Читать книгу Vampirmächte - Stefanie Worbs - Страница 11
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Denniz verbrachte auch die nächsten beiden Tage bei Lilly. Sie gingen spazieren oder lagen bei ihr zu Hause auf dem Sofa herum. Lilly hatte seit Tagen nicht wirklich was gegessen. Aber ebenso wenig hatte sie überhaupt Hunger.
Das kommt sicher von dem Verwandlungszeug, sagte sie sich immer wieder. Doch es war seltsam, nichts zu essen oder zu trinken. Ab und zu versuchte sie es mit Kaffee oder Tee oder auch nur Wasser, aber es schmeckte alles nach nichts.
„Das ist echt frustrierend!“, stieß sie am Abend des zweiten Tages aus. Ihre Laune hatte sich immer mehr verschlechtert. Die Kopfschmerzen waren zurück und sie begann, sich wieder krank zu fühlen. „Vielleicht sollten wir jagen gehen?“, fragte sie vorsichtig, als Denniz in die Küche kam, sicher um zu sehen, was denn so frustrierend war.
Die beiden hatten sich viel unterhalten und Lilly hatte eine Menge Fragen gestellt. Wie es so war ein Vampir zu sein und welche Mythen denn nun stimmten und welche nicht. Sie wusste jetzt, dass Vampire gefahrlos und ohne seltsame Vorkommnisse in die Sonne gehen konnten. Auch brauchten sie keine Zauberei, um das tun zu können.
Das Tageslicht schwächte sie nur insoweit, dass sie nicht ganz so schnell rennen konnten wie nachts oder dass ihre Fähigkeiten, zu denen super sehen, hören, riechen und fühlen gehörten, zwar abgeschwächt, aber trotzdem noch um ein vielfaches stärker als bei normalen Menschen waren. Es gab also nicht wirklich Einschränkungen. Auch wenn es ab und zu recht nervig war, wie Denniz bedauerte. Es gab auch tatsächlich Vampire, die sich ausschließlich von Tierblut oder Blutkonserven ernährten. Denniz selbst tat es zum Beispiel fast immer.
Und er hatte ihr auch die Sache mit dem Gift erklärt. „Vampire verwandeln nicht automatisch jeden, den sie beißen“, hatte er sie wissen lassen. „Dann gäbe es bald keine Menschen mehr auf der Welt. Ich hab dir ja schon erzählt, dass unser Gift eine beruhigende Wirkung hat, sobald es in den menschlichen Kreislauf gelangt. Wir saugen es aber zum größten Teil wieder raus, wenn wir trinken. Das passiert alles automatisch.
Das restliche Gift wird vom Immunsystem, wie eine Erkältung bekämpft und verschwindet dadurch. Außerdem wird ein Stoff im menschlichen Gehirn freigesetzt, der die Speicherung der Geschehnisse in den Langzeitgedächtnissen der Opfer verhindert. Dadurch vergessen sie was passiert ist. Ein sehr nützlicher Schutz.“ An dieser Stelle hatte er Lilly verschwörerisch zugezwinkert. Sie hatte ihn nur verständnislos angesehen, doch er hatte gemeint, sie würde noch erfahren, was er damit sagen wollte.
Weiter hatte er erklärt: „Wenn man jemanden in einen Vampir verwandeln will, muss man genügend Gift in seinem Körper lassen. Indem man ihn zum Beispiel beißt und nur ganz wenig trinkt. Manche beißen auch einfach nur, aber es ist schwerer, als du denkst, dann nicht zu trinken. Memphis kann das, aber er ist auch viel älter. Jedenfalls ist das der Grund, warum du nun in dieser Situation bist. Dein Erschaffer konnte sein Gift nicht zurückholen, warum auch immer. Und nun arbeitet es gegen deinen Körper. Der kämpft, aber er kann nicht mehr gewinnen.“
Lilly hatte auch gefragt, ob man gerade gestorbene oder im sterbenliegende Menschen verwandeln konnte, was Denniz zwar bejahte, aber nicht weiter darauf einging. Sie machte sich also ihre eigenen Gedanken zu diesem Thema und kam zu dem Schluss, dass sie es tun würde, wenn es um jemand besonderen ging. Auch wenn sie Denniz’ Einwand angenommen hatte, als sie es laut gedacht und er nur eingeworfen hatte, dass jeder selbst entscheiden sollte, wenn er könnte.
Aber auch da gibt es ja Möglichkeiten, hatte sie überlegt. Der Gedanke, irgendwann niemanden mehr zu haben, von denen die sie liebte, ließ sie einfach nicht los. Sie hatte lange mit Denniz über dieses Thema gesprochen, denn auch er hatte Menschen verloren, die er geliebt hatte. Es waren traurige Stunden gewesen, doch er hatte Lilly am Ende damit aufgemuntert, dass auch in ihr Leben neue geliebte Menschen treten würden. Und diese würden dann vielleicht auch bleiben können, wenn Lilly es wollte und zuließ.
Sie wusste, dass er sich selbst und vielleicht auch seinen Freund Memphis meinte. Und sie wusste, dass sie ihn nicht gehen lassen würde. Denn allein schon in den letzten beiden Tagen hatte sie Denniz echt lieben gelernt und wollte seine Gegenwart bereits jetzt nicht mehr missen.
Nun schaute er ihr forschend in die Augen, als er auf die Frage nach der Jagd antwortete. „Wir können nicht jagen gehen“, meinte er leise.
Lilly sah ihn fragend an. „Warum nicht? Ich glaube, das würde meine Kopfschmerzen erträglicher machen. Beim letzten Mal ging es mir auch viel besser danach.“
„Trotzdem“, entgegnete er, immer noch sehr leise. Sein Ton war ein wenig bedrückend.
„Verschweigst du mir was?“ Irgendetwas stimmte offensichtlich nicht.
„Es ist bald so weit“, murmelte er. „Deine Verwandlung wird bald abgeschlossen sein und ich denke, jetzt zu trinken, würde dir nicht helfen.“
„Wie bald?“ Lillys Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
„In den nächsten Stunden würde ich sagen. Du zeigst die gleichen Anzeichen, wie vor drei Tagen. Als wärst du krank. Beim zweiten Schub setzt die dritte Phase der Verhandlung ein. Die letzte …“ Er beendete den Satz, als wolle er noch etwas anhängen, tat es aber nicht.
Lilly hielt sich am Waschbecken fest, um nicht auf die Knie zu sinken. Dieses Thema hatten sie nicht besprochen. Sie hatte Angst davor gehabt, was er sagen würde. Wie es sein würde und ob es auch ein Fakt aus ihren Büchern war, der stimmte. Denn wenn er zutraf, würden sie Schmerzen erwarten. Feuer, das sie von innen heraus verbrannte. Oder erstickungsähnliche Zustände. Sie hoffte inständig, dass es nicht so sein würde, doch so wie Denniz sprach, schwanden ihre Hoffnungen. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass es jetzt so weit war. Sie würde sterben und dann …
Denniz hatte ihr gesagt, sie bräuchte sich keine Sorgen wegen ihrer Familie und Freunde machen. Sie könnte sie wiedersehen und ganz normal mit ihnen umgehen. Wenn sie wollte, könnte sie ihnen sogar davon erzählen. Es machte ihr also bei diesem Punkt nicht mehr wirklich viel aus, zu sterben, und dann als neugeborener Vampir weiterzuleben.
Dennoch war es eine Art Abschluss. Wie als würde man von zu Hause ausziehen. Das erste Mal auf eigenen Beinen stehen. Versuchen allein klarzukommen. Nur konnte sie hier nicht beeinflussen, wann und wie alles geschah. Sie spürte, wie Denniz ihr einen Arm um die Schultern legte und ließ die liebevoll tröstende Umarmung zu.
Eine kleine Ewigkeit später meinte er: „Lass es uns gemütlicher machen und hab keine Angst. Ich bin hier und ich gehe nicht, bis du mich wegschickst.“
Lilly wusste, dass er hoffte, sie würde es nicht tun und sie wusste, dass sie es niemals tun würde. Dankbarkeit und eine riesige Welle von Zuneigung erfüllten sie.