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Die Verrücktheit der Aktivität

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Viele von uns hegen und pflegen die Vorstellung, dass wir irgendwann einmal die Zeit haben werden, uns zurückzulehnen und nichts zu tun. Wir haben jahrelang hart gearbeitet, sind endlich zufrieden mit dem Wohlstand oder dem Status, den wir erreicht haben, und fühlen uns nun dazu berechtigt, uns auszuruhen und die Früchte unserer Arbeit zu genießen.

Aber in der Regel funktioniert das wieder mal nicht so. Wir sind auf Aktivität mindestens ebenso stark angewiesen wie auf die Zerstreuungen, die uns etwa das Fernsehen bietet. Wir sind aktiv, um uns auf andere Weise ständig auf etwas in der Außenwelt zu konzentrieren.

Kurz nach meinem Universitätsabschluss nahm ich einen befristeten Job in der Pensionsabteilung einer Baufirma an. Damals verrichtete ich zwar jede Menge öder Jobs, aber das war mit Sicherheit der allerödeste. Ich saß in einem winzigen Zimmer voller Regale, die vollgestopft waren mit Dutzenden von Kartons mit alten Pensionsformularen – eines für jeden ehemaligen Mitarbeiter der Firma. Meine Aufgabe war nun, all diese Formulare alphabetisch zu sortieren. Es gab Abertausende. Ich brauchte zwei ganze Monate.

Einer meiner Kollegen war ein älterer Mitarbeiter namens Jimmy. Als ich ihn fragte, wie lange er schon in der Firma arbeitete, antwortete er: „Erst seit ein paar Monaten. Ich komme auch von einer Zeitarbeitsfirma. Ich bin jetzt 66 Jahre alt und wurde vor einem Jahr bei meinem eigentlichen Job pensioniert. Ich arbeitete bei einer Versicherung.“

„Warum haben Sie die Stelle so kurz nach Ihrer Pensionierung angetreten?“

„Es war schwer für mich, einfach nichts zu tun“, antwortete er mir. „Ich mag es, wenn ich beschäftigt bin.“

Das verblüffte mich damals. Warum sollte jemand, der endlich dem Hamsterrad der Büroarbeit entkommen war, freiwillig zurückkehren, selbst wenn er das finanziell gar nicht nötig hatte? Ich an seiner Stelle hätte lange geschlafen, Bücher gelesen, wäre spazieren gegangen oder hätte mir ein Hobby gesucht. Aber er hatte sich dafür entschieden, wieder den ganzen Tag in einem muffigen Büro zu verbringen.

Ein Freund erzählte mir vor kurzem, wie es war, als er eine Zeitlang wieder bei seinen Eltern wohnte, nachdem er sich von seiner Partnerin getrennt hatte. Er wunderte sich, warum seine Mutter das Haus jeden Tag von oben bis unten putzte, selbst wenn er nicht einmal das winzigste Staubkörnchen entdecken konnte. Sie saugte jeden Teppich, wischte überall Staub. Dabei war seine Mutter nicht einmal Hausfrau – nachmittags arbeitete sie halbtags. Aber ihre Arbeit begann eben erst zur Mittagszeit und sie genoss es, vorher etwas Hausarbeit zu erledigen.

„Warum putzt du denn schon wieder?“, fragte er sie eines Morgens. „Es ist doch gar nicht nötig.“

„Nun, dir gefällt es vielleicht, faul rumzuliegen und nichts zu tun“, entgegnete sie, „aber ich bin gern beschäftigt.“

Ich vermute, dass jeder von uns ähnliche Geschichten erzählen könnte. Die meisten von uns wollen nicht untätig sein, wollen nicht unverplante Zeit vor sich haben, deshalb suchen wir nach etwas, womit wir sie ausfüllen können. Davon kann manches sinnvoll und notwendig sein, anderes nicht.

In dieser Hinsicht ist der Begriff des „menschlichen Daseins“ eigentlich die falsche Bezeichnung. Eine der Haupteigenschaften des Menschen ist es, dass er nicht einfach nur sein kann. Wenn überhaupt, geht es uns um „menschliches Handeln“. Ein eingeborener Anthropologe würde uns im Scherz vielleicht als „die Wesen, die nicht nichts tun können“ bezeichnen oder vielleicht als „die Wesen, die einfach nicht mit sich selbst allein sein können“.

Verrückte Welt

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