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Die Verrücktheit der Zerstreuung

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Sie kommen von der Arbeit nach Hause und öffnen die Tür. Der Tag ist stressig gewesen, jetzt wirkt die Ruhe und Leere Ihres Heimes fast ein wenig ungemütlich. Also schalten Sie als Erstes das Radio an. Dann bereiten Sie sich ein paar Häppchen zu und setzen sich an den Tisch. Obwohl das Radio läuft, fühlt es sich an, als ob etwas fehle; es fühlt sich irgendwie nicht richtig an, einfach nur dazusitzen und zu essen, durch das Fenster auf die Straße oder den Garten hinter dem Haus zu schauen. Sie spüren, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit auf etwas richten müssen. Etwas in Ihnen drängt Sie dazu, Ihre Aufmerksamkeit ganz in etwas zu versenken. Deshalb greifen Sie nach einer Zeitschrift und blättern sie beim Essen durch.

Dieser Drang, unsere Aufmerksamkeit ganz auf die äußeren Dinge zu richten, ist so instinktiv, dass wir uns dessen kaum bewusst sind. Unsere Aufmerksamkeit ist wie ein Lichtstrahl, der immer auf ein Objekt der Außenwelt gerichtet sein muss. Ist sie nicht völlig auf etwas konzentriert, dann fühlen wir uns unbehaglich. Wir spüren einen Mangel. Wann immer also unsere Aufmerksamkeit nicht auf ein Ziel fokussiert ist, durchforsten wir unsere Umgebung, ob wir nicht doch noch einen „Aufhänger“ für sie finden – ein Buch, eine Zeitung, das Fernsehen oder das Internet.

Natürlich erleben wir diesen Drang, unsere Aufmerksamkeit auf etwas zu richten, oft auch ganz offenkundig. Wenn Sie nicht genug Geld haben, um abends auszugehen, sitzen Sie zu Hause fest und langweilen sich. Die Vorstellung, einfach nur daheim zu sein und nichts zu tun, ist schlichtweg unvorstellbar – das würde Ihre Laune nur noch verschlechtern. Und schließlich fühlen Sie sich deprimiert. Deshalb rufen Sie einen Freund an, um mal zu quatschen, oder schauen den Rest des Abends eine DVD und schreiben E-Mails.

Oder Sie befinden sich auf einer langen Bahnfahrt: Wieder einmal schlagen Sie die Zeit damit tot, einfach nur aus dem Fenster zu schauen und können nichts anderes tun. Schnell fühlen Sie sich unbehaglich. Vielleicht fangen Sie nun an, sich über alles Sorgen zu machen – dass der Zug Verspätung haben könnte, dass Ihr Geschäftstermin eine Katastrophe wird oder, ganz allgemein, dass Ihre Beziehung zu Ihrem Partner auch nicht gerade ideal ist. Also stellen Sie sicher, dass Sie genug zu tun haben und sich genug ablenken, damit Ihr Geist beschäftigt bleibt – Sie greifen zu einem Buch, einer Zeitung, Ihrem Notebook oder Smartphone. Das trifft auf jede Situation zu, in der wir Zeit vor uns haben, die nicht ausgefüllt ist – im Wartezimmer eines Arztes beispielsweise.

Deshalb ist das Fernsehen so beliebt: Es ist ein sehr effektiver „Aufhänger“ für unsere Aufmerksamkeit, eine der besten bislang bekannten Methoden, um unsere Aufmerksamkeit auf etwas außerhalb von uns selbst zu konzentrieren. Der durchschnittliche US-Amerikaner sieht pro Woche 28 Stunden fern – er verbringt also vier Stunden am Tag außerhalb seiner selbst und versenkt sich in die alternative Wirklichkeit der Sendungen.

Ich will das Fernsehen nicht verdammen. Viele der Sendungen sind in der Tat amüsant oder regen zum Denken an. Jeder sieht aus einem anderen Grund fern, und der gleiche Mensch hat zu unterschiedlichen Gelegenheiten ganz verschiedene Beweggründe fernzusehen. Er will zum Beispiel informiert oder unterhalten werden. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass unser Hauptgrund, den Fernseher anzuschalten, der ist, dass wir aus uns selbst herausgeholt werden wollen.

Würden wir denn wirklich jede Woche 30 Stunden damit verbringen, in die alternative Welt der Fernsehserien einzutauchen – oder in andere alternative Wirklichkeiten wie etwa Computerspiele –, wenn wir mit unserer Realität wirklich zufrieden wären?

Verrückte Welt

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