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Kapitel 3
ОглавлениеBereits vor Sonnenaufgang herrschte im Langhaus des Honigmachers rege Geschäftigkeit. Immer wieder ermahnte Hjördis ihre beiden Söhne, worauf sie zu achten hatten, welcher Weg zu gehen sei und wann sie aufbrechen sollten. Sobald es hell wäre, sollte Leif Tjark an die Hand nehmen und auf direktem Weg zu Stig gehen, der sie erwartete. Dort würden sie und Roald die Jungen wieder abholen.
Kaum graute der Morgen leicht, drängte Hjördis zum Aufbruch. Der Weg war kaum zu erkennen, doch erbarmungslos hielt die Frau an ihrem Vorhaben fest, spätestens nach Sonnenaufgang am Hof von Fjodor anzukommen. Bjarne und Roald hatten Mühe, mit ihr Schritt zu halten und der Honigmacher empfand unsagbaren Stolz auf sein Weib, das sich um nichts in der Welt davon abhalten lassen würde, der jüngeren Frau ihres Vetters beizustehen.
Vor Aufbruch hatten sie ein Frühmahl eingenommen. Gewöhnlich aßen sie erst, wenn die wichtigsten Arbeiten erledigt und das Vieh versorgt waren. Heute musste es reichen, den Tieren das Futter in Eile vorzuwerfen und sich auf die Reise vorzubereiten. Bei flachen Brotfladen und gesalzenem Fisch, hatte Hjördis Bjarne dazu gebracht, mehr über die Zustände auf dem Hof des Vetters zu berichten. Der junge Knecht machte nicht viele Worte, aber Hjördis verstand. „Svea sagt, bald ist Notger Herr auf dem Hof. Nicht gut, gar nicht gut! Dann geht es Jarla schlecht.“ wieder schluchzte Bjarne kurz auf, versuchte sich aber schnell zusammenzureißen „Dann werden sie sie schlagen und wegjagen.“ sein Blick verfinsterte sich und ein wütendes Grunzen rang sich aus seiner Kehle. Roald und Hjördis sahen sich an. In den Augen der Honigmacherin blitzte der Zorn. Sie wusste um Sveas Grausamkeit und dass Notger ihr in nichts nachstand. Und sie sah auch die Angst in Bjarnes Augen. Nicht um sich selbst, obwohl sie wusste, dass besonders er ein hartes Leben hatte, das nach Fjodors Tod nicht leichter werden würde. Dieser tapfere Junge hatte Angst um seine Freundin, die Frau seines Herren.
„Auf dem Weg kommen wir doch am Hof von Sigurd vorbei.“ Hjördis funkelte Roald zornig an „Ich möchte, dass ihr Mann Ingvi und ihr Sohn Holmr uns begleiten. Es ist besser, wenn wir Zeugen bei uns haben, falls auf Fjodors Hof etwas nicht mit rechten Dingen zugehen sollte.“
Roald nickte bedächtig. Nach allem, was er über Svea und Notger wusste, war mit allem zu rechnen.
Da Hjördis ein beachtliches Tempo vorgab, erreichten sie den Hof von Sigurd bereits nach gut einer Stunde. Die Bewohner waren erst kurz zuvor erwacht, da nun das erste Rot des Morgens sich noch verstohlen am Horizont zeigte. Schnell hatte Roald erklärt, worum sie baten und weder Ingvi, noch sein Sohn Holmr zögerten, sie zu begleiten. Ingvi und Fjodor kannten sich seit Kindertagen und waren seitdem Freunde. Besser noch als Hjördis, war dem alten Ingvi bekannt, welches Weib sein Freund in Svea hatte und so rief er seiner Frau und seinem ältesten Knecht nur noch knapp ein paar Anweisungen zu, bevor auch er sich den Anderen anschloss. Holmr schaute finster drein und raunte seinem Vater zu „Sollte Notger sich ehrlos erweisen, bringe ich selbst ihn vors Thing!“
Bjarne wirkte eingeschüchtert vom bärengleichen Sohn Ingvis. Noch nie in seinem Leben, hatte er einen so großen und starken Mann gesehen. Holmr schien die Furcht des Jungen zu spüren, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und grinste ihn an „Dem aufgeblasenen Gockel und seiner Mutter wird das Lachen schon vergehen, wenn sie ihren Herrn nicht achten, nicht wahr?“
Erleichtert schnaufte Bjarne. Fast fühlte er sich wie ein Teil einer Gruppe Helden, die in die Schlacht zieht und er war stolz, seinem Herrn so viele Helfer mitzubringen. Jetzt musste einfach alles gut werden!
Es war bereits hell und die Bodennebel lösten sich auf, als sie Fjodors Hof erreichten. Alarmiert vom schrillen Geschrei eines Säuglings und dem hämischen Lachen Notgers, rannten sie die letzten Meter und stießen die Tür des Langhauses auf. Vor ihnen lag ein Bild des Grauens. Neben der fahlen, in ihrem Blut liegenden Leiche Jarlas, kauerte Fjodor, das schreiende Kind an sich gepresst und ängstlich zu seinem Sohn aufblickend, der mit einem erhobenen Holzscheit seinem Vater drohte. Er nahm die Menschen gar nicht wahr, die ins Haus stürmten. Eiskalt und wie irr fixierte er seinen Vater und knurrte, dieser solle ihm sofort das Kind übergeben oder er würde dem Balg noch in dessen Armen den Schädel zertrümmern.
Mit wenigen Schritten war Holmr bei Notger, packte den Arm mit dem Holzscheit und drehte ihm diesen auf den Rücken. Das Holz fiel zu Boden und Notger schrie vor Schmerz auf. „So spricht man nicht mit seinem Vater!“ zischte Holmr wütend. Svea sprang ihrem Sohn zeternd zur Hilfe. „Was wollt Ihr hier? Schert Euch hinaus, elendiges Pack!“ keifte sie, doch Holmr stieß sie mit seinem freien Arm von sich, so dass sie unsanft rückwärts zu Boden fiel. „Halt den Mund, Weib“ fast wirkte es, als fletsche Holmr die Zähne, wie ein Wolf. Während Ingvi und Hjördis sich zu Fjodor beugten, stellte Roald sich vor Svea und sah sie so grimmig an, dass sie sprachlos am Boden sitzen blieb.
Der Säugling schrie noch immer mit schriller, ängstlicher Stimme und Fjodor brauchte einen Moment, bis er erkannte, dass seine Freunde ihm gerade noch rechtzeitig zur Hilfe gekommen waren. „Sie ist tot“ stammelte er, mit Blick auf Jarla „All das Blut... ich habe es erst bemerkt, als es zu spät war...“
Verständnisvoll nickte Hjördis und streckte Fjodor die Arme entgegen, um ihm das Kind abzunehmen. Während Fjodor Hjördis das kleine Mädchen langsam und zittrig übergab, hörten sie ein lautes Schluchzen. Es war Bjarne, der auf Knien im Türrahmen lag, auf Jarla starrte und sich weinend wiegte. „Meine Schuld!“ stammelte er immer wieder „Meine Schuld!“
Mit Ylvi auf dem Arm trat Hjördis auf ihn zu und kniete sich nieder. Behutsam strich sie ihm über das kupferne Haar und flüsterte beruhigend auf ihn ein. „Nichts ist Deine Schuld! Bjarne, schau her, dies ist Jarlas Kind. Du hast es gerettet, weil Du uns geholt hast. Jarla wäre stolz auf Dich, wenn sie sehen könnte, dass Du ihrem Kind Hilfe gebracht hast."
Während Bjarne sich langsam beruhigte und schließlich das kleine Mädchen betrachtete, welches er mit „So winzig!“ begrüßte, dabei vorsichtig mit einem Finger über die Hand des Kindes strich, half Ingvi Fjodor auf das Lager. Vor Schmerzen stöhnte dieser auf. Fauliger Geruch breitete sich im Raum aus, als der Verband an Fjodors Bein verrutschte und den Anblick einer eitrigen, schwarzen Wunde offenbarte. Noch immer fest in Holmrs Griff gefangen, lachte Notger kurz auf. „Ja, schaut Euch an, wie es um den alten Herrn steht. Dem hilft keiner mehr! Dies ist jetzt mein Hof und ich werde dafür sorgen, dass Ihr alle Euch vor dem Thing zu verantworten habt, weil Ihr auf meinen Grund und Boden eingedrungen seid.“ Holmr, drehte Notgers Arm noch ein Stück weiter nach innen, bis dieser erneut vor Schmerzen aufheulte und ihm der Hohn verging. Nun war es Fjodor, der seinen Zorn kaum mäßigen konnte und trotz seiner Schwäche, erhob er seine Stimme mit einer Kraft, die man seinem fiebrigen Körper kaum mehr zutraute.
„Ich sagte Dir schon einmal, Du bist Herr auf diesem Hof, wenn ich nicht mehr lebe. Solange jedoch, ist mein Wort hier Gesetz.“ sein Blick suchte Hjördis, die nun aufstand, Ylvi im linken Arm hielt und mit der rechten Hand nach Bjarnes fasste. So zog sie den Jungen zu Fjodors Lager, setzte sich an seine Seite, während der junge Knecht vor dem Lager kniete und verweint auf seinen Herrn starrte. „Das hast Du sehr gut gemacht, mein Junge.“ lobte Fjodor Bjarne, dann tastete er nach dem Stoff von Hjördis Rock. Diese verstand und fasste nach seiner Hand, die trotz des Fiebers, erschreckend kalt war. „Hjördis, unsere Mütter waren Schwestern. Ich bitte Dich, als Anverwandte, nimm Dich meiner kleinen Tochter Ylvi an und ziehe sie an Kindes statt auf. Sei ihr die Mutter, die Jarla ihr hätte sein wollen und Du,“ verzweifelt blickte er zu Roald „sei ihr der Vater, der ich ihr nicht sein kann.“
Ergriffen nickten der Honigmacher und seine Frau. Hjördis drückte Fjodors Hand noch etwas fester und so war beschlossen, dass Ylvi eine neue Familie haben würde, in der sie aufwachsen durfte. Svea schnaubte nur verächtlich, aber ihr sollte es recht sein. Hauptsache war für sie, dass dieses Kind verschwand. Doch schon Fjodors nächste Worte, ließen sie die Beherrschung erneut verlieren.
„Du, mein Junge,“ dabei tastete Fjodor schwach nach Bjarne „warst sehr tapfer und mutig. Du hast Ylvi gerettet. Ich habe Dir einst das Recht auf Dein Leben gegeben und doch habe ich meine Pflicht nie ganz erfüllt. Bevor ich dieses Leben und Midgard verlasse, will ich wieder gut machen, was ich längst hätte tun sollen.“ schwer seufzte der alte Mann, bevor er mit stockender Stimme weitersprach „Deine Mutter, Tuva, zeigte mir eine Zeit, wie schön es sein kann, wieder zu lachen. Lachen, etwas, was unter der Fuchtel dieses mürrischen Weibes dort, wie ein Frevel zu sein scheint.“ mit kurzem Nicken, wies er auf Svea. „Deine Mutter war sanft, gab mir das Gefühl, wieder ein Mann zu sein und forderte für sich selbst nichts. Ihr größtes Geschenk an mich, warst jedoch Du, mein Sohn.“ als verstehe er den Sinn der Worte nicht, sah Bjarne Fjodor verwirrt an. Der alte Mann lächelte.
„Ja, Bjarne, Du bist mein Sohn. Und ich bin stolz darauf, Dein Vater zu sein!“
„Diese Missgeburt ist Dein Stolz, alter Mann?“ wieder lachte Notger vor Hohn laut auf und ignorierte den Schmerz durch Holmrs Griff „Wie passend! Der verfaulende alte Mann und sein stumpfsinniger Bastard!“ nun reichte es Holmr endgültig. Unter dem Winden Notgers, täuschte er für einen winzigen Moment vor, das Gleichgewicht zu verlieren und stieß den immer noch lachenden Mann nach vorn, so dass er krachend, mit dem Gesicht, gegen einen der senkrecht stehenden Trägerbalken fiel. Blut spritzte Notger aus der Nase, die nun merkwürdig schief und deformiert im Gesicht saß und selbst Svea, die sofort aufsprang, um ihrem Sohn zur Hilfe zu kommen, konnte nur noch versuchen, die Blutung zu stillen. Holmr ließ Notger los, nuschelte grinsend eine Entschuldigung und postierte sich mit verschränkten Armen zwischen Notger und dem Lager von Fjodor, der nun ebenfalls lächelte, weil er die Strafe seines Sohnes für mehr als gerechtfertigt empfand.
„Du nennst Bjarne eine Missgeburt?“ sprach Fjodor drohend weiter „Du, der selbst die größte Missgeburt ist, seit Loki die Midgardschlange zeugte? Oh nein, Notger, Bjarne ist keine Missgeburt! Er ist, neben Jarla und Ylvi, das kostbarste Geschenk, das die Götter mir machen konnten. Ich verfluche den Tag, als ich Deine Mutter als Weib in mein Haus holte und erst recht verfluche ich den Tag, als ich Dich zeugte. Die Götter hätten ein Gutes daran getan, mir den Schwanz abfaulen zu lassen, statt zuzulassen, dass etwas wie Du aus meinem Samen wächst. Aber hab keine Angst, Du wirst diesen Hof übernehmen. Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, werden die Nornen Dein Schicksal schon jetzt bestimmt haben und ich werde freudig dem Tag entgegen sehen, wo ich in Hels Reich auf die jämmerlichen Kadaver von Dir und Deiner Mutter herabschauen kann. Bjarne aber, ein Sohn, auf den ich als Vater stolz bin, seitdem ich ihn seiner Mutter an die Brust legte, wird ab diesem Moment kein Sklave mehr sein. Er ist frei und kann gehen, wohin er will. Und weil noch immer ich Herr dieses Hofes bin, gebe ich meinem Sohn Bjarne nicht nur meinen Namen, damit er sich ab dem heutigen Tag 'Bjarne Fjodorson' nennen darf, sondern auch die Stute, samt dem Fohlen mit. Ein Geschenk des Vaters an seinen Sohn, der in die Fremde geht und all die Anderen hier werden bezeugen können, dass Bjarne nun ein freier Mann ist, der die Stute und das Fohlen besitzt.“
„Das kannst Du nicht tun!“ Svea wollte sich auf Fjodor stürzen, doch Holmr hielt sie lässig mit einer Hand auf Abstand „Die Stute und das Fohlen gehören zum Hof, zum Erbe meines Sohnes.“
Diesmal lächelte Fjodor herablassend. „Erbe ist das, was ich hinterlasse, wenn ich tot bin. Noch lebe ich. Sei also lieber still, Weib, bevor ich noch mehr von meinem Besitz verschenke und Dein Sohn am Ende nicht mehr viel zum erben hat.“
Vor Wut sprachlos, schnaubte Svea und Notger murmelte leise Flüche auf seinen Vater. Noch immer begriff Bjarne nicht wirklich, was hier geschah, was die Worte seines Herrn bedeutete. Wieso nannte er ihn Sohn und warum wollte er ihn fortschicken? Roald bemerkte die Verwirrung des Jungen, umfasste sacht seine Schultern, zog ihn auf die Füße und schließlich hinaus. Auf der Bank neben der Tür, setzte er sich mit Bjarne nieder und erklärte ihm geduldig alles, was Fjodor eben gesagt hatte, bis dieser verstand, dass sein Herr sein Vater war, der ihm soeben die Freiheit und einen Besitz übergeben hatte.
„Aber, wo soll ich denn jetzt hingehen?“ verzweifelt schaute der Junge Roald an. Fast trotzig reckte er das Kinn vor und verengte die Augen. „Jetzt bin ich ein Sohn, aber habe kein Zuhause mehr.“
Roald lächelte. „Das kleine Mädchen, Ylvi, dessen Leben Du gerettet hast, indem Du uns geholt hast, ist nun auch Deine Schwester. Dein Vater bat uns, sie zu uns zu nehmen, aber ich glaube, dass sie auch ihren großen, mutigen Bruder braucht.“
„Ich kann doch aber gar nicht für sie sorgen!“ verwirrt, fast ängstlich, starrte Bjarne Roald an. Dieser lachte leise. „Ich würde Dir gern einen Vorschlag machen. Bleibe auch Du bei uns. Ich habe viel Arbeit und könnte einen starken jungen Mann brauchen, der mir zu Hand geht. Meine Söhne sind noch klein und können mir nicht so helfen, wie ein Mann, der harte Arbeit bewältigen kann. Es wäre mir eine Ehre, den Bruder unserer kleinen Ylvi ebenfalls in meine Familie aufzunehmen.“ erwartungsvoll sah Roald Bjarne in die Augen. Dieser schwieg lange, denn es brauchte Zeit, bis er begriff, was der Honigmacher ihm sagen wollte.
„Du meinst, ich darf zu Eurer Familie gehören? Ich werde eine richtige Familie haben?“ fassungslos traute Bjarne sich kaum, das Strahlen zu zeigen, das sein Herz vor Freude schneller schlagen ließ. Roald nickte lächelnd und im nächsten Moment fiel Bjarne ihm um den Hals. Eine ganze Weile hielten sich die Beiden in den Armen und vor Freude weinte Bjarne. Als Roald ihn schließlich bat, für Ylvi Milch von der Stute bekommen zu können, fühlte sich Bjarne unendlich stolz, nun in gewisser Weise doch noch für seine kleine Schwester sorgen zu können. Freudig sprang der Junge auf, um ins Haus zu stürmen. Er musste seinem Vater unbedingt berichten, dass er eine Familie gefunden hatte.
Es war ein ergreifender Abschied von Fjodor, als Roald, Hjördis mit der kleinen Ylvi auf dem Arm und Bjarne mit seiner Stute und deren Fohlen aufbrachen. Zuvor hatten sie alle noch lange an Fjodors Lager gesessen. Ingvi bereitete ein kleines Mahl vor und sie alle wusste, dass dies das letzte Mal sein würde, wo sie Fjodor sehen und mit ihm sprechen konnten. Holmr hatte am Rande des Gehöfts, unter einer alten Esche, ein Grab ausgehoben, in das er Jarla, die zuvor von Hjördis gewaschen und in Tücher gewickelt worden war, legte. Svea hatte die Tücher nur widerwillig herausgegeben und anfangs noch versucht, sich zu sträuben. Viel zu schade sei ihr fein gewebter Wollstoff, aus dem sie sich selbst Kleider nähen wollte, doch als Fjodor Hjördis anwies, wo sie das Tuch finden konnte, getraute Svea sich nicht mehr aufzubegehren.
An Jarlas Seite war Platz für Fjodor. Mit Roald bereitete er Grabbeigaben für beide vor. Ingvi und Holmr versprachen, bei Fjodor zu bleiben, bis er seine letzte Ruhe an Jarlas Seite gefunden hatte. Mit verkniffenem Blick auf Svea, knurrte Holmr noch „Ich werde regelmäßig, auf meinem Weg nach Aros hier vorbeischauen. Und wehe, dass einer von denen die Ruhe der Toten stört, um ihre Grabbeigaben zu stehlen.“ die Angesprochene schnaubte nur verächtlich, aber sie hatte verstanden.
Als die neue kleine Familie des Honigmachers loszog, drehte sich Bjarne immer wieder zurück und winkte, obwohl niemand dort vorm Haus stand. „Lebe wohl, Vater, bis bald! Ich werde Dich bald besuchen. Mit meiner kleinen Schwester. Wir kommen dann auf meinem Pferd geritten und nehmen Dich mit.“ rief er freudig strahlend zurück und es brach Hjördis fast das Herz, dem Jungen bald beibringen zu müssen, dass er seinen Vater erst dann wiedersähe, wenn die Götter auch ihn, Bjarne, ins Reich Hels befehligen würden.
Nachdem sie Sigurd und ihre Schwiegertochter informiert hatten, dass Ingvi und Holmr noch bei Fjodor blieben und sich später um seine Bestattung kümmern würden, schlugen sie ihren Weg nach Osten ein, um Leif und Tjark bei Stig abzuholen. Die Jungen staunten nicht schlecht, als sie das winzige Mädchen in den Armen der Mutter sahen. Leif verzog missmutig das Gesicht und äußerte abfällig, er glaube sowieso nicht, dass es lang überleben würde, so winzig und zerbrechlich, wie es aussah. Tjark hingegen stürzte begeistert auf den Säugling zu, streichelte und liebkoste ihn, drehte sich zu seiner Mutter und fragte ungläubig vor Freude „Behalten wir sie?“
Roald und Hjördis lachten. Sowohl über den Pessimismus ihres großen Sohnes, als auch über die Frage des Jüngeren.
Die Nacht brach bereits herein, als sie zurück zu ihrem Hof kamen. Nachdem Bjarne seine Stute mit dem Fohlen in den hinteren Teil des Langhauses, wo das Vieh stand brachte, molk er sie. In einer kleinen Holzschale fing er die Milch auf und es wirkte fast, als zelebriere er seine Handlung regelrecht.
Nahe dem Herdfeuer saß Hjördis, die den Zipfel eines kleinen Tuchs immer wieder in die mit Wasser verdünnte Stutenmilch tauchte, um ihn dann in Ylvis Mund zu schieben. Begierig trank das kleine Mädchen und schmatzte laut. „Nun darf Dir niemand mehr das Leben nehmen, kleine Ylvi. Jetzt hast Du Dein erstes Mahl getrunken“ lächelte sie das Kind an.
Auch in dieser Nacht lag Bjarne lange wach. Er sah sich um, schaute die beiden Jungen an, die auf der breiten Bank, nah bei ihm schliefen, zum Lager von Hjördis und Roald und der kleinen Wiege aus einem ausgehöhlten Baumstamm, in dem zufrieden und satt, seine kleine Schwester schlummerte. So fühlte es sich also an, eine Familie zu haben! Glücklich seufzend, schlief er schließlich ein und träumte davon, auf seiner Stute über Wiesen zu reiten, an deren Rand sein Vater Fjodor stand und im zuwinkte.
Vier Tage später, kam Holmr. Er brachte Nachricht von Fjodors Tod. Gemeinsam mit Roald und Hjördis, mussten sie Bjarne verständlich machen, dass sein Vater nun die Reise in ein anderes Reich angetreten hatte.
„Vater ist jetzt bei Jarla?“ fragte der Junge schließlich traurig und die Erwachsenen nickten. „Gut, dann passe ich hier auf Ylvi auf!“ damit war für ihn alles gesagt. Langsam ging er zur Wiege, hockte sich neben das kleine Mädchen und streichelte sanft den hellblonden Haarflaum. „Jetzt haben wir beide keinen Vater und keine Mutter mehr, Schwester. Aber Du hast mich und ich bleibe immer bei Dir!“