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Ulf­berht, Hruođolfshof, Weinmonat 792

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Ein Schatten fiel auf Ulf­berht. Er sah sich um. Edolf stand vor ihm und versperrte den Weg zurück auf den Hof. Edolf war Hruođolfs zweiter Sohn, und er hatte sich Ulf­berht gegenüber keineswegs freundlicher gezeigt als sein älterer Bruder Radolf. Gehetzt blickte Ulf­berht um sich. Er befand sich in einer der Gerätekammern, und außer Edolf war kein Mensch zu sehen. Radolf, der ältere der Brüder, hatte ihn schon auf dem Rückweg von Moguntia bei jeder Gelegenheit gequält und erniedrigt, konnte ihn diese Familie nicht einfach in Ruhe lassen?

»Du hast meinen Bruder und damit meine ganze Familie vor dem Grafen bloßgestellt, du unverschämter Bauernbengel«, fauchte Edolf, das Gesicht nun ganz nah vor Ulf­berhts. »Aber nun bist du nicht mal mehr ein unverschämter Bauernbengel, du bist ein Unfreier. Ein Knecht meines Vaters!«

»Bin ich nicht, ich arbeite nur unsere Schuld bei ihm ab … « Ulf­berht war den Tränen nahe.

»Die Schuld abarbeiten?«, lachte Edolf. »Das wird dir deinen Lebtag nicht gelingen, und euer mickriger Hof fällt uns auch so in den Schoß. Und auch deine hübsche Schwester!« Er machte mit dem Mund eine Geste, als wolle er ein Weib küssen.

Ulf­berht konnte die Tränen nicht zurückhalten, während er innerlich vor Wut kochte. »Du gemeiner Hund«, heulte er.

»Och, jetzt weint er«, spottete Edolf.

Mit einem Schrei sprang Ulf­berht Edolf an die Gurgel. Der war für einen Moment so überrascht, dass es Ulf­berht gelang, seinen älteren Kontrahenten umzuwerfen, doch dann bekam Edolf Ulf­berht seinerseits zu packen und drückte ihn zu Boden.

»Du kleiner, mieser Dreckskerl, das wirst du mir büßen«, zischte er. Laut schrie er: »Zeter und Mordio!« – den Warnruf, mit dem ein unschuldig Angegriffener alle Freien und Hörigen zur Hilfeleistung verpflichtete. Dann schlug er Ulf­berht mit der Faust so fest vors Kinn, dass diesem schwarz vor Augen wurde.

Als Ulf­berht wieder zu sich kam, lag er am Boden. Um ihn herum standen außer Edolf noch Radolf und mehrere Knechte sowie Hruođolf, der Hofherr, selbst. Vater und Söhne blickten finster auf ihn herab, während die meisten Knechte verlegen wegsahen, wenn sie seinem Blick begegneten. Seinen Vater hatten sie nicht besonders gemocht, wusste Ulf­berht, er hatte sich zu viel auf seine Freiheit eingebildet. Aber Hruođolf war ebenfalls kein beliebter Herr.

»Ein Zwölfjähriger hat dich angegriffen«, hörte Ulf­berht plötzlich eine bekannte Stimme. Es war Điodabalþ, der über seinem Kopf stand und beschwichtigend auf Edolf einredete. Ulf­berht blickte dankbar zu ihm hinauf. Der fromme Knecht hatte ihn schon auf dem Rückweg von Moguntia vor dem Zorn Radolfs zu bewahren gesucht, wenn auch mit wenig Erfolg.

»Er ist bald alt genug für den Heerbann!«, zeterte Edolf.

»Das war ein Angriff auf Leib und Leben seines Herrn!«, pflichtete ihm sein Bruder bei.

Auch ihr Vater blickte sehr ernst. »Ich habe deine Mutter gewarnt«, grollte er an Ulf­berht gewandt. »Und außerdem brauche ich weder dein hungriges Maul noch sonst etwas von dir hier auf dem Hof.« Er fuhr sich mit der Rechten durch den Bart, während Ulf­berht ihn angstvoll anstarrte.

Er hatte keine Vorstellung, was er von dem hartherzigen Edeling erwarten sollte. Auch schämte er sich ob seiner Hilflosigkeit und Tränen. Der gesamte Haushalt kam, vom Geschrei angelockt, zusammengelaufen, darunter auch mehrere Mägde und Radolfs junge Schwester. Betreten senkte Ulf­berht den Blick.

Plötzlich räusperte Hruođolf sich. Ein freudloses Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Ich zahle mit ihm einen Teil meiner Schuld beim Abt von Lauresham. Die brauchen immer Knechte bei den Köhlern im Wald.« Ulf­berht wusste mit den Worten nichts anzufangen, nur, dass er wohl noch weiter von zuhause weggebracht würde.

Doch Điodabalþ erbleichte. »Aber, aber«, stammelte er. »Das ist ein unehrlicher Beruf, etwas für Halbfreie und Hörige. Und Ulf­berht ist und bleibt ein freigeborener Franke …«

»Willst du mit ihm gehen, weil du selbst ein Höriger bist?«, fragte Hruođolf barsch. »Außerdem ist er jetzt kein Freier mehr, sondern mein Eigentum!«

Nun stockte auch Ulf­berht der Atem, so jung er war, wusste er doch, dass das nicht rechtens war. »Ich bin kein Höriger … «, brachte er heraus, doch da traf ihn eine schallende Ohrfeige.

»Noch bist du mein Eigentum. Wenn auch bald ein dreckiger Kohlknecht irgendwo tief im Wald, von Gott und den Menschen vergessen!«, rief Hruođolf und funkelte ihn böse an.

»Vater«, mischte sich da die junge Hludahilt, seine Tochter, ein. Ulf­berht hatte sie bisher nur bei den Mahlzeiten aus der Ferne gesehen, aber ein warmes Gefühl der Dankbarkeit durchströmte ihn.

»Du auch?«, begehrte der Hofherr auf. »Das besiegelt sein Geschick erst recht. Schafft ihn aus meinen Augen, und morgen geht er nach Lauresham!«

Ulf­berht schmeckte Blut im Mund. Wut und Hilflosigkeit schwappten über ihm zusammen, und gegen seinen verzweifelten Willen brach er wieder in Tränen aus. Zwei Knechte packten ihn und schleppten ihn zu dem neuen Schafspferch.

»Da haben wir endlich eine vernünftige Anwendung für das blöde Ding!«, beschied Hruođolf. Er war mit dem unlängst erlassenen Befehl König Karls, der jeden Herrenhof verpflichtete, zur Vermehrung der Wollproduktion im Frankenreich eine Schafherde zu halten, nie einverstanden gewesen. »Der Pferch ist stabil genug, damit uns der Kerl nicht ausbüxt, und leer steht er auch.« Die eigentlichen Bewohner befanden sich wegen der noch milden Witterung auf der Weide.

Erst spät am Abend bekam Ulf­berht nochmals Besuch, jedoch nicht, um ihm sein Abendessen zu bringen, wie er vermutete. Edolf stand in der Tür und hinter ihm sein Bruder Radolf. »So Bursche, jetzt wollen wir mal sehen, wer der Stärkere ist«, prahlte der ältere Junge und trat dem überraschten Ulf­berht in den Bauch. Ulf­berht brach zusammen. Edolf nutzte das, um ihm weitere gezielte Tritte zu versetzen. Vor Schmerz und Zorn ballte Ulf­berht die Fäuste, doch da packte ihn Radolf und hielt ihm die Arme fest. »Du willst doch nicht noch einmal deinen Herren schlagen?«, fragte er mit einem gemeinen Grinsen.

Der Schmied der Franken. Ulfberhts Reise

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