!

Aber mehr als „Unsere Wege mussten sich trennen. Bitte versteh das.“, war nicht aus ihm heraus zu bekommen.

Dann liess er sie meist mit ihren Gedanken allein.

Es gab eine Zeit, in der sie ihrem Vater dafür unglaublich zürnte, sie so im Unklaren zu lassen.

Sie hielt es zu Hause fast nicht aus und war deshalb immer nächtelang unterwegs.

Das war die Zeit, in der ihr Vater sich immer mehr auf den Dachboden zurückzog.

Doch dann kam diese Krankheit.

Die gemeinsamen Stunden wurden seltener.

Meist war er in seinen Therapien und wenn er nach Hause kam, war er so erschöpft, dass er sich erst einmal für ein paar Stunden hinlegen musste.

Von da an setzte ihr Vater keinen Fuss mehr auf den Dachboden, zumindest nicht, wenn sie im Haus anwesend war.

Und sie stellte keine Fragen mehr über ihre Mutter.

Es schien wie ein stummes Versprechen, das beide sich gaben, ohne je darüber gesprochen zu haben.

Und jetzt hatte er sie alleine zurückgelassen.

Hatte ihre dringendste Frage nie beantwortet.

Die Frage nach ihrer Mutter.

Da war er wieder.

Der alte, monatelang unterdrückte, Zorn.

Als sie dem ersten, unschuldig daliegenden, Stein einen wütenden Tritt verpasste und er einige Meter über den Kiesweg flog, fühlte es sich so gut an, dass noch etliche weitere folgen mussten.

Es tat gut, an etwas seine Wut auslassen zu können.

Und langsam kamen die Tränen.

Die Tränen, die sie den ganzen Tag schon zurückgehalten hatte.

Warum, das wusste sie selbst nicht so genau.

Und so setzte sich Kristín auf eine Bank in der Nähe einiger Gräber und liess ihren Tränen freien Lauf.

Sie weinte um den Verlust ihres geliebten Vaters.

Aber ebenso weinte sie auch um ihre Mutter, die nun in unerreichbare Ferne gerückt war.

Es hatte ihr als Kind an nichts gefehlt.

Und er war immer sehr bemüht gewesen, dass sie die Abwesenheit ihrer Mutter nicht spüren sollte.

Das gelang ihm auch ziemlich gut.

Doch abends, wenn sie alleine in ihrem Bett lag, stellte sich Kristín immer wieder vor, wie es wohl wäre, eine Mutter zu haben, die sie abends zudeckte und nachts an ihrem Bett sass, wenn ein Alptraum sie quälte.

Mit zunehmendem Alter wurde dieser Wunsch davon abgelöst, jemanden zu haben, mit dem man „Frauendinge“ besprechen konnte.

Sie liebte ihren Vater von ganzem Herzen, vertraute ihm blind, aber es gab Dinge, über die sie mit ihm nun mal nicht sprechen konnte.

Auch wenn er es immer wieder versuchte, so musste er doch einsehen, dass seine Tochter nicht gewillt war, mit ihm über gewisse Vorkommnisse zu sprechen.

Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie an das peinliche Gespräch dachte, dass ihr Vater einst mit ihr führen wollte, als sie ihm voller Stolz von ihrem ersten Freund erzählte.

Es war das erste und einzige Gespräch dieser Art, welches zwischen ihnen stattfinden sollte.

Lange sass Kristín noch auf der Bank, genoss die Sonne, die ihre Tränen trocknete und lauschte dem munteren Pfeifen der Vögel um sie herum.

Doch dann, als ihre Augen schwer wurden und sie merkte, wie erschöpft sie eigentlich war, erhob sie sich und machte sich auf den Weg nach Hause.

In das Haus ihres Vaters.

Sie hatte ihm vor wenigen Tagen ein Versprechen gegeben.

Und dies wollte sie nun einlösen.

Der Ruf der wilden Insel

Подняться наверх