Читать книгу Vampirmächte - Stefanie Worbs - Страница 14

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„Ach, im Übrigen merke ich, wie sauer du auf mich bist. Aber du wirst es mir danken, wenn ich dich von so was wie eben abhalte.“

Lilly hörte wie Denniz lachte und wunderte sich, wie er merken konnte, was in ihr vorging. „Kannst du etwa Gedanken lesen?“, fuhr sie ihn etwas unwirscher an, als beabsichtigt.

Er überging den Tonfall. „Nein, aber deine Aura sprüht geradezu vor Zorn. Und im Moment ist niemand außer mir hier, was bedeutet, dass es wohl mir gilt.“

„Meine Aura?“

„Noch eins der Dinge, die du lernen kannst, wenn du willst. Ich persönlich finde es recht nützlich. Memphis hält es für Zeitverschwendung. Aber er hat auch andere Methoden, um seine Opfer zu finden.“

„Opfer, pff. Wir töten sie ja nicht, oder? Warum also Opfer? Würde nicht Blutspender besser passen?“ Lilly war über sich selbst beschämt, mit welcher Arroganz sie diese Worte sprach, doch sie waren raus, bevor sie nachgedacht hatte.

Denniz blieb so abrupt stehen, dass sie in ihn hineinlief. „Opfer deshalb, weil wir sie benutzen, um am Leben zu bleiben, und sie es sich nicht aussuchen können.“ Seine Stimme war hart und vorwurfsvoll und Lilly wusste, dass es die arrogante Art gewesen war, mit der sie gesprochen und die ihn in diese Stimmung versetzt hatte.

„Ich mein ja nur“, stammelte sie verlegen, doch Denniz sah sie scharf an.

„Du meinst, wir machen das zum Vergnügen? Pass gut auf, denn das ist eine Lektion, die ich dir nur dieses eine Mal gebe. Wenn du sie nicht beherzigst, werde ich gehen. Es ist mein Anliegen, dir diese Welt zu erklären und dich auf sie vorzubereiten. Ich will dir helfen, aber dazu brauche ich deine Zustimmung. Ohne sie kann ich nichts für dich tun. Also hör zu!

Die Menschen sind Opfer unserer Spezies, weil sie leider dazu erwählt wurden, uns am Leben zu erhalten. Stell es dir so vor, wir sind die Löwen und sie die Gazellen. Sie sind unsere Nahrung, ob sie wollen oder nicht. Also sollten wir sie mit Respekt behandeln, denn sie können es sich nicht aussuchen. Blutspender kannst du zu denen sagen, die uns freiwillig ihr Blut geben. Aber die meisten sind nun mal Opfer, ob wir sie töten oder nicht.

Ich hoffe, du wirst nicht eine von denen, die tötet, solange es auch anders geht.“ Denniz’ Blick war fest auf ihre Augen gerichtet, als er ihr diese Standpauke hielt und die Worte hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Lilly schämte sich für ihr Verhalten und gleichzeitig fühlte sie eine Welle von Zuneigung zu Denniz. Sie wusste, dass er nur das Beste für sie wollte und sie war wirklich froh, dass er für sie da war. Wäre er es nicht, wer weiß, was sie angestellt hätte.

„Tut mir leid“, sagte sie kleinlaut, aber mit fester Stimme. „Ich werde wirklich versuchen, es besser zu machen.“ Das ist alles neu und ich hab doch keine Ahnung, was hier passiert, wollte sie anfügen, verkniff sich diese Rechtfertigung jedoch.

Sein Blick wurde weicher und er hielt ihre Hand nun sanfter fest. „Gut, denn wenn du ein Mörder werden willst, werde ich dich nicht dabei unterstützen.“

Sie schüttelte den Kopf und hoffte, dass er ihre stille Bitte, sie niemals allein zu lassen, darin sehen konnte.

„Jetzt komm“, sagte er wieder so ruhig wie immer und drehte sich zum Gehen um. „Es wird Zeit, deinen Durst zu bekämpfen. Auf Zickenterror hab ich nämlich keine Lust.“

Ihr wurde leichter ums Herz, als sie wieder das vertraute Grinsen heraushörte.

Der Park war menschenleer, als sie ankamen. Denniz führte Lilly ohne Umwege in den hinteren Teil, wo nur Rehe und Ziegen ihre Gehege hatten. Dort blieben sie stehen und lehnten sich gegen einen Zaun.

„Und jetzt?“, fragte Lilly, auf ihren Tonfall achtend.

„Jetzt müssen wir warten.“ Denniz verschränkte die Arme vor der Brust.

„Mit jagen hat das aber nicht viel zu tun“, stellte sie nach ein paar Minuten fest.

„Wer sagt denn, dass es nicht zum Jagen gehört, sich auf die Lauer zu legen?“

Sie runzelte die Stirn. „Ich hatte so was erwartet wie, wir laufen jemanden hinterher und wenn er uns bemerkt und wegrennt, holen wir ihn uns.“

Denniz grinste.

Er tut das oft, stellte Lilly fest. Sehr mit sich zufrieden, der Gute.

„Ein Löwe muss auch warten, bis die Gazelle vorbeiläuft. Er latscht ihr auch nicht hinterher, bis sie merkt, dass er da ist und flieht, nur damit er ihr hinterherrennen kann, oder?“

„Stimmt“, gab sie zu und drehte sich in Richtung Gehege. Es war das Wildgehege für Rotwild. Ein großes Stück Wiese mit anschließendem Wald. In der Ferne konnte Lilly zwölf Tiere ausmachen. Darunter ein alter Hirsch mit riesigem Geweih und zwei kleinere, deren Enden gerade mal eine Handbreit gewachsen waren. Ihr Geruch wehte zu Lilly herüber. Er war nicht annähernd so berauschend wie der, der Frau von vorhin, doch auch davon bekam sie Hitzewallungen. Matsch und nasses Fell machten ihn jedoch etwas unappetitlich.

Da berührte Denniz sie sachte am Rücken. „Jetzt, Lilly.“

Sie wandte sich um und schaute in dieselbe Richtung wie er. Ein Mann kam den Weg entlang spaziert. Er blieb hier und da an den Gehegen stehen und warf trockenes Brot zu den Tieren hinein. Mit sich oder den Tieren redend stand er da und bemerkte den hungrigen Blick von Lilly nicht.

Denniz legte eine Hand auf ihren Arm und sprach so leise, dass sie schwor, er würde sich selbst nicht hören: „Wenn er vorbei ist.“

Sie nickte, ohne ihn anzusehen. Ihr Instinkt meldete sich und sie hatte alle Mühe, ihn im Griff zu halten. Alle ihre Sinne brüllten und ihr Körper wollte losrennen, doch Lilly zwang sich, ruhig dazustehen und zu warten. Denniz’ Griff wurde fester und sie konzentrierte sich auf ihn. Er würde ihr das Go geben, wenn es richtig war.

Quälend langsam schritt der Mann die Gehege ab und mit jeder Minute fiel es Lilly schwerer, stillzuhalten. Sie roch ihn und als er endlich auf ihrer Höhe war, hatte sie das Gefühl, ihn fast schon schmecken zu können. Er war auch Raucher. Und obwohl der Geruch des Nikotins, im Blut des Mannes vorhin, sie so abgeschreckt hatte, hatte sie ein riesen Verlangen, diesen hier zu beißen. Denniz flüsterte ihr zu, was sie tun sollte und sie stellte sich darauf ein. Jedes seiner Worte verinnerlichte sie, als wären diese der Anker, der sie festhielt.

Dann endlich sagte er: „Jetzt.“ Und stieß sich vom Gehegezaun ab.

Lillys Körper reagierte automatisch und binnen einer Sekunde stand sie direkt hinter dem Mann. Sie atmete den Duft seines Blutes ein, registrierte wie Denniz hinter ihr zum Stehen kam und seine Hände an ihre Schultern legte. Am Hals vor ihr pulsierte der Strom des Lebens und ohne weiter darüber nachzudenken, fasste sie den Mann und biss zu. Er war ein Stück größer als sie und so musste sie auf Zehenspitzen stehen. Der Mann hatte keine Zeit, schockiert zu sein oder sich zu wehren. Er sank ihr entgegen und Lilly wäre in die Knie gegangen, hätte Denniz sie nicht obengehalten. Sie lehnte sich gegen ihn.

Er trug nun das Gewicht beider, Lillys und das des Mannes. Sie trank gierig und in großen Schlucken. Das Brennen in ihrer Kehle verebbte und Wärme und Zufriedenheit breiteten sich in ihr aus. Es war genau wie beim ersten Mal. Nur dass Lilly diesmal wusste, was sie tat und es ging schnell. Kaum eine Minute später hörte sie Denniz’ sanfte Stimme.

Er flüsterte ihr ins Ohr: „Gut, Lilly. Es ist genug.“

Widerstrebend löste sie sich von dem Mann. Er war blass geworden und taumelte vorwärts, als sie ihn losließ. Sie konnte sich selbst kaum auf den Beinen halten. Der Mann drehte sich verwirrt zu den beiden um. Sein Blick schien zu fragen: „Was war das denn?“, aber aus seinem Mund kam kein Laut. Er stand kurz da, ging dann aber langsam weiter. Wohl in der Absicht, nach Hause zu kommen, weil ein Schwindelanfall drohte. Lilly bekam davon fast nichts mit. Sie lehnte noch immer mit dem Rücken gegen Denniz und genoss einfach das berauschende Gefühl.

Nach einer Weile löste sie sich von ihm und drehte sich langsam um. „Das war ... unglaublich“, brachte sie raus.

„So wird es jedes Mal sein. Du musst nur noch rausfinden, wie es dich nicht allzu sehr in seinen Bann zieht. Es könnte auf andere Menschen, die dich danach vielleicht sehen, seltsam wirken, wenn du total benommen da stehst und verträumt in der Gegend rumguckst.“

„Ach, das glaube ich nicht“, gab sie frech zurück, noch immer zufrieden und irgendwie glücklich berauscht. „Es gibt einige seltsame Leute, die in der Gegend rumstehen und abwesend wirken.“

Denniz lachte und Lilly ließ sich davon anstecken.

„Woher wusstest du, wann ich aufhören muss?“, fragte sie schließlich. „Was wäre passiert, wenn ich weitergetrunken hätte? Woher soll ich wissen, wann ich aufhören muss, damit ich sie nicht umbringe?“

„Ich konnte es riechen. Vampirgift hat einen Eigengeruch. Man kann es im menschlichen Organismus wahrnehmen, solange zu große Mengen darin vorhanden sind. Also Vampire und andere übernatürliche Wesen können das. Kleine Mengen sind, wie ich dir schon erklärte, nicht tödlich. Ich habe es gerochen, als es aus dem Körper des Mannes größtenteils raus war. Und bevor du ihn ausgetrunken hast, habe ich dich gestoppt.“

Bei dem Wort ausgetrunken, in diesem Zusammenhang, musste Lilly erneut lachen. „Also muss ich lernen, wie man das erriecht?“, fragte sie neugierig.

„Genau. Aber das kommt noch, keine Sorge. So schwer ist das nicht. Das ist alles ...“

„... Instinkt“, beendete sie seinen Satz. Wieder lachten beide. „Und was machen wir als Nächstes?“, fragte sie nun freudig aufgeregt.

„Ich werde dir ein bisschen was zeigen, was du jetzt anstellen kannst. Und du musst entscheiden, wie es mit deinem Leben weitergeht. Ich meine deine Familie, dein Job und so was.“

Lilly wurde still. Sie hatte schon darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, in Bezug auf ihre Familie, erst mal ganz normal weiterzumachen. Zumindest soweit es ihr möglich war. Sie hatte ein wenig Zeit, um zu entscheiden, wann sie ihnen sagen wollte, was passiert war. Aber erzählen wollte sie es ihnen. Sie hatten ein Recht darauf, es zu erfahren.

Ihren Job wollte sie kündigen. Zum Einem wegen der Gefahren, sie arbeitete mit vielen Menschen zusammen, es konnte gefährlich werden, wenn sie Durst bekam. Zum Anderen hatte sie nun viel mehr Möglichkeiten und sie nahm es sich heraus abzuwägen, wie es beruflich weitergehen sollte. Sie hatte etwas gespart, also brauchte sie sich keine Gedanken darüber zu machen, was mit ihren Rechnungen geschah. Und solange das Geld reichte, würde Lilly eben von heute auf morgen leben.

Ihren Freunden würde sie vielleicht irgendeine Geschichte erzählen. Außer ihrer besten Freundin natürlich. Biene würde, wie ihre Familie, die Wahrheit erfahren dürfen. Auch, wenn sie ihr sicher kein Wort glauben würde.

„Na ja“, sagte Lilly schließlich, „ich denke, ich weiß schon, was ich tun werde. Zumindest, was die Menschen um mich herum angeht. Aber was machen wir beide?“

Denniz lächelte bei den Worten wir beide und Lilly lächelte über seine Zufriedenheit.

„Wir beide? Wir werden jetzt ein paar neue Wege für dich erkunden.“ Und mit diesen Worten rannte er los.

Überrascht von seinem plötzlichen Übermut, stand Lilly ein paar Sekunden da und schaute ihm nach, dann rannte sie ihm hinterher. Ihre Beine bewegten sich schnell und alles um sie herum flog vorbei, als würde sie auf der Autobahn fahren. Ihre Schritte waren gleichmäßig und ihr Atem ruhig, aber die Welt raste vorbei. Sie holte Denniz an einer Straße ein, an der er stehen geblieben war, weil hier der Tierpark zu Ende ging.

„Wow“, war alles, was sie rausbrachte.

Er grinste sie wieder an und wies auf einen kleinen Wald am Straßenrand. „Wir sollten da drin weiter üben. Damit uns keiner sieht.“

Sie nickte und schon waren beide mitten in dem kleinen Wäldchen. Früher hatte es hier mal einen Trimm-dich-Pfad gegeben. Jetzt stand davon nur noch die Hangelstation. Denniz bewältigte sie ohne Schwierigkeiten und Lilly tat es ihm gleich. Die beiden balancierten darauf oder sprangen darüber und Lilly hatte einen riesen Spaß daran. Es war unglaublich zu erkunden, zu was sie nun alles fähig war.

„Wo bin ich?“, hörte sie Denniz’ Stimme eine ganze Weile später und sah sich um. Er war verschwunden. Sie lief den Waldweg hoch und runter, konnte ihn aber nicht entdecken.

„Wo bist du denn?“

„Höre auf deine innere Stimme“, schallte es von irgendwo aus dem Wald. Also blieb Lilly stehen und schloss die Augen. Sie konzentrierte sich auf die Geräusche und Gerüche um sich herum. Es waren so viele Eindrücke, so viele Tiere die sie hörte und roch. Sie musste die Augen aufmachen, damit ihr davon nicht schwindelig wurde.

Sie fand die Tiere augenblicklich. Igel, Hasen, Frösche, Schnecken, Ameisen, Vögel, aber Denniz entdeckte sie nicht. Geschlagene zehn Minuten stand Lilly da und suchte, dann tauchte er wie aus dem Nichts hinter ihr auf. Erschrocken fuhr sie herum. Sie war so darauf fixiert gewesen, ihn zu finden, dass sie ihn glatt übersehen hatte.

Er lachte. „Na, das müssen wir aber noch üben.“

„Mhh“, grummelte sie zustimmend. Es frustrierte sie. Bis jetzt hatte einfach alles geklappt. Aber es war auch abzusehen gewesen, dass sie irgendwas ausbremsen würde.

„Mach dir nichts draus, Kleine. Das bekommen wir hin. Na los, versuch’s noch mal.“ Und schon war er wieder verschwunden.

Vampirmächte

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