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Hludahilt, Hruođolfshof, Ostermonat 793

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Eine der Kühe hatten sie aus dem Stall auf die frische Weide tragen müssen, so schwach war sie gewesen. Hludahilt blieb bei ihr und beobachtete das völlig ausgezehrte Tier. Doch nachdem es ein paar grüne Gräser gefressen hatte, an die es im Liegen kam, stand es plötzlich auf. Wackelig noch, doch nach nur wenigen Stunden auf der Weide wurden die Bewegungen wieder sicherer. Gegen Abend kam Hruođolf selbst auf die Weide, um nach dem Rechten zu sehen.

»Wir haben den Winter überstanden!«, freute sich Hludahilt und wies auf die Kuh. Zuerst sagte der Vater gar nichts und schaute gemeinsam mit ihr den Kühen beim Grasen zu. Das wunderte Hludahilt nicht. Seit dem Tod seiner Frau vor vier Jahren war er gegenüber seiner Tochter immer verschlossener geworden.

»Das ist gut, aber ich fürchte es wird noch nicht reichen«, unterbrach er schließlich ihr Schweigen.

Sie blickte ihn überrascht an. »Was meinst du damit?«, wollte sie wissen.

»Ich meine, dass unser Hof nicht alle Münder ernähren kann, die auf ihm leben. Die Ernte letztes Jahr war zu schlecht, vielleicht wird es besser, wenn wir im Holzmonat das neue Getreide einbringen.«

Damit wandte er sich ab, und Hludahilt fragte sich, was er ihr hatte sagen wollen. Es war das erste Mal seit über einem Jahr, dass er sie überhaupt an einem seiner Gedanken teilhaben ließ. Was sollte das bedeuten? Wollte er sie fortschicken? Und wenn er das wollte, wohin denn? Angst stieg in ihr auf. Sie war noch nie weiter als bis zum Kloster vom väterlichen Hof entfernt gewesen. Aber natürlich. Er würde sie als Magd nach Lauresham schicken, genau wie den jungen Nachbarn. Zu ihrem eigenen Erstaunen tröstete sie diese Vorstellung. Vielleicht wäre es dort gar nicht so schlecht, überlegte sie weiter. Es gab sicherlich immer genug zu essen. Und sie wäre endlich ihre Brüder los.

»Ich glaube, Vater will mich nach Lauresham ins Kloster schicken«, erklärte sie Haltrud, sobald sie abends einen Augenblick ohne unerwünschte Zuhörer waren.

»Wieso denn das?«, fragte die Freundin verständnislos. »Was soll ich denn hier machen, ohne dich?«

Die Zuneigung der älteren Magd ließ ein warmes Gefühl in Hludahilt aufsteigen. Sie griff nach der Hand der Freundin. »Vater hat gesagt, es wären zu viele Münder auf dem Hof, die gestopft werden müssten. Vielleicht schickt er uns ja auch zusammen nach Lauresham. Das wäre doch toll. Dort leben auch viel mehr Männer!« Den letzten Satz hatte sie mit einem schnippischen Grinsen hinzugefügt. Sie wusste, was für Haltrud von Bedeutung war.

»Aber das sind doch Mönche«, wandte Haltrud ein. »Die dürfen doch gar nicht …« Sie errötete. »Na ja, du weißt schon. Jedenfalls bringen sie mir dann auch nichts!«

Hludahilt musste lachen. »Nicht alle. Dort leben mehr Knechte und Krieger, die im Dienst des Abtes stehen, als Mönche. Die leben nur in der Klausur, da darfst du ohnehin nicht rein. Unter den Knechten sind bestimmt genug für dich dabei.« Sie selbst hingegen interessierte sich vor allem für einen, aber das ließ sie lieber unerwähnt.

Doch die nächsten zwei Tage passierte gar nichts, und Hruođolf war, wenn überhaupt, noch verschlossener als sonst. Langsam begann Hludahilt an ihren Schlussfolgerungen zu zweifeln. »Vielleicht habe ich ihn falsch verstanden«, gestand sie ihrer Freundin. Seltsamerweise fühlte sie, obwohl sie sich bei dem Gedanken, fort zu müssen, gefürchtet hatte, jetzt Enttäuschung. »Eigentlich würde ich gerne einmal etwas erleben«, überlegte sie laut. »Seit meiner Geburt lebe ich auf dem Hof, und alles, was es hier zu sehen gibt, kenne ich seit Jahren. Es gibt einfach nichts Neues mehr.«

»Ja, für dich gibt es keine Männer hier«, pflichtete ihr Haltrud bei, ihre eigenen Wünsche auf Hludahilt übertragend.

»Nein, es geht mir gar nicht um Männer«, widersprach Hludahilt verärgert. Ihre Freundin kannte wirklich nur ein einziges Thema. »Ich will etwas sehen von der Welt. Es gibt so viele Dinge, die ich nur von vorbeiziehenden Händlern gehört habe. Seltsame und schöne Dinge. Ich würde gerne wissen, wo und ob die Welt nicht irgendwo ganz anders aussieht!«

»Wieso sollte sie irgendwo anders aussehen?«, fragte Haltrud stirnrunzelnd.

Hludahilt seufzte. Manchmal war ihr sogar die Freundin zu wenig.

Der Schmied der Franken. Ulfberhts Reise

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