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Prometheus und Pandora

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Die Ursprünge des Bösen und seine transformierende Wirkung auf die Menschheit

Die genaue Entstehungszeit des Mythos von Prometheus (dessen Name „der Vorausdenker“ bedeutet) ist unbekannt. Doch die Vorstellung von einer überpersönlichen – oder halbgöttlichen – Gestalt, die der Menschheit die geistige Fähigkeit gebracht habe, Dinge erkennen können, scheint eine allgemein indoeuropäische zu sein. Solch eine Gestalt würde normalerweise als Wohltäter der Menschheit gelten oder als ihr tatsächlicher Schöpfer (im geistigen Sinne). Eine Quelle aus dem vierten Jahrhundert (Pausanias 10.4.4) sagt sogar, Prometheus habe Menschen aus Ton geformt.2 Dies scheint ein dem Mittleren Osten entlehnter Mythos zu sein, der Prometheus mit Jehova identifiziert. Womöglich war es auch der Einfluss mittelöstlicher Vorstellungen vom „Übel“ der Erkenntnis, der die Griechen irgendwann dazu veranlasste, Prometheus zu einem Beispiel für den Ursprung des menschlichen Elends zu erklären.

Hesiods Theogonie (ca. 700 v.u. Z.) ist der älteste schriftliche Hinweis auf den Mythos von Prometheus. Hesiod porträtiert Prometheus als eine titanische (vorolympische) Wesenheit, die eine Spaltung zwischen Göttern und Menschen bewirkte, die bis dahin in friedlicher Eintracht miteinander gelebt hatten. Da Götter und Menschen im Guten auseinandergehen wollten, stiftete Prometheus ein Stieropfer, um ihren Pakt der Trennung und Unabhängigkeit von einander zu besiegeln. Es heißt, dieses Ritual wurde an einem Ort namens Mekone abgehalten. Nachdem er den Stier geschlachtet hatte, teilte Prometheus ihn in zwei Portionen: die eine bestand aus den Knochen, die andere aus dem Fleisch und den Innereien. Die Knochen bedeckte er mit Fett, so dass der Rauch, der von ihnen aufstieg, die Aufmerksamkeit Zeus’ erregte, des höchsten Gottes im Olymp. Ebenso wurde das Fleisch unter dem Fett des Stieres verborgen. Dem Olympier wurde angeboten, eine Wahl zu treffen, und er wählte die mit Fett bedeckten Knochen. Als Zeus die Wahrheit entdeckte, wurde er zornig auf Prometheus und die Menschen und entzog ihnen das heilige Feuer, das vermutlich zu dem gehörte, was Götter und Menschen zuvor miteinander geteilt hatten.

Diese Teilung des Stieres in genießbare Teile, die von den Menschen verzehrt wurden, und grundsätzlich ungenießbare, die mutmaßlich der Anteil der Götter waren, ist gängige indoeuropäische Praxis, und der Mythos versucht auf einer späteren Stufe, dies zu „erklären“.

Nach Hesiod antwortet Prometheus darauf, indem er das heilige Feuer vom Olymp stiehlt. In einem hohlen Fenchelstiel trägt er es zu den Menschen zurück. Und wieder will Zeus Prometheus und die Menschen bestrafen. Dieses Mal wird Prometheus an einen großen Felsen geschmiedet, zu dem täglich ein Adler kommt, um von seiner Leber zu essen. Um die Menschen zu bestrafen, sendet Zeus ihnen eine Frau – Pandora („die Allbeschenkte“) – aus deren Büchse alle Plagen der Menschheit ausströmen.

Hesiods Beschreibung von Prometheus ist zugegebenermaßen negativ, auch wenn die primitiven, vor Hesiods Zeit zurückliegenden Wurzeln des Mythos nicht so gewesen sein mögen. Alles in allem handelt der Mythos vom selbstbestimmten und unabhängigen Handeln unserer Spezies, von ihrem „Erwachsenwerden“. Solche Transformationsmythen beinhalten anscheinend immer die Rebellion gegen die Autorität. Zeus selbst war seinem Vater (Kronos) gegenüber nicht nur ungehorsam – er tötete ihn und errichtete durch seine Rebellion eine neue göttliche Ordnung. Hesiod weist sich durch die negative Haltung Prometheus’ Taten gegenüber als jemand aus, der sich nach „den guten alten Zeiten“ sehnt, bevor die Menschheit sich von ihrer göttlichen Herkunft abgetrennt oder unterschieden hatte. Der Glaube an eine göttliche Herkunft ist ebenfalls eine gemeinsame indoeuropäische Tradition.

Dennoch war bestand keine vollkommen negative Haltung gegenüber Prometheus. Dies geht aus einer späteren Version des Mythos hervor, die der attische Tragödiendichter Aischylos (525 - 456 v.u. Z.) präsentierte. Aischylos porträtiert Prometheus als einen tragischen Helden und Retter der Menschheit.

Aischylos schrieb ursprünglich anscheinend eine Prometheus-Trilogie, die aus drei Tragödien bestand, doch nur die erste davon, Der gefesselte Prometheus, ist erhalten. In dieser Version des Mythos verweigert Zeus den Menschen das heilige Feuer einfach, während er gleichzeitig darüber klagt, dass die Menschheit minderwertig und fehlerhaft sei. Zeus plant, die Menschheit zu vernichten und ein neues Geschlecht zu erschaffen. Prometheus widerspricht der Auslöschung der Menschheit und erklärt Zeus, dass die Menschen, um ihr Potential zu erfüllen, das göttliche Feuer benötigen. Zeus weigert sich, ihnen das Feuer zu überlassen, worauf Prometheus es vom Olymp stiehlt und dafür in derselben Weise, wie bei Hesiod beschrieben, bestraft wird. Während Hesiod den Abstieg der Menschheit nach einem „Goldenen Zeitalter“ betont, in dem sie von der Familie der Götter nicht geschieden war, betont Aischylos einen „Fortschrittsmythos“, in dem die menschliche Art beginnt, Bewusstsein zu entwickeln, nachdem sie mit dem Geschenk des göttlichen Feuers in Berührung gekommen ist.

Obwohl der Text von Aischylos’ letzter Tragödie verloren gegangen ist, wissen wir von Darstellungen, in denen Zeus Prometheus freilässt und ihm vergibt. Er tut dies im Grunde, weil sich die Vorhersage des „Vorausdenkers“, was das Potential der Menschheit im Zusammenhang mit dem Besitz der göttlichen Flamme betrifft, als richtig erwies – wobei der Umstand, dass Prometheus’ Mutter Themis ihm das Geheimnis von Zeus’ späterem Niedergang verraten hat, ebenfalls eine Rolle spielt.


Abb. 3.1. Prometheus gefesselt von Thomas Cole

Historisch betrachtet mag diese Versöhnung von Zeus und Prometheus dadurch Auftrieb erhalten haben, dass zu Aischylos’ Zeit – am Ende des Hellenischen Zeitalters – in Athen ein jährliches Fest zu Ehren Prometheus’ abgehalten wurde. Dieses Fest wurde anfangs zwar hauptsächlich von Handwerkern gefeiert, gewann zu Aischylos’ Zeit aber auch unter den Gebildeten an Popularität. Der Kult um diesen „Gott des Bösen“ wurde zu einem weit verbreiteten Phänomen.3 Es kann gut sein, dass die Geschichte von Zeus’ Vergebung eher ersonnen wurde, um für Zeus als einen Gott der Vergebung und Weisheit zu werben, als den Ruf des Prometheus zu rehabilitieren. Es heißt sogar, Zeus habe seinem Vater Kronos vergeben und ihn zum König des Elysiums gemacht.

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