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MARINA

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Marina wühlte sich durch ein Regal mit wunderbar weichen Pullis. Sie konnte sich nicht ganz entscheiden, welchen sie anprobieren wollte. Der heutige Tag gehörte ihr, und um ehrlich zu sein, hatte sie auch keine besondere Lust auf Probleme, Gespräche, Lukas oder Moritz.

Der Abend mit Moritz hing ihr noch etwas nach und beschäftigte ihre fürsorglichen Instinkte. Er tat ihr ein bisschen leid, einfach würde er es wahrscheinlich nicht haben. Die halbe Nacht hatte sie noch im Internet nach Informationen und Anlaufpunkte für schwule Jugendliche gesucht, doch sie hatte dann irgendwann beschlossen, dass Moritz selbst auf die Beine kommen musste und sie wollte sich auch nicht allzu sehr reinhängen. Schließlich hatte sie genug eigene Probleme. Die letzten Tage hatte sie relativ viel mit Moritz gechattet, doch viel war dabei nicht rumgekommen. Er drehte sich immer im Kreis, um seine eigenen Probleme und Ängste. Doch immerhin erschien er ihr etwas aufgelockerter. Seinen Webbrowser würde er aber auch selber bedienen können.

Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sich seit einer Woche nicht bei Lukas gemeldet hatte. Doch von ihm kam auch nichts, also beschloss sie, ihren Frust nun mit ihrer EC-Karte im vorweihnachtlichen Menschentrubel auszublenden.

„Liebst du ihn?“, hatte Moritz sie gefragt. Die Frage traf sie völlig unvorbereitet und eigentlich wusste sie die Antwort selbst nicht so genau.

Klar, am Anfang waren die Schmetterlinge im Bauch überwältigend, doch in letzter Zeit spürte sie, dass irgendetwas nicht mehr so war wie früher. Auch der Sex blieb aus und seine Verschlossenheit brachte sie immer öfter auf die Palme, ebenso, wie seine launischen Ausbrüche. Doch sie war eine Meisterin darin, Probleme auszublenden. Es würde sich schon alles irgendwie regeln. Bei diesem Mistwetter spinnen ja alle herum, dachte sie sich.

Sie zog einen schlichten, fliederfarbenen Strickpulli aus dem Regal und hielt ihn vor sich in die Luft, die Schultern aufgespannt, damit sie Form und Farbe begutachten konnte.

Sie ging zu einem mannshohen Spiegel und hielt den Pulli noch mal vor sich und merkte, dass er ihr doch nicht so gut gefiel. Also legte sie ihn wieder beiseite.

Sie stöberte weiter durch ein Jeansregal, ohne eine passende Eingebung zu finden.

„Kann ich dir behilflich sein?“, fragte eine ziemlich tussihafte, kaugummikauende Verkäuferin.

„Nein, danke, ich schau’ mich nur um.“

„Okaaay ... wenn du was brauchst, meld dich einfach!“ Sie drehte sich mit einem furchtbaren Kopfschlenker um und stolzierte mit wackelndem Hintern zu einem anderen Kunden, den sie weiter nerven konnte.

„Tussi!“, murmelte Marina kaum hörbar. Viel zu laute House Music dröhnte aus den Boxen, die anscheinend hinter jedem T-Shirt angebracht waren, um die Kunden mit donnernden Schallwellen fertigzumachen.

Das Handy piepste.

„Seit wann raucht Lukas eigentlich?“ – eine Nachricht von Moritz.

Sie konnte es nicht mehr hören, reagierte aber gewissenhaft.

„Lukas raucht doch nicht!?“, antwortete sie.

„Noch nichts gefunden?“ – die Tussi.

„Nein, danke!“ Geh weg!

„Er ist irgendwie komisch“ – Moritz.

„Wieso?“

„Keine Ahnung“

Dreht sich in Moritz’ Welt alles nur um Lukas? Sie war genervt. Also antwortete sie nicht weiter.

„Was machst du?“ – Moritz.

„Shoppen – keine Zeit.“ Sie schaltete auf stumm und steckte das Handy wieder in ihre Tasche. Es summte wieder, doch diesmal hatte sie keine Lust, darauf zu reagieren. Sie vermisste die Zeiten, in denen man noch anrief, wenn es irgendetwas Wichtigeres zu bereden gab.

Bin ich zu schroff? ... Ich hab’ auch ein Leben!, rechtfertigte sie sich vor sich selbst und widmete sich weiter den Kleiderregalen. Sie grübelte kurz, zog ihr Handy wieder aus der Tasche und schaltete es ganz aus, ohne die letzte Nachricht zu lesen.

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