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Kapitel 2

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Die unterschiedlichsten Menschen drängten sich am Flughafen Keflavík um das Gepäckband.

Hallgrímur war einer davon und beobachtete mit unverkennbarer Neugier die junge, etwas unsicher wirkende Frau aus dem Flugzeug, welche sich in dieser Menschenmasse nicht wohl zu fühlen schien.

Nervös glitt ihr Blick hin und her, während ihre Hand immer wieder in ihre Jackentasche wanderte.

Was sie dort wohl für einen Schatz verbarg?

Sie war ihm bereits beim Einstieg ins Flugzeug aufgefallen.

Ihre blonden Haare hatte sie zu einem lockeren Zopf geflochten.

Mit aufmerksamem Blick musterte sie immer wieder die Menge an Leuten um sich herum.

Fast so, als wäre sie auf der Suche nach etwas oder jemandem.

Als ihre Blicke sich schliesslich trafen, lächelte Hallgrímur sie offen und neugierig an, während Kristín erneut ertappt und verlegen den Kopf abwandte.

Kurz darauf schallte ein akustisches Signal durch die Halle und das rote Lämpchen an der Gepäckanlage begann hektisch zu blinken. Es dauerte nicht lange, als die ersten Koffer polternd auf dem Förderband landeten und wieder zurück zu ihren Besitzern kamen.

Der Isländer war einer der Ersten, der das Glück hatte und seinen Koffer vom Band nehmen durfte.

Sein Blick wanderte wieder suchend durch die Menge.

Die blonde Frau stand noch immer an derselben Stelle, nervös zupfte sie an den Enden ihres Zopfes herum.

Er lächelte still in sich hinein.

Dann schlängelte er sich durch die anderen Wartenden unbemerkt an sie heran.

Seine Augen immer auf ihr Gesicht gerichtet.

All ihre kleinen Sommersprossen waren ihm noch gar nicht aufgefallen.

Und die Art, wie sie den Mund verzog, wenn sie sich konzentrierte.

Hübsch, dachte er im Stillen und lächelte.

Sie war so beschäftigt damit, ihren Koffer zu finden, dass sie dem grossen Mann, der sich nun entspannt an eine Betonsäule lehnte, keine Beachtung schenkte.

Hallgrímur jedoch liess sie nicht aus den Augen.

Da.

Ihr Koffer schien aufgetaucht zu sein.

Er konnte die Erleichterung in ihrem Gesicht erkennen.

Ihr Blick richtete sich auf einen alten, roten Koffer, der seinem Aussehen nach, wohl schon einiges an Reisen mitgemacht hatte.

Ihre Hände schlossen sich um den Griff, als er vorbeiglitt.

Überraschung spiegelte sich in ihrem Gesicht, als sie vergeblich versuchte, ihren Begleiter vom Band zu heben.

Er schien wohl schwerer zu sein, als sie gedacht hatte.

Sie versuchte es ein weiteres Mal, aber ihr Koffer blieb stur liegen, wo er war.

Hallgrímur lachte leise, als er sich aus seiner entspannten Position löste, um ihr zu Hilfe zu kommen.

„Augnablik.. Ég skal hjálpa þér.“

Eine tiefe, samtene Stimme trug diese unverständlichen Worte an ihr Ohr, als plötzlich der rothaarige Isländer aus dem Flugzeug neben sie trat und ihr galant den Koffer vom Band hob.

Ein dankbares Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie endlich ihren roten Begleiter in Empfang nehmen konnte.

Suchend tastete ihre Hand in ihre Jackentasche.

Als sie fand, was sie suchte, begann sie sich etwas zu entspannen und hob ihren Blick zu dem grossen Mann vor sich, der sie mit leicht zur Seite geneigtem Kopf betrachtete.

Seine blauen Augen waren belustigt auf sie gerichtet.

Und dann noch dieses entwaffnende Lächeln.

Trotz all der Hektik an diesen Flughafen strahlte er eine bemerkenswerte Ruhe aus.

Schon wieder fühlte sie die Hitze in ihrem Gesicht.

Was hatte dieser Mann nur an sich?

„Thank you.“, bedankte sie sich auf Englisch.

Verdutzt starrte er sie an.

„Du siehst aus wie eine Isländerin, sprichst aber wie keine.“, erwiderte er dann lächelnd mit einem leichten Akzent.

„Und was hast du auch in diesem Koffer alles drin? Der ist viel zu schwer für eine Frau.“

Einen Moment war Kristín erstaunt über seine Neugierde, doch dann schmunzelte sie.

„Mein ganzes Leben.“

Er musterte sie kurz kritisch, als würde er ihre Aussage überdenken, dann begann er zu lachen.

Ein tiefes, warmes Lachen.

Und in diesem kleinen Augenblick fasste Kristín Vertrauen zu diesen Bären von einem Mann.

„Man nennt mich Hallgrímur.“, stellte er sich vor, als er sich wieder beruhigt hatte und reichte der jungen Frau die Hand.

„Für dich bin ich aber auch gerne Halli“, fügte er grinsend hinzu, als er ihren verständnislosen Blick bemerkte.

„Kristín.“, antwortete sie einen Augenblick später und legte ihre kleine Hand in seine.

„Für dich bin ich gerne Kristín.“

Sie grinste ihn frech an.

Er drückte ihre Hand kurz, dann gab er sie wieder frei..

Erneut legte er seinen Kopf leicht zur Seite und betrachtete sie neugierig.

„Was treibt dich hierher, Kristín? Hier, auf diese Insel? Was macht eine junge Dame wie du auf Island?“

Als die blonde Frau ihren Namen aus dem Mund des Isländers hörte, mit derselben weichen Betonung wie ihr Vater es immer zu tun pflegte, zuckte sie kurz zusammen.

Die Betonung ihres Namens entstammte also der isländischen Sprache?

Ihr Vater war tatsächlich der isländischen Sprache mächtig gewesen.

Und Kristín begann zu begreifen, wie sehr das Geheimnis ihres Vaters ihr Leben verändern würde.

Halli entging ihre Reaktion nicht, er liess ihr aber die Zeit, sich zu ordnen.

„Ich suche jemanden.“, antwortete Kristín schliesslich leise.

Ihre Hand glitt erneut in ihre Jackentasche.

Mit zittrigen Händen streckte sie dem Isländer das alte Foto hin.

Ihr einziger Anhaltspunkt.

Sie holte tief Luft.

„Sie heisst Sigrún. Und sie ist meine Schwester.“

Dann seufzte sie leise, als sie seinen fragenden Blick bemerkte.

„Leider habe ich keine weiteren Informationen...“

Sie senkte beschämt den Kopf.

„Ich suche wohl einen Geist...“

Erstaunen huschte über Hallis Gesicht, als er schliesslich die Personen auf dem Foto betrachtete, doch die junge Frau vor ihm bemerkte es nicht.

Zu sehr fürchtete sie sich vor seiner Reaktion.

Würde er sie auslachen?

Sie einen Dummkopf nennen, weil sie Hals über Kopf hierher gekommen war, ohne weitere Details zu kennen?

Der Isländer studierte das Foto sehr lange, bevor er es ihr zurückgab.

Seine Augen suchten ihren Blick.

„Nun gut, Kristín… Dann komm mal mit. Lass uns deine Schwester suchen. Ich hab da vielleicht eine Idee, wer uns helfen könnte…“

Und mit diesen Worten packte er ihren Koffer, liess ihr keine Zeit für eine Reaktion und steuerte zielstrebig den Ausgang am Flughafen an.

Kristín folgte ihm hastig, ohne einen Augenblick daran zu denken, dass dieser Mann, der so leichtfüssig ihren Koffer hinter sich her zog, als er den Parkplatz ansteuerte, ein völlig Fremder war.

Ein unbekannter Mann, von dem sie nicht mehr wusste, als seinen Vornamen.

Und noch dazu in einem völlig fremden Land, von dessen Verbindung zu ihrem Leben sie bis vor wenigen Tagen keine Ahnung hatte.

Aber es war Kristín in diesem Augenblick egal.

Halli war bereit, ihr zu helfen.

Für ein bisschen Verstand war später auch noch Zeit.

Der Ruf der wilden Insel

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