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Der Zoroastrismus und der linkshändige Pfad

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Kein Denksystem hat die klassische westliche Mythologie des linkshändigen Pfades mehr geprägt als der Zoroastrismus. Die religiöse Grundvorstellung des Iran, dass eine ganze Hierarchie der Mächte des Guten im Kampf gegen eine Hierarchie der bösen Mächte steht, gelangte (in der einen oder anderen Form) in einigen Fällen über das Judentum und den Gnostizismus in den Westen oder, in anderen Fällen, direkt in den heidnischen Norden (Siehe Kap. 3). Ursprünglich unterschied sich das iranische Glaubenssystem nur wenig vom vedischen System Indiens. Dies kommt daher, weil die Arier und die Iraner zwei Zweige desselben Astes am Baum der indoeuropäischen Kulturen und Religionen bilden.

Die iranischen Systeme haben Wesentliches zur westlichen Mythologie des linkshändigen Pfades beigetragen; häufig sind sie sehr dualistisch ausgerichtet und vom Thema des Kampfes von Gut gegen Böse beherrscht. Wenn man diese Systeme analysiert, stellt man umso überraschender fest, dass sie nur wenig von den Spannungen aufweisen, welche den grundsätzlichen philosophischen Fragen zugrunde liegen, die im Osten wie im Westen den linkshändigen vom rechtshändigen Pfad unterscheiden. Die iranischen Systeme scheinen über Merkmale zu verfügen, die auf die eine oder andere Weise zum linkshändigen Pfad gehören!

Das Studium der iranischen Religion ist komplex und wird durch die Tatsache erschwert, dass ihre kulturelle Basis und ihr Mittelpunkt durch die islamische Eroberung des Iran vor über tausend Jahren zerstört wurden. Viele Zoroastrier (heute als Parsen bekannt) entkamen nach Indien, wo sie ihre Religion weiterführten, und einige nichtislamische Praktizierende verschiedener Formen der iranischen Religion (Zoroastrismus inbegriffen) haben bis heute im Iran überlebt. Ihre hochentwickelten Denkschulen jedoch sind seit langem zerschlagen.

Zarathustra, der vermutlich im elften oder zehnten Jahrhundert v.u. Z. gelebt hat, war im Grunde ein Reformer der iranischen Religion, wie sie von verschiedenen Stammesgruppen praktiziert wurde. Er selbst war zum Priester oder Zaotar dieser Opferreligion ausgebildet. Schon vor Zoroasters Zeit hatte das iranische System starke dualistische Tendenzen entwickelt,72 die in der Folge ihren Ausdruck in den iranischen Religionen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Zoroastrismus finden sollten. Zoroasters Reformen schienen darauf gerichtet, einen moralistischen Dualismus innerhalb eines theoretisch „monotheistischen“ Systems zu schaffen. Die Hauptgegner von Zoroasters Bestrebungen waren die ultrakonservativen Repräsentanten der alten indo-iranischen Ordnung: die Mairyas, die in Haenas oder „Männerbünden“ organisiert waren. Diese Opposition erscheint logisch, da der Monotheismus dazu neigt, die herrschende Klasse ihrer Macht zu entkleiden und diese Macht einem einzigen Führer oder Schah zufließen zu lassen.

Die Haenas waren die Bewahrer der archaischen religiösen Kultur und Praxis. Sie brachten Tieropfer dar (vor allem Pferde und Rinder) und tranken eine heilige berauschende Flüssigkeit (Haoma, das sprachlich dem Soma im Sanskrit entspricht). Sie bildeten Gemeinschaften berittener Krieger, die auf ihren Reisen von Frauenscharen, genannt Jahikas oder Jahis, begleitet wurden. Manchmal kämpften diese Frauen auch an der Seite der Krieger, gewiss waren sie aber ihre Konkubinen. Auf spiritueller Ebene werden diese Jahis von den Fravashis gespiegelt (von übernatürlichen weiblichen Wesenheiten, die zugleich die beschützenden und sie ermutigenden Seelen der Krieger sind; siehe Seite 42). Das Wort „Jahi“ wurde später der obersten Dämonin im Zorostrismus zugeordnet: Jahi oder Jeh („die Hure“).

Die Religion der Mairyas basierte gewiss auf dem Leben, der Erhaltung und der Verstetigung des Lebens, wie auf der Herrlichkeit der individuellen Seele. Als der Prophet Zoroaster sie sah, müssen ihm diese Gruppen als Verkörperungen der bösen Günstlinge Ahrimans erschienen sein. Sie trugen schwarzes Leder (wobei sie im Kampf von der Hüfte aufwärts nackt waren), trugen schwarze Waffen und schwenkten eine schwarze Fahne, die mit silbernen Drachen geschmückt war. Ihr langes Haar trugen sie zu Zöpfen geflochten. Von ihren Initiationsriten ist bekannt, dass sie – wie die Mitglieder anderer indoeuropäischer Kriegergruppen – das Fell von Wölfen anlegten, wodurch sie sich selbst in wolfsähnliche Wesen verwandelten. Zusätzlich versetzten sie sich in eine magische Wut, Aeshma genannt.73

Dieses Aeshma ist aus folgenden Gründen für uns doppelt interessant: einerseits ist es eine deutlich erkennbare Parallele zur magischen Raserei oder Inspiration der germanischen Krieger/​Magier unter der Führung ihres Gottes Wotan/​Odin/​Woden (siehe Seite 80). Doch findet sich das Wort „Aeshma“ auch in der jüdisch-christlichen Dämonenlehre in Gestalt von Aeshma-daeva (der Gott/​Dämon der Wut) – aus dem iranischen Begriff Aeshmadaeva wurde schließlich Asmodeus, der, je nach Quelle, als ein Dämon der Lust, König der Dämonen oder Höllenfürst bezeichnet wird.

Zoroaster schmähte die religiöse Kultur der Kriegergesellschaften, und viele seiner Reformen zielten anscheinend darauf ab, das zu korrigieren, was er an ihren Praktiken und ihrer gewaltsamen Natur als ausschweifend betrachtete. Im Wesentlichen bestanden seine Reformen darin, die meisten (wenn nicht alle) Götter (Daevas) des überlieferten iranischen Pantheon durch Hierarchien von Verkörperungen eher abstrakter Wesenheiten oder Prinzipien (Yazatas) zu ersetzen.

Nach Zoroasters Theorie gibt es einen Gott, der absolut rein, gut und weise, aber nicht allmächtig ist. Er wird Ahura Mazda (Weiser Herr) genannt. Durch Gedanken erschafft er eine Hierarchie allsehender Geister. Darüber hinaus hat er ein ganzes Universum erschaffen, das Menok genannt wird. Es heißt, dass Ahura Mazda aus seinem eigenen freien Willen das Gute gewählt hat.74

Daraus ist ersichtlich, dass es ein moralisches System unabhängig von den Göttern geben muss, dem sie unterworfen sind. Unter den Schöpfungen Ahura Mazdas sind die Zwillinge Spenta Mainyu (segensreicher Geist) und Angra Mainyu (zerstörender Geist). Angra Mainyu übt seinen freien Willen anfangs darin, das Böse anstatt des Guten zu wählen. Die bloße Existenz Angra Mainyus schränkt letztlich die Güte Ahura Mazdas ein. Dann beginnt Angra Mainyu, einen Angriff auf die gute Schöpfung Ahura Mazdas zu planen (der in einigen Darstellungen mit Spenta Mainyu gewissermaßen gleichgesetzt wird). Doch Ahura Mazda erkennt in seiner allsehenden Weisheit Angra Mainyus Plan, und um sein bereits existierendes spirituelles Universum (Menok) zu verteidigen, erschafft er nach dessen Muster ein materielles Universum (Getik). Dieses materielle Universum wurde von Ahura Mazda also als Waffe oder Schild gegen Angra Mainyu verwendet. (Die späteren Systeme der Gnosis, die das materielle Universum als Schöpfung des „üblen Gottes“ erdachten, wären hochgradig ketzerisch gegen Zoroaster selbst.)

Einige Darstellungen berichten, dass Angra Mainyu eine „Gegenschöpfung“ ins Leben rief, in welcher er Ungeheuer (wie Wölfe und Spinnen) für jedes schöne Geschöpf Ahura Mazdas (wie etwa Hunde und Adler) erschuf. Andere Interpretationen behaupten, dass Angra Mainyu von den guten Geschöpfen Besitz ergriffen hatte oder ihnen innewohnte, um sie so zu verderben.

Doch was hat Angra Mainyu – der aus späteren Quellen als Ahriman bekannt ist – anderes getan, als Ahura Mazda die Rechtfertigung zu liefern, die er braucht, um seine Macht ins Grenzenlose auszudehnen, indem er, moralisch richtig, zur Verteidigung seiner guten Schöpfung handelt? Hier wird es offensichtlich, dass Angra Mainyu letztendlich – wenn auch unbewusst und unwillentlich – an Ahura Mazdas Plänen der Perfektion mitwirkt. So kann Angra Mainyu als ein Beispiel für „das Böse“ betrachtet werden, das die Ursache für das Gute hervorbringt. Eine Parallele kann hier zu J. W. von Goethes Teufel Mephistopheles gezogen werden, der von sich selbst sagt:

[Ich bin] ein Teil von jener Kraft,

Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

(Faust I, Vers 1136 - 1137)

Im orthodoxen zoroastrischen System wird die Menschheit ermahnt – nach dem Vorbild Ahura Mazdas –, aus freiem Willen heraus stets das Gute zu wählen. Tut sie dies, werden dadurch die Machenschaften Ahrimans vereitelt. Die Menschheit wird als das hauptsächliche Schlachtfeld zwischen Gut und Böse sowie als der Dreh-und Angelpunkt, auf dem das Schicksal der Welt ausbalanciert wird, betrachtet. Die Zoroastrier waren mit ihren Bestrebungen, die iranische Religion zu reformieren, beileibe nicht auf Anhieb erfolgreich, und nichts wies darauf hin, dass ihr System einmal zur offiziellen Religion am Hofe des Schah Darius werden würde – bis etwa 522 v.u. Z.75

Obwohl Zoroaster im östlichen Iran (auf der Ostseite des Zagros-Gebirges) lebte und sich sein System dort am stärksten entwickelte, verbreiteten sich die verschiedenen iranischen Reiche (von etwa 800 v.u. Z. an) und der Einfluss der iranischen Kultur durch Mesopotamien bis nach Kleinasien (die heutige Türkei). Im Westen des persischen Reiches hielt sich der Kult der Magus (sgl. Magu, „Priester“) stark und trotzte dem zoroastrischen Einfluss. Magu ist die ursprüngliche Wurzel des Begriffs „Magier“, der auch zum Singular Magus (pl. Magi) latinisiert wurde und hoch eingeweihte (und offenbar weise) Praktizierende der Hexenkunst bezeichnete. Mit der Zeit wurde jedoch der Kult der Magus fortschreitend von zoroastrischem Gedankengut durchdrungen, bis sie schließlich (von Außenstehenden) als zoroastrische Priester identifiziert wurden.

Genau genommen blühten die vorzoroastrischen Systeme während dieser Zeit weiterhin sowohl innerhalb als auch außerhalb des persischen Reiches, und manche Stimmen sagen, dass sie sich bis zum heutigen Tag gehalten haben. Auf jeden Fall ist bekannt, dass die ursprünglichen iranischen Glaubensvorstellungen (d. h. die Formen der Daeva-Verehrung) in der Gebirgsregion von Sogdia noch zur Zeit der islamischen Eroberung von 636 bis 800 bestanden haben.

Die wichtigsten vorzoroastrischen Systeme, die im Laufe der Zeit gleichwohl begonnen haben, Elemente des Zoroastrismus zu übernehmen (wie sich auch der Zoroastrismus vorzoroastrische Elemente zueigen machte), waren der Zurvanismus und der Mithraismus.

Zurvan ist eine iranische Gottheit, die sowohl die unendliche Zeit als auch das Schicksal verkörpert. Nach den Zurvanisten ist Zurvan der „Vater“ sowohl Ahura Mazdas (Ohrmazd) als auch Angra Mainyus (Ahriman). Dieses Konzept ist offensichtlich sehr alt und bestand möglicherweise bereits vor dem System Zoroasters.76 Wahrscheinlich findet die Vorstellung eines moralischen Dualismus, wie er in der zoroastrischen Theologie gelehrt wird, einen Ausdruck im Dualismus zwischen Geist (als Manifestation des Guten) und Materie (als Manifestation des Bösen) im System des Zurvanismus. Es kann nicht genug betont werden, dass die Ideologie, in welcher Geist = gut und Materie = böse ist, nicht zoroastrisch ist. Im orthodoxen Zoroastrismus gilt es als schwere Ketzerei, solches zu glauben, auch wenn es eine iranische Vorstellung zu sein scheint. Im Zurvanismus wird Ahura Mazda (Ohrmazd) auf eine Schöpfung Zurvans reduziert. Dies ist für orthodoxe Zoroastrier ebenfalls eine ketzerische Auffassung.


Abb. 2.4. Das zurvanistische System

Im Zurvanismus wird der Gott Mithra (vedisch Mitra) als Vermittler zwischen Ohrmazd und Ahriman gesehen. In Mithra haben wir eine weitere überdauernde Erscheinungsform der vorzoroastrischen Religion; solche Manifestationen gibt es sowohl durch die iranische Religionsgeschichte hindurch als auch in religiösen Systemen, die vom iranischen abgeleitet werden. Der Mithrakult hielt sich lange und besonders stark unter den Magus des westlichen persischen Reiches, vor allem in den Regionen um das Schwarze Meer. Es ist offensichtlich ein nicht-zoroastrischer, kriegerorientierter Mysterienkult.77 Eine gründliche Untersuchung des Mithraismus zeigt, dass es sich dabei um ein hoch entwickeltes System handelt, das sich aus der Religion der Kriegerbünde (Haenas) der iranischen Frühkultur entwickelt hat. Dies wird oft mit Elementen von Religionen und Mysterienkulten vermengt, mit denen die Mithraisten in Berührung kamen. Als die Römer von diesem Kult in Kenntnis erhielten (in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts u. Z.), verbreitete er sich bei den Soldaten im ganzen Römischen Reich. Im Gegensatz zu anderen bekannten Formen iranischer Religion kommt der Mithraismus ohne dualistisches Denken aus. Mithras (römisch: Mithras; Zurvanismus: Mithra), der in einiger Hinsicht einem anderen „Kulturhelden“ ähnelt, der ebenfalls am 25. Dezember geboren wurde, gelangt zur Erlösung durch die Opferung eines Stieres. Letztendlich musste dieser Stieropferkult dem Menschenopferkult des Christentums weichen.

Vom Standpunkt des orthodoxen Zoroastrismus gesehen, repräsentieren sowohl der Zurvanismus wie auch der Mithraismus ketzerische, „böse“ Pfade der Dunkelheit: der Zurvanismus, weil er Ohrmazd als Zurvan untergeordnet betrachtet und weil er das materielle Universum zu einer Schöpfung des bösen Gottes reduziert; der Mithraismus, weil er die Verehrung eines der alten Götter (Daevas), Mithra, in den Mittelpunkt stellt. Darüber hinaus wird der bei Nacht verehrt (was an sich schon unter orthodoxen Zoroastriern einen bösen Akt der „Teufelsverehrung“ darstellt), und er ist ein Kriegergott, der einen kosmischen Stier opfert, um die Welt zu erschaffen, was an den Opferkult der alten iranischen Kriegerbünde (Haenas) erinnert. Die Anhänger des Mithra haben an diesem Opfer teil und werden damit selbst zu Schöpfern.


Abb. 2.5. Mithras opfert einen Stier, Seite A von einem Relief aus dem 2./​3. Jahrhundert (Louvre)

Der Zoroastrismus und die iranischen Religionssysteme im Allgemeinen haben einen enormen und teilweise nachhaltig prägenden Einfluss auf die sie umgebenden religiösen und magischen Traditionen ausgeübt. Aus diesen Systemen sind religionsgeschichtlich so wichtige Vorstellungen erwachsen wie die strenge Dualität zwischen den Mächten des Guten und denen des Bösen, der Glaube an die Ankunft eines Welterlösers (Saoshyant) am Ende des linearen Zeitstrahls, die Vorstellung, dass alle Seelen gerichtet werden (wobei die Guten ins Paradies78 gelangen und die Bösen in ein Reich der Strafe), und die Idee von der Wiederauferstehung (oder Wiederherstellung und Neubelebung) der physischen Körper der Toten in einer erneuerten Welt. Eigentlich sind viele der wesentlichen jüdisch-christlichen Mythen iranischen Ursprungs: gewisse Aspekte von Eden (Genesis 1 - 2), die Geburt Jesu (Matthäus 2 : 1 - 12) und verschiedene Einzelheiten der Apokalypse.

Die Symbolik des ersten Mannes und der ersten Frau (zusammen mit einer böswilligen weiblichen Figur) im Judentum (und daher auch im Christentum) sowie der mit einer Schlange verbundene Baum im Paradies scheinen definitiv aus iranischen Quellen zu stammen.79 Da diese Symbole im Nahen Osten jahrtausendelang präsent waren, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie nach der jüdischen Befreiung von Babylon 539 v.u. Z. in die hebräische Mythologie eingeflossen sind. Seit dieser Zeit war Israel bis zur Eroberung durch Alexander 332 v.u. Z. Teil des Persischen Reiches.

Noch offenkundiger iranischen (insbesondere „magianischen“ oder mithraischen) Ursprungs ist der Mythos von der Geburt Jesu Christi. In der iranischen (mithraischen) Überlieferung glaubte man, dass der zukünftige Erlöser-König der Welt in einer Höhle geboren werde und dass dies von einem „Stern oder einer Lichtsäule“ über der Höhle angekündigt werde. Dies erklärt auch, warum es in den Darstellungen des Matthäusevangeliums heißt, drei Magoi (Magus) hätten das Christkind besucht.80

Manche Gelehrte haben ebensoeine frappierende Ähnlichkeit zwischen Einzelheiten der biblischen Darstellung der Apokalypse und anderen eschatologischen Szenarien aus der indoiranischen Welt (und schließlich der ganzen indoeuropäischen Tradition) festgestellt. Dazu gehört offenbar eine Reihe von Parallelen mit monströsen Geschöpfen, einer gewaltigen letzten Schlacht und einer letztendlichen Erneuerung.81

Von den Jesiden, einer im Irak, in der Türkei und in Syrien lebenden Volksgruppe, wird oft behauptet, sie hätten eine Verbindung zum linkshändigen Pfad. Es ist wohl wahrscheinlich, dass der ursprüngliche Impetus und das Wesen dieser Sekte iranisch sind (die Jesiden sind Kurden, ein iranisches Volk). Auch die augenscheinliche Tatsache, dass sie dem Gott, der üblicherweise mit dem Bösen assoziiert wird, eine gewisse Ehre erweisen und dass ihm – bereits in der Vergangenheit oder künftig – von Gott vergeben wird, stimmt mit heterodoxen iranischen Glaubensvorstellungen überein.82 In Kapitel 4 werde ich noch näher auf die Jesiden eingehen.

In einer abschließenden Analyse erscheint es nahezu unmöglich, nach den Kriterien dieser Untersuchung irgendeines der iranischen Denksysteme als dem rechtshändigen oder dem linkshändigen Pfad zugehörig zu klassifizieren. Obwohl in diesen Systemen gewöhnlich eine starke Polarität zwischen Gut und Böse vorherrscht, ist das Gute keine Frage der Befolgung von „Gottes Gesetz“ oder dem Streben nach Selbstauflösung – sei es im wörtlichen Sinn oder als Nebenprodukt der „Erfüllung von Gottes Willen“ –; eher geht es darum, das Gute zu tun oder zu wählen, das der Gott ebenso zu wählen erstreben muss. Der Gott scheint ein objektives Konstrukt zu sein, vergleichbar mit Platons Agathôn. Die Individualität der Guten wird nicht aufgelöst, sondern stattdessen bewahrt, ja sie ersteht sogar physisch wieder auf. In einer Prämisse des Zoroastrismus wird festgelegt, dass allen Menschen die Erlösung bestimmt ist, denn ihre Anwesenheit in der Welt ist ein Zeichen, dass ihre Fravashis – oder Seelen – sich im Himmel dafür entschieden haben, auf die Erde zu gehen und für das Gute zu kämpfen.

Weil der „Osten“ historisch in der Lage war, die ganze Bandbreite religiöser Pfade, die Menschen erschaut und praktiziert hatten, mehr oder weniger intakt zu erhalten und weil Weise und Magier diese Methoden in einer Atmosphäre relativer philosophischer Toleranz bewusst ausarbeiten konnten, erscheinen Methoden und Vokabular beider Pfade dort klarer umrissen. Vieles von dem Zwiespalt zwischen den Methoden und Zielen, die wir in dieser Untersuchung dem rechtshändigen oder dem linkshändigen Pfad zugeordnet haben, entwickelte sich ursprünglich in einem östlichen (indoiranischen) Kontext. Im dritten Kapitel werden wir, wenn wir die ältesten Grundlagen der europäischen Kultur im Westen betrachten, einen auffallenden Gegensatz zu den Pfaden feststellen, die verhältnismäßig frei von der Zweiteilung sind, die zu der Etikettierung „linkshändiger versus rechtshändiger Pfad“ geführt hat.

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