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Kapitel 11
ОглавлениеEnde September setzte die Familie im Boot zur Insel Björkö über, um an Valgerds Hochzeit teilzunehmen. Sie saßen beengt in dem kleinen Boot, obwohl Roald extra ein kleines Beiboot angehängt hatte, in dem sie die Hochzeitsgeschenke und Gaben verstauten und Hjördis behielt, während der gesamten Überfahrt den Himmel kritisch im Auge, um ein eventuell aufziehendes Unwetter rechtzeitig zu erkennen, während sie in Gedanken unzählige Male durchging, ob sie der Magd, die ihnen Ingvi geschickt hatte, damit diese sich in den Tagen der Abwesenheit der Familie um das Vieh kümmern könnte, auch alle nötigen Anweisungen gegeben oder etwas vergessen hatte.
Obwohl Ylvi nun zu laufen begann, hatte die Honigmacherin sich das Kind im Tragetuch vor die Brust gebunden. So, sagte sie zu ihrem Mann, könne sie wenigstens sicher sein, das Kind nicht gleich im trüben Wasser zu verlieren, sollten sie kentern.
Bjarne und Roald ruderten gemeinsam. Es war anstrengend, über mehrere Stunden zu rudern, vor allem, wenn das Boot so voll mit Menschen war. Kurz nach der Mittagsstunde kamen sie jedoch an und Leif lief, wie immer, voraus, um Gunnmarr von ihrer Ankunft zu unterrichten und den Handkarren zu holen.
Als Hjördis schließlich die Schmiede betrat, erwartete sie ein Bild des Jammers. Valgerd hockte auf der Bank, weinte bitterlich, während Alma und Brig sie zu trösten versuchten. Der Schmied selbst lief überfordert zwischen Haus und Hof hin und her, versuchte die Ankömmlinge zu begrüßen und raufte sich die Haare, weil seine Tochter so verzweifelt war. Hjördis warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Sie glaubt, ihre Ehe stünde unter einem schlechten Zeichen, da wir keine weiblichen Verwandten auf der Insel haben, die mit ihr zum Badehaus gehen und sie auf die Hochzeit vorbereiten. Ich habe daran gar nicht gedacht und nun haben wir die Bescherung. Die Hochzeit ist übermorgen. Morgen wäre also die Brautwaschung. Alma und Brig sind unverheiratet, können also nicht mit Valgerd gehen. Woher sollen sie die Aufgaben der Ehefrauen kennen?“
Hjördis legte Gunnmarr lächelnd die Hand auf den Arm und zwinkerte ihm zu. Am Nachmittag nahm sie Alma zur Seite, flüsterte kurz mit ihr, bis deren Augen zu leuchten begannen, sie eifrig nickte und beide das Haus verließen, nachdem sie Valgerd die kleine Ylvi auf den Schoß gesetzt hatten. „Sie wird Dich etwas aufmuntern.“ versicherte die Honigmacherin ihr.
Das Haus und die Werkstatt des Bootsbauers Einar lag am Ufer, nah bei der kleinen Werft, die er betrieb. Sie war groß genug um kleinere Boote bauen zu können, aber selbst wenn das Schiff eines Händlers einfachere Reparaturen benötigte, konnten diese, wenn auch nur bedingt, ausgeführt werden.
Hjördis und Alma klopften an die Tür des Wohnhauses und wurden schon bald darauf von Isgerd, der Frau des Bootsmachers begrüßt, die sie herein bat. Alrik, der Bräutigam, war nicht zu Hause. Seine Mutter verriet, dass er eine Kuh abholte, die er seiner Frau als eine der Morgengaben, nach der Hochzeitsnacht schenken wollte.
„Ich bin keine leibliche Verwandte,“ begann Hjördis, als sie mit Isgerd am Tisch saßen und Dünnbier tranken „aber ich fühle mich, durch die freundschaftlichen Bande unserer Familien, wie eine Tante für die Mädchen. Valgerd sitzt daheim und weint, weil sie keine weiblichen und verheirateten Angehörigen hat, die morgen die Brautwaschung und Vorbereitungen vollziehen könnten. Und so dachte ich, dass Du mir vielleicht helfen könntest.“ mit dieser Einleitung weihte sie Isgerd ein, die mit jedem Wort mehr strahlte und ebenfalls begeistert von Hjördis Plan war. Sie mochte ihre zukünftige Schwiegertochter sehr und war mehr als zufrieden mit der Wahl ihres Sohnes, auch wenn sie und ihr Mann sich anfangs schwer taten, bei der Entscheidung wen ihr Sohn heiraten würde, nicht einbezogen worden zu sein. Aber Valgerd kam aus einer angesehenen Sippe, war fleißig, rechtschaffend und sittsam. Eine bessere Braut hätten auch sie ihm nicht aussuchen können. Und wenn die Kinder nun so viel Zuneigung füreinander empfanden, konnte das nur für eine glückliche Verbindung und möglichst viele Nachkommen sprechen.
Als Alma und Hjördis aufbrachen, wisperte Isgerd ihnen an der Tür zu „Dann ist es abgemacht. Morgen Nachmittag werde ich mit einigen anderen Frauen aus dem Dorf zu Euch kommen und wir gehen gemeinsam mit Valgerd zum Badehaus. Sie soll nicht mehr weinen, denn ich bin überzeugt, was auch käme, diese Ehe wird glücklich.“
Die Frau des Bootsmachers hielt Wort und am folgenden Nachmittag marschierte eine kleine Gruppe verheirateter Frauen auf Gunnmarrs Schmiede zu, blieb vor der Tür des Wohnhauses stehen und rief laut nach Valgerd. Als diese verdutzt die Tür öffnete, stellte Hjördis sich neben sie, lächelte und fragte so, dass alle sie hören konnten „Valgerd, bist Du bereit, mit uns ins Badehaus zu kommen, um die Kindheit und Jugend von Dir zu waschen und morgen die Ehe mit Alrik einzugehen?“
Alle Frauen strahlten, nur Valgerd stand da, den Mund geöffnet und unfähig, auch nur ein Wort zu sagen. Mit aufsteigenden Tränen in den Augen, nickte sie nur, ließ sich von den anderen Frauen in die Mitte nehmen und mit sich ziehen.
Es waren insgesamt sechs Frauen, die mit Valgerd zur Brautwaschung zogen. Isgerd hatte am Vortag, gleich nachdem Hjördis und Alma fort waren, als erstes ihre Nachbarin und deren Schwiegertochter aufgesucht, die natürlich sofort zusagten mitzumachen. Auch weitere Freundinnen gewann sie anschließend auf Anhieb noch dazu. So bekam Valgerd nun genau die Zahl der Frauen, wie es bei Hochzeitszeremonien grundsätzlich die Anzahl von Zeugen sein sollten, damit später niemand sagen konnte, es wäre etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Alma und Brig blieben zurück, um die Kinder zu beaufsichtigen. Unverheiratet, war für sie nur als Braut Platz bei der Brautwaschung.
Es wurde für die Frauen ein ausgelassener Nachmittag im Badehaus und selbst Valgerd legte schnell ihre Verblüffung und Scheu ab. Vor allem, als Dalla, die Freundin und Nachbarin von Isgerd begann, die Vorzüge und Schwächen der Männer, auf leicht zotige Weise, hervorzuheben.
Als sie am frühen Abend zurück zur Schmiede kehrten, strahlte Valgerd und Gunnmarr betrachtete sie wehmütig. „Da wird sie morgen nun heiraten und uns verlassen. Wie schön und erwachsen sie doch geworden ist. Dabei ist es mir so, als hätte ich sie erst gestern ihrer Mutter zum ersten Mahl übergeben.“ der Schmied blinzelte eine Träne fort und drehte sich weg, damit Roald seine Rührung nicht bemerken sollte. Doch der Honigmacher verstand, was in seinem alten Freund vor sich ging, klopfte ihm die Schulter und machte sich dann auf, um sich den Männern anzuschließen, die am Abend mit Alrik ins Badehaus gingen, um auch ihm die Jugend abzuwaschen.
Nach dem Abendmahl bat Gunnmarr Valgerd, noch sitzen zu bleiben, stand auf und holte einen langen Gegenstand, der in Leder gewickelt war, aus einer Truhe. Er überreichte ihn der Braut. „Morgen wirst Du es Deinem Mann überreichen, wie er Dir auch eines geben wird.“ ein Kloß saß im Hals des sonst unerschütterlichen Schmieds. Eine seiner Töchter in die Ehe zu geben, nahm ihn mehr mit, als man hätte vermuten können. Valgerd wickelte ein einfaches, aber robustes Schwert aus, das gerade wegen seiner Schlichtheit sehr schön aussah.
Leif schnaubte. „Was soll eine Frau mit einem Schwert?“ fragte er mehr sich selbst, als die Menschen am Tisch. Hjördis antwortete ihm fast etwas entrüstet „Was denkst Du, glaubst Du, eine Frau könnte kein Schwert führen, wenn es die Not gebietet? Wir sind nicht wehrlos, wenn unsere Familie bedroht wird und unsere Männer nicht da sind, um uns zu verteidigen. Aber diese Schwerter, die Valgerd und Alrik morgen tauschen, werden die Symbole ihrer Verbundenheit sein. Das Schwert, das Alrik von ihr erhält, soll ihm Schutz und Mut geben, die sein Weib ihm mit auf den Weg sendet. Und das Schwert, das Valgerd von Alrik erhält, wird sie aufheben, um es ihrem ersten Sohn zu übergeben, wenn dieser zum Mann wird.“
„Dann bekomme ich von Dir später auch Vaters Schwert, das er Dir bei Eurer Hochzeit gab?“ Hjördis nickte Leif zu „Und Tjark bekommt kein Schwert, weil er nicht der älteste Sohn ist?“ fast ein wenig erfreut wirkte Leif bei seiner Frage und Hjördis ersparte sich eine Antwort. Wenn es soweit wäre, würde Roald seinem jüngeren Sohn auch ein Schwert überreichen, da war sie sich sicher.
Am nächsten Morgen, saß eine rotwangige, aufgeregte Braut auf der Bank im Langhaus und kaute an ihrer Unterlippe. Hjördis und Alma halfen Valgerd dabei, sich einzukleiden. Nach dem Unterkleid, halfen sie der Braut in das cremefarbene Wollkleid, mit seitlichen Schnürungen und legten ihr einen schmalen Gürtel um die Taille. Eine Schürze würde sie an diesem Tag nicht tragen. Das lange, honigfarbene Haar wurde gebürstet und lag offen über ihren Schultern. Heute war der letzte Tag in ihrem Leben, an dem sie ihr Haar offen in aller Öffentlichkeit trug. Ab dem morgigen Tag würde sie die Locken aufstecken oder flechten. Valgerd wackelte nervös mit dem linken Bein, seufzte immer wieder und schließlich hielt Hjördis in den Vorbereitungen inne, fasste Valgerd bei den Schultern und sah ihr in die Augen. „So aufgeregt?“ fragte sie nur und die junge Braut nickte, während ihr Tränen in die Augen traten. „Na, na, warum weinst Du denn? Ich dachte, Alrik ist der Gatte, den Du Dir wünschtest?“ Valgerd senkte den Blick. „Das ist er doch auch!“ flüsterte sie „Aber mir wird gerade so bewusst, dass ich meine Familie verlasse. Ab morgen gehöre ich zu einer anderen Sippe und werde Vater und meine Schwestern nur besuchen können.“ sie schluchzte heftig und ihr Körper bebte. Alma kniete sich vor die jüngere Schwester, nahm deren Hände in die ihrigen und lächelte sie an, obwohl auch ihre Augen verdächtig glitzerten. „Aber Valgerd, Du wirst immer auch Teil unserer Familie sein und wenn Du zu uns kommst, dann nicht als Besucher, sondern meine Schwester, Tochter dieses Hauses.“ Alma und Hjördis legten jede einen Arm um die Schultern der Braut und drückten sie.
Ylvi kam auf wackeligen Beinchen heran gestapft und Valgerd konnte sogar schon wieder etwas lachen, als das kleine Mädchen direkt vor ihr, eine ungewollte Drehung auf einem Bein vollführte, dabei nur ein erschrockenes „Oh!“ herausbrachte und mit einem Plumpsen auf dem Po landete, wo es sitzen blieb und sich selbst begeistert applaudierte.
„Ach, Ihr habt Recht, ich werde einen guten Mann heiraten und er wird nie verbieten, dass ich mich weiter auch als Teil dieser Familie betrachte. Wer weiß, vielleicht werde ich ja sogar schon bald auch so ein entzückendes Kind tragen und das wird dann sowohl hier, als auch in meiner neuen Sippe, für Aufregung sorgen.“ Valgerd lachte, wischte sich mit beiden Händen die Tränen vom Gesicht und ließ sich von Alma ein kaltes, feuchtes Tuch reichen, damit niemand sehen konnte, dass sie geweint hatte.
Währenddessen begann draußen auf dem Hof ein lauter Tumult, bei dem Gunnmarrs Stimme donnerte und Einar ebenso laut schimpfte. Valgerd sprang auf, griff sich an die Brust, verlor alle Farbe und wollte zur Tür stürzen, doch Hjördis hielt sie zurück.
„Ach Mädchen, Du kennst das alles ja wirklich noch nicht, weil auf Eurem Hof noch nicht gefreit wurde, solange Ihr Mädchen lebt.“ doch Valgerd wollte sich losreißen und raunte heiser „Vater und Einar streiten! Heißt das, die Hochzeit findet nicht statt?“
Hjördis lachte laut los. „Nein, mein Kind, sie streiten nicht wirklich. Sie verhandeln den Brautpreis.“
„Aber,“ Valgerd stockte „aber der ist doch längst vereinbart und dabei hatten sie nicht gestritten. Warum jetzt? Habe ich etwas falsch gemacht, dass Einar ihn nicht mehr zahlen will?“ gehetzt starrte Valgerd zur Tür und wieder drehte Hjördis sie zu sich herum.
„Du bist den vollen vereinbarten Brautpreis wert und daran wird Einar auch nichts ändern. Es ist Tradition, sich am Tag der Vermählung, noch vor der Zeremonie zu treffen und so zu tun, als verhandle man erst jetzt. Dabei wird laut gezetert und geflucht, um am Ende genau den Preis zu übergeben, der bereits vor Monaten ausgehandelt wurde. Es ist wie ein Spiel, das den Beginn der Hochzeit einläutet.“
Draußen auf dem Hof, wurde tatsächlich geschimpft und mehr als einmal spuckten Einar und Gunnmarr verächtlich in den Staub, um damit zu bekunden, dass sie Forderung oder Gebot des jeweils Anderen nicht akzeptieren würden.
Roald stand mit seinen Söhnen und Bjarne neben dem Schmied, so wie Einar, der von drei Männern begleitet wurde, ihnen gegenüber. Am Rand bezeugten sechs ältere und angesehene Männer offiziell die Verhandlungen. Sie sagten kein Wort, sondern beobachteten nur. Eine geschlagene Weile hielt der gespielte Streit bereits an und Einar hatte gerade wieder einmal zu Gunnmarr gesagt, dass der Preis zu hoch sei, als es Bjarne reichte. Er wusste nichts von der Tradition der lauten Verhandlungen. Für ihn war nur zu erkennen, dass der zukünftige Schwiegervater von Valgerd, für sie nicht geben wollte, was vereinbart war. So stürmte er vor, baute sich vor Einar auf, und schimpfte, wie man es von ihm so gar nicht gewohnt war. „Warum willst Du für Valgerd nicht zahlen, was Ihr ausgemacht habt?“ er funkelte den Bootsbauer regelrecht zornig an „Sie ist eine sehr schöne Frau und Dein Sohn will sie heiraten. Warum willst Du sie nicht?“ verblüfft riss Einar die Augen auf und blickte zwischen Gunnmarr und Bjarne hin und her. Die anderen Männer, sowohl auf seiner, als auch Gunnmarrs Seite und selbst die Zeugen, konnten sich kaum ein Grinsen verkneifen. Der Schmied war der Erste, der die Sprache wieder fand und stieß laut lachend hervor „Ja, Einar, warum willst Du meine Valgerd nicht als Schwiegertochter?“
Dieser rang um Fassung und stotterte „Aber natürlich will ich sie als Weib für meinen Sohn! Warum sonst bin ich wohl hier?“ er starrte wieder Bjarne an, verstand, wie fremd dem jungen Mann all dies sein musste und da die Verhandlungen ohnehin bereits lang genug andauerten, begann er nun auch zu lächeln. „Du hast Recht, Bjarne, Valgerd ist den geforderten Brautpreis wert.“ damit schritt er auf Gunnmarr zu und sie besiegelten die Vereinbarung mit einem Handschlag. Wenig später zogen Einar, seine Begleiter und die Zeugen davon. Sie würden sich auf dem Hügel, außerhalb von Birka wiedersehen und der Hochzeitszeremonie beiwohnen.
Weil Bjarne so unerschrocken eingegriffen hatte, nahm Gunnmarr ihn kurz darauf zur Seite. Er erklärte ihm, dass ein junger Mann aus Valgerds Verwandtschaft, die Braut zum Ort der Zeremonie begleiten würde, indem er ihr ein Stück vorausging und das Schwert trug, welches sie ihrem Gatten übergeben würde. Die übrige Familie folgte der Braut in kurzem Abstand. „Ich bin kein junger Mann mehr, Bjarne, und einen anderen Verwandten haben wir hier nicht. Außerdem hast Du eben bewiesen, dass Du sehr um Valgerd besorgt bist. Würdest Du das Schwert tragen und Valgerd zu ihrer Hochzeit führen?“
Bjarne konnte es kaum fassen und willigte nickend und strahlend ein. Doch dann erstarb sein Lächeln. Er wusste doch gar nicht, was er zu tun hatte. Gunnmarr legte ihm den Arm über die Schultern und führte ihn ins Langhaus. „Na, dann komm mal mit, mein Junge. Ich werde Dir nun erklären, was Deine Aufgaben sind.“ und so saßen sie eine Weile zusammen. Der Schmied unterwies den jungen Mann, der sich alles gewissenhaft zu merken versuchte und immer wiederholte, was Gunnmarr ihm sagte.
Schließlich war es soweit. Der Ruf eines Horns kündigte an, dass der Bräutigam bereits zum Hügel aufgebrochen war.
Nervös tippelte Valgerd von einem Fuß auf den anderen, schloss zwischendurch die Augen und murmelte leise Gebete an Frigg, ihr einen guten Einstand in die Ehe zu geben. Auf Gunnmarrs Nicken, schritt Bjarne los. Bedächtig und stolz, das blanke Schwert in den ausgestreckten Handflächen liegend. Auf dem Weg zum Hügel, versuchte Tjark sich einige Male von Roalds Hand zu reißen und nach vorn zu Bjarne zu laufen, doch sein Vater hielt ihn rechtzeitig zurück und flüsterte ihm zu, sich an die Zeremonie zu halten, indem er hinter der Braut, bei der Familie blieb.
Schon von Weitem sahen sie die Hochzeitgesellschaft, die auf Valgerd wartete. Nicht nur Alrik und seine Sippe waren anwesend, sondern annähernd die ganze Stadt hatte sich versammelt. Eine Hochzeit feierte man gemeinsam.
Bjarne konzentrierte sich einzig auf das, was Gunnmarr ihm gesagt hatte, denn er wollte sich nicht ablenken lassen und eventuell einen Fehler begehen, den die Götter als respektlos empfänden und es das Brautpaar spüren lassen könnten. Valgerd dankte ihm mit einem verstohlenen Lächeln und Zwinkern, als sie, auf dem Hügel angekommen, an ihm vorbei, auf den Priester und ihren zukünftigen Mann zu schritt.
Die gesamte Zeremonie stand Bjarne wie ein Baum. Noch immer das Schwert vor sich gestreckt, schien es, als bereite es ihm keine Mühe, diese Haltung zu bewahren, doch nur sein Wille verbot ihm, dem zunehmend zittrigen Gefühl in seinen Armen nachzugeben.
Zuerst wandte sich der Priester mit lauter Stimme an das Brautpaar. „Alrik Einarson, ist es Deine Absicht, hier und jetzt, diese Jungfer zum Weib zu nehmen und die Götter um ihren Segen für diese Ehe zu bitten?“ Alrik ließ ein vernehmliches „Ja!“ hören und der Priester wandte sich an die Braut. „Valgerd Gunnmarrsdóttir, ist es auch Deine Absicht, hier und jetzt diesen Mann zum Gatten zu nehmen und die Götter um ihren Segen für diese Ehe zu bitten?“ auch Valgerd antwortete mit einem klaren „Ja!“.
Der Priester nickte beiden Brautleuten zu und wandte sich dann einer bronzenen Schale zu, die in der Mitte zwischen ihm und dem Brautpaar stand und in der ein Feuer loderte. Er nahm die weit gespreizten Arme empor, streckte sie gen Himmel und beschwor die Götter, indem er einzelne von ihnen aufrief und um ihren Schutz für das Paar bat. Odin möge ihnen Weisheit und Weitsicht mit in die Ehe geben, Thor Kraft und Mut, sich auch Tagen zu stellen, die für sie zur Herausforderung wurden. Frigg bat er um Schutz für die Frau und dass sie ihr stets Fleiß schenke. Freya, die das Paar mit reicher Kinderzahl segne. Freyr, dass ihre Ernten stets ertragreich seien und so rief er weiter eine Gottheit nach der anderen auf, um sie zu bitten, ihre Hand schützend über diese Verbindung zu legen. Schließlich wandte der Priester sich um, gab einem Gehilfen ein Zeichen und ließ sich eine Sau bringen, die er opferte und deren Blut in einer Schale auffing.
Bjarne wimmerte kurz auf, schloss die Augen und versuchte, sich wieder darauf zu konzentrieren, nur das zu tun, was ihm aufgetragen wurde.
Mit einem Bündel aus Reisig, tauchte der Priester nun in das Blut des Opfertieres und verteilte kleine Blutspritzer so über alle Anwesenden, dass jeder mit feinen Sprenkeln benetzt und damit gesegnet wurde.
Nun trat ein junger Mann aus den Reihen von Alriks Sippe hervor und trug das Schwert, welches die Braut für ihren ersten Sohn in Empfang nahm, zu Valgerd und reichte es ihr. Kaum war der junge Mann zurück zu seiner Familie getreten, war es an Bjarne, das von ihm gehaltene Schwert zu Alrik zu bringen. Doch dieser stand mit geschlossenen Augen und hoch konzentriert da, ohne zu bemerken, dass er an der Reihe war. Erst als Roald sich räusperte, schrak Bjarne leicht zusammen, errötete und hastete vor, um Alrik das Schwert zu übergeben. Der Bräutigam lächelte ihn an und zwinkerte ihm zu, wie es vorhin noch Valgerd getan hatte. Bjarne strahlte, als er, ohne das Schwert, zurück zur Sippe der Braut ging und war stolz darauf, alles so gemacht zu haben, wie der Schmied es ihn geheißen hatte.
Beide Schwerter wurden nun von Gehilfen des Priesters geholt und während diese den Griff auf den Priester richteten, nahm er zwei Armreifen von einem kleinen Altar aus aufgeschichteten Steinen. Unter dem beständigen Murmeln, mit dem er wieder den Segen der Götter erbat, legte er jeweils einen Armreif über die Schwertgriffe und die Gehilfen trugen die Schwerter zurück zum Brautpaar.
„Der Ring als Zeichen der Verbindung und des ewigen Kreises des Lebens,“ donnerte die Stimme des Priesters „und das Schwert, als Zeichen des Schutzes. So nehmt beides, mit dem Segen der Götter und seid ab nun vereint als Mann und Weib.“
Nachdem Alrik und Valgerd ihre Armreifen von den Schwertgriffen genommen und angelegt hatte, schallten bereits erfreute Jubelrufe und sämtliche Anwesenden drückten ihre Freude durch Lachen und laute Rufe aus. Auch Valgerd strahlte, blickte jedoch leicht errötend zu Boden. Alrik stürmte auf seine Frau zu, riss sie freudig an sich, um sie an der Hand zu fassen und mit ihr loszurennen. Ihnen folgte die gesamte Hochzeitsgesellschaft, denn die Sippe, die als letzte auf dem Hof des Bootsbauers, wo die Hochzeitsfeier stattfand war, würde alle anderen Gäste an diesem Abend bedienen und ihnen die Getränke einschenken. Sowohl die Sippe des Bräutigams, als auch die der Braut, ebenso Roalds Familie, durften bei der Feier sitzen bleiben und ihre Becher empor halten, wenn sie Durst hatten.
Ein langer Abend der Feierlichkeiten begann, doch bevor Valgerd das Haus ihrer neuen Sippe betreten durfte, legte Alrik sein Schwert über die Schwelle und verwehrte ihr so den Einlass. Valgerd blieb an der Tür stehen und Alrik fasste mit einem Arm um ihre Taille, mit der anderen Hand behutsam nach ihrem Unterarm und führte seine Braut vorsichtig, mit einem großen Schritt, über die Schwelle. Sorgsam darauf bedacht, dass sie nicht stolperte, was ein ungutes Omen gewesen wäre. Im Haus, rammte Alrik das Schwert schließlich in einen der dicken, senkrecht stehenden Trägerbalken. Er stieß es tief hinein und alle Anwesenden tuschelten anerkennend, dass auch dies ein besonders gutes Zeichen für diese Verbindung des Paars war.
Die Feier selbst fand im Freien statt. Bevor alle anderen Gäste ihre Becher auf das Brautpaar erhoben, übernahm Valgerd ihre erste Pflicht als Ehefrau. Sie griff nach einem Krug mit Met, füllte den Becher ihres Mannes und überreichte ihm diesen mit den Worten „Nimm diesen Trank, Gemahl, und trinke auf die Wünsche, die ich Dir damit schenke. Möge der Trank Dich stärken und Deine Kraft erhalten. Möge er Dich segnen mit meinem Fleiß und meiner Treue. Und möge er von nun an auch unsere Verbindung segnen, auf dass Du zufrieden bist, mit der Wahl, mich zum Weib genommen zu haben.“
Alrik stand auf, nahm seiner Frau den Becher ab und hielt ihn in die Höhe. „Mögen die Götter uns segnen!“ rief er aus und trank einen Schluck, bevor er seine Frau trinken ließ. Die ebenfalls um den Segen der Götter bat, bevor ihre Lippen den Becherrand berührten.
Nachdem schließlich der Priester noch einmal auf das Brautpaar zu kam und Valgerd einen Thorshammer aus Bronze in den Schoß legte, um ihre Fruchtbarkeit zu stärken und die Geburten vieler gesunder Söhne zu erbitten, erhoben auch die Hochzeitsgäste ihre Becher, um auf das Brautpaar zu trinken.
Viele Stunden wurde gefeiert, gespeist und getrunken. Die geopferte Sau briet über einem Feuer am Spieß und die Gäste wetteiferten darin, mit lustigen Spielen für Unterhaltung zu sorgen. Tjark war besonders angetan vom Wettbewerb der Flüche, bei dem sich die Männer immer wieder erhoben und einem anderen Mann am Tisch einen derben Fluch entgegen schleuderten. Dieser erhob sich und fluchte nun ebenfalls auf besonders einfallsreiche Art, während alle anderen Gäste sich die Bäuche vor lachen hielten.
Bjarne fand das Spiel weniger lustig. Für ihn war es nicht nachvollziehbar, warum man sich zum Spaß die merkwürdigsten Wünsche an den Kopf warf, wenn man doch gar nicht im Streit lag.
Am späten Abend war es dann soweit, das junge Ehepaar ins Bett zu bringen. Hjördis und Isgerd erhoben sich, gingen zu Valgerd und begleiteten sie ins Haus. Etwas abseits vom Lager der Eltern, hatte man ein neues Lager errichtet, auf dem nun Valgerd und Alrik schlafen würden. Eine leichte Trennwand aus geflochtenen Binsen, gab dem jungen Paar etwas mehr Privatsphäre.
Die Frauen halfen Valgerd dabei, sich auszuziehen, sich im Unterkleid ins Bett zu begeben und legten ihr ein breites, gewebtes Tuch um die Schultern, auf dem sich Stickereien befanden, die Paare in Umarmungen zeigten.
Kaum hatte die Braut die warme Decke aus aneinander genähten, weichen Kaninchenfellen, bis zur Brust hochgezogen, begleiteten die Männer Alrik herein. Nachdem auch er bis auf das Hemd entkleidet war und neben seine Braut ins Bett gelegt wurde, betraten weitere Gäste das Langhaus, versammelten sich um das Lager des Paares und feuerten es lachend und mit einigen zotigen Sprüchen an, eine Verbindung voller erfüllender Zweisamkeit und Fruchtbarkeit zu führen. Unter den Augen all der Zeugen, nahm Alrik Valgerd das Tuch von den Schultern und legte es quer über die Decke, damit sie beide vom Tuch bedeckt waren.
Die Ehe galt somit symbolisch als vollzogen und die gesamte Hochzeitsgesellschaft verließ unter Johlen das Haus, um das Brautpaar allein zu lassen und draußen noch weiter zu feiern.
Tjark kuschelte sich eng an Bjarne. Er konnte die Augen kaum mehr offen halten, so erschöpft war er von diesem langen, aber für ihn wunderschönen Tag. Gähnend schaute er noch einmal zu seinem großen Freund, mit den leicht schräg stehenden Augen auf. „Weißt Du Bjarne,“ nuschelte er „ich finde so eine Hochzeit schön. Und ich denke, ich will später auch heiraten.“ Bjarne nickte, überlegte kurz und fragte den Jungen dann „Aber wen willst Du denn heiraten? Da brauchst Du doch eine Braut.“
Tjark öffnete die Augen und blinzelte, bevor er sie wieder schloss und murmelte „Ja, das weiß ich doch. Ich werde Ylvi heiraten. Dann können wir für immer zusammenbleiben und Du wirst dann auch bei uns sein.“
Als Bjarne erfreut ausrief „Fein, das wäre wirklich schön!“ hörte Tjark ihn schon nicht mehr, sondern schlummerte bereits friedlich.