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Ego-Trennung/Ego-Isolation

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Als ich 18 Jahre alt war, machte ich an der Universität von Warwick eine der schrecklichsten Erfahrungen meines Lebens. Ein Freund lud mich in sein Zimmer ein, um Marihuana zu rauchen. Ich hatte schon einmal Dope probiert, und zwar in Keksform, und es hatte mir gut gefallen. Ich fühlte mich damals leicht und entspannt und kicherte wie ein Kind. Ich dachte, jetzt würde das Gleiche passieren, aber der Unterschied hätte nicht größer sein können. Das Dope muss wohl ziemlich stark gewesen sein, denn ich fühlte mich bereits nach ein paar Zügen ziemlich seltsam. Wir waren zu sechst oder zu siebt und reichten den Joint weiter. Urplötzlich veränderte sich die Atmosphäre. Auf einmal lag Spannung in der Luft. Niemand sagte ein Wort, alle schienen verstummt zu sein. Und schlagartig wurde mir klar: Ich war der Grund für die schlechte Stimmung. Die anderen mochten mich nicht. Sie kannten sich untereinander, hatten alle ihr Zimmer auf diesem Flur, aber ich kannte nur Darren, weil der mit mir einen Kurs besuchte. Vielleicht lag es an meinem Dialekt. Sie stammten alle aus dem Süden und ich aus dem Norden Englands. Ganz offensichtlich gehörte ich nicht hierher.

Hätte ich nur ein paar nette Sachen gesagt oder Witze gemacht, um die Atmosphäre aufzulockern! Aber ich war nicht in der Lage zu sprechen. Ich war in mir gefangen. Der Mechanismus, der meine Gedanken in Worte verwandelte, funktionierte nicht mehr, so, als ob eine Verbindung gekappt worden wäre. Ich saß eine scheinbare Ewigkeit lang da, fühlte mich immer stärker abgelehnt und unwohl, bis es mir endlich gelang aufzustehen. „Ich muss jetzt los“, sagte ich zu Darren.

„Geht es dir gut, Steve?“

„Ja, toll. Ich muss halt los.“

Ich verließ die Wohnräume und ging durch die Mensa. Dort saßen Studenten und tranken und redeten miteinander und lachten, ich aber war vollkommen isoliert. Ich war hier völlig allein, gefangen in meiner eigenen geistigen Sphäre mit meinen Gedanken und meinem Gefühl, ein bewusstes Wesen zu sein. Niemand konnte mich je verstehen, erfahren, was ich erfuhr, spüren, was ich spürte. Ich fühlte mich unermesslich einsam, wie ein Planet – umgeben von der schier endlosen Leere des kalten Alls. Zwischen mir und jedem anderen tat sich eine unüberwindbare Kluft auf. Der Raum in meinem Kopf, in dem mein „Ich“ wohnte, wirkte beengt und bedrückend wie eine winzige, dunkle Gefängniszelle.

Ich spürte, dass ich die Wirklichkeit meines Dilemmas als Mensch durchlebte, eine schreckliche Wahrheit, die sich niemand auch nur im Geringsten eingestehen wollte und die unmöglich zu ertragen war. Allen anderen ging es ebenso – wir waren in uns selbst gefangen, voneinander isoliert, konnten uns nicht begreifen, und wir alle versuchten mit allen Mitteln, davor zu flüchten. Wir tranken und redeten und schauten fern, nur um die Leere in uns zu vergessen.

Nach einigen Stunden klang die Wirkung des Dopes ab. Aber das Gefühl der Isolation und Abtrennung blieb noch monatelang, wenn auch in milderer Form. Immer wenn ich mich unter Menschen befand, spürte ich unentwegt, dass jeder von jedem getrennt war, dass wir versuchten, die Kluft zwischen uns durch Reden und Gestikulieren zu überwinden, wir uns aber nie wirklich gegenseitig kannten, dass jeder allein war in seiner geistigen Welt, wie Inseln, die versuchten, mit Rauchzeichen über die Weiten des Meeres zu kommunizieren.

Man könnte diese Erfahrung als drogeninduzierte psychotische Episode betrachten, ich aber vermute, dass sie mir nur etwas verdeutlichte, was ich schon längst gespürt hatte – und zwar seit meinen Teenagerzeiten. Die Droge erlaubte mir ein präzises Verständnis einer der wesentlichen Wirklichkeiten unseres normalen menschlichen Befindens, die wir alle erleben, selbst wenn wir uns dessen nicht bewusst sind: die Tatsache, dass wir alle in einem Zustand der „Ego-Abtrennung“ oder „Ego-Isolation“ leben.

Verrückte Welt

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