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Sigiberht, Sachsen, Erntemonat 792

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Ein Vierteljahr war es her, dass Sigiberht seine Frau und die Kinder zuletzt gesehen hatte. Während zuhause das Korn reifte, befand er sich im kalten und verregneten Sachsen. Vermutlich wartete sein Getreide vergeblich auf den Schnitter, denn Ulf­berht war zwar ein braver Junge, aber noch nicht stark genug für die harte Arbeit, und sein Kopf war voller Flausen. Sigiberht seufzte schwer. Auch hier brachte niemand die Ernte ein. Die Sachsen waren über die Elbe geflohen und hatten Felder und Gehöfte verbrannt. Ein trostloses Land und ein trostloser Feldzug.

Ludabalþ, den es wie Sigiberht als Königsfreien von seinem Hof im Lahntal hier in den öden Norden verschlagen hatte, musste Ähnliches gedacht haben, denn er schimpfte: »Dies ist eine verfluchte Gegend. Damit hat Gott die Heiden doch schon genug bestraft. Was wollen wir da noch?«

Sie befanden sich mit einer kleinen fränkischen Abteilung irgendwo im sumpfigen Gelände zwischen Wirraha und Albis und sicherten eine kleine Burg. Eigentlich war es eher ein Sandbuckel, der sich aus dem umgebenden Matsch erhob, und notdürftig von einer Palisade geschützt wurde. Darauf drückten sich ein paar armselige Sachsenhäuser zusammen. Die meisten Bewohner waren fort, und von den Zurückgebliebenen ging bestimmt keine Gefahr aus. Die einzige wirkliche Bedrohung schien von den üblen Dünsten des Moores und den Tausenden und Abertausenden an Stechmücken herzurühren, die hier brüteten. Bereits mehrere Männer waren am Dreitagefieber erkrankt. Ludabalþ und er waren nun am frühen Morgen mit Ledereimern ausgezogen, um frisches Wasser für die Kranken zu holen, welches der schlammige Bach, der um die Burg herum floss, nicht liefern konnte.

»Dort bei den Erlen ist eine gute Stelle.« Ludabalþ zeigte auf eine Gruppe niedriger Bäume.

Der Hinweis war unnötig, sie gingen den Weg dreimal am Tag. Umständlich reihte Sigiberht die Eimer am Ufer auf, während Ludabalþ in die Knie ging, um das Wasser zu schöpfen, ohne dabei den Matsch aufzuwirbeln. Plötzlich knackte hinter ihnen ein Zweig. Trotz des eintönigen Alltags, der die Franken ermüdet und zermürbt hatte, fuhr Sigiberhts Hand zum Griff seiner Spatha, dem fränkischen Langschwert, welches er am Gürtel trug. Dies war allen Anstrengungen des Königs zum Trotz weiterhin Feindesland. Auch Ludabalþ war sofort auf den Beinen, keinen Moment zu früh. Aus dem Erlendickicht brachen fünf zerlumpte Männer mit wilden, blonden Bärten und verfilztem Haar hervor. Zweifellos sächsische Aufständische auf der Flucht. Vorsichtig kamen sie näher, die langen Klingen der beiden Franken fest im Auge. Drei von ihnen führten Saxe, die kurzen Schwerter, denen ihr Stamm seinen Namen verdankte. Die beiden Übrigen waren nur mit Knüppeln bewaffnet. Abgemagert waren sie, und der eine hatte eine schwärende Wunde am Oberarm. Er blickte Sigiberht aus fiebrigen Augen an.

»Essen! Gebt uns etwas zu essen!«, forderte einer der mit einem Sax Bewaffneten. Ein Hüne, dessen Dialekt für fränkische Ohren fast unverständlich war. Es klang fast wie das Gekrächze der hier allgegenwärtigen Möwen.

Sigiberht blickte dem Hünen in die Augen. »Ihr seid Aufständische!«, rief er. »Ihr habt euch an eurem König und der heiligen Kirche versündigt. Euch geschieht nur, wie ihr es verdient. Seid froh, wenn wir euch laufen lassen. Vielleicht kommt ihr bis zur Albis!« Er war wütend. Das waren die verdammten Kerle, derentwegen er von Haus und Hof getrennt in dieser Einöde ausharren musste. Es waren fünf, zwar von Fieber und Hunger geschwächt, aber in den vergangenen Feldzügen hatte er gelernt, diese Barbaren nie zu unterschätzen. Immer wenn man meinte, sie endgültig zu Boden gerungen zu haben, schöpften sie neue Kraft und schlugen unerwartet zurück. Eine Weile standen sich die Feinde unschlüssig gegenüber. Doch Sigiberht bemerkte, dass zwei der Sachsen versuchten, in ihren Rücken zu gelangen. Gleich würden sie angreifen. Er riss die Klinge hoch und schwang sie mit einem Wutschrei gegen den vordersten Sachsen. Der sprang zurück, doch Sigiberht setzte nach und erwischte stattdessen seinen Nachbarn, den mit dem fiebrigen Blick, an der ohnehin verletzten Schulter. Blut spritzte auf, und der Sachse fiel mit einem scharfen Schrei zurück. Auch Sigiberht trat einen Schritt zurück und tastete nach Ludabalþ, der ihm gefolgt war. Nun standen sie Rücken an Rücken gegen vier Gegner, die allerdings schlechter bewaffnet waren als sie selbst. Wieder schwang Sigiberht sein Schwert, doch diesmal parierte der Anführer der Sachsen mit seinem Kurzschwert. Sein Nachbar zielte mit dem Knüppel auf Sigiberhts Handgelenk, doch der zog die Klinge zurück, und der Schlag glitt am Heft ab. Sigiberht führte einen neuen Hieb aus, diesmal traf er auf den Knüppel des zweiten Sachsen. Tief grub sich das Eisen in das Holz. Einen Augenblick steckte die Klinge fest, und sowohl Sigiberht als auch der Sachse versuchten, ihre Waffen zu befreien. Da traf ein zweiter Knüppel von schräg unten auf die Breitseite von Sigiberhts verkeiltem Schwert. Der verwundete Sachse hatte sich aufgerafft und mit der unverletzten Linken einen Schlag geführt. Er konnte von seiner Position am Boden zwar Sigiberht nicht erreichen, aber die verkeilte Klinge sehr wohl. Mit hellem Klirren brach das bewährte Eisen entzwei, und Sigiberht blickte entsetzt auf den Stumpf seines Schwertes. Mit einem Triumphschrei stürzte sich der Anführer der Barbaren auf ihn. Sigiberht spürte seinen heißen Atem auf der Wange und den kalten Stich des kurzen Eisens im Unterleib. Er schnappte nach Luft, während sein Leben mit dem Blut zu Boden rann. Sein Blick trübte sich. Wie würde sein Weib alleine zurechtkommen? Wer sollte für Hađuwīħ und die fünf Kinder sorgen?

Der Schmied der Franken. Ulfberhts Reise

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