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Kapitel 13

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Alma und Bjarne ahnten nicht, dass sie beobachtet wurden und Notger verstand es, sich ihnen so zu nähern, dass Bjarne ihn nicht entdeckte. Selbst wenn sein Blick den Halbbruder flüchtig streifte, wäre er nicht darauf gekommen, den Mann zu kennen. Notger hatte sich in den vergangenen Jahren verändert, sich einen Bart wachsen lassen und an Gewicht zugelegt. Schwammig wirkte er, wenn auch nicht fett. Aber man sah ihm deutlich an, dass er nicht viel arbeitete. Seit er den Hof geerbt hatte, scheuchte er das Gesinde noch mehr und er hatte bereits zwei Ehefrauen zu Hel geschickt. Die erste, eine Wahl seiner Mutter, um eine Verbindung zu einem angesehenen Hofherrn nahe Aros zu schaffen, starb im Kindbett und nahm das Ungeborene mit sich. Sie hatte unter ihrem Mann und Schwiegermutter keine Freude gehabt und schloss mit einem Lächeln für immer die Augen, um frei von dieser Ehe zu sein. Die zweite Frau, ebenfalls Tochter aus einer angesehenen Sippe, nahm sich das Leben, da sie die Schikanen und Misshandlungen ihres Mannes nicht länger aushalten konnte. Natürlich glaubte ihre Familie nicht an einen Unfall, wie Notger ihnen einzureden versuchte. Aber sie konnten das Gegenteil nicht beweisen, denn als sie zum Hof von Notger eilten, um den Körper der Toten auf seinen Weg in Hels Reich zu begleiten, brannte der Scheiterhaufen bereits lichterloh.

Eine weitere Frau zu nehmen, weigerte Notger sich und Svea konnte reden wie sie wollte. Nicht, dass sie darauf versessen gewesen wäre, eine Schwiegertochter zu haben. Aber diese war eben notwendig, um Enkel zu bekommen, die den Fortbestand der Sippe sicherten. Doch selbst wenn Notger noch einmal hätte heiraten wollen, wäre es fraglich gewesen, welcher Vater von hohem Stand ihm seine Tochter gegeben hätte. Es hatte sich bereits herumgesprochen, dass die Ehefrauen bei diesem Mann ein schweres Leben hatten.

Notger hingegen sorgte schon für Enkel. Mit drei Mägden auf dem Hof, hatte er bereits vier Kinder gezeugt. Jedoch kümmerte er sich auch darum, dass diese nie Ansprüche auf eine Legitimation stellen konnten. Zwei der Kinder waren verschwunden, als ihre Mütter nach den anstrengenden Geburten geschlafen hatten. Notger hatte darauf geachtet, nicht gesehen zu werden, wenn er die Neugeborenen holte und weit weg, in die tieferen Wälder brachte. Das dritte Kind, kaum ein paar Tage alt, wurde von seiner Mutter erstickt gefunden. Sie schrie ihren Schmerz hinaus, wollte sich auf Notger stürzen und es war ihr in diesem Moment völlig egal, dass sie ihren Herren angriff. Ihr war klar, wer hinter dem Tod ihres Kindes steckte. Doch der Vater ihres Bastards lächelte nur kalt, nahm einen Knüppel und erschlug die Magd vor den Augen des Gesindes. „Das geschieht mit denen, die ihre Hand gegen ihren Herrn erheben.“ zischte er nur, spuckte auf den toten Körper der Frau, an der er sich unzählige Male vergangen und der er dann ihr Kind genommen hatte, warf den blutigen Knüppel achtlos zur Seite und wies den Knecht an „Schaff das hier weg!“ während er auf die Tote zeigte.

Svea hatte gezetert und ihrem Sohn eine Predigt gehalten. Nein, es interessierte sie nicht, dass er sich an den Mägden verging. Für sie war Gesinde nicht mehr als Vieh, das man nutzte, wie man es brauchte. Aber neue Sklaven waren teuer und eine schwangere Magd konnte nicht mehr die gleiche harte Arbeit verrichten. Mürrisch musste Notger einräumen, dass seine Mutter in dem Punkt Recht hatte. Und als die dritte Magd, ein gerade einmal dreizehnjähriges Mädchen, einen zusehends dickeren Bauch bekam, prügelte Notger so lange auf sie ein, bis sie in ihrem Blut lag, das Kind tot zur Welt brachte und Gewissheit bestand, dass sie nie wieder Kinder würde empfangen können, da ihre Verletzungen zu schwer waren. Ab diesem Tag waren die anderen Mägde sicher vor ihrem Herrn. Seine Gier stillte er von nun an, zumindest wenn er zu Hause war, ausschließlich an dem Mädchen, das ihm keinen Bastard mehr vorsetzen würde.

Nach Uppsala, wäre er am liebsten allein gereist und hätte Quartier in einem Hurenhaus bezogen. Jedoch lag Svea ihm so lange in den Ohren, es gehöre sich nicht, die Mutter allein zu Hause zu lassen, solange diese körperlich noch in der Lage war zu reisen, bis er schließlich nachgab. Dabei hatte sie eigentlich nur im Sinn, sich selbst und den Wohlstand zur Schau zu stellen. Außerdem gedachte sie, sich mit feinen Tuchen und Schmuck einzudecken. Am Tag die Mutter an seiner Seite, fand Notger keine Gelegenheit, sich bei einer Hure Erleichterung zu verschaffen. So war er ständig unleidlich und musste am Abend sehen, wo er noch ein Weib für sein Vergnügen fand, denn die meisten Frauen, die in Frage kamen, waren schon von anderen Männern in Beschlag genommen. Während er sich nun in der Nähe von Bjarne herumtrieb und noch darüber nachdachte, wie er seinem ungeliebten Halbbruder zusetzen konnte, musterte er Alma genauer. Sie war nicht mehr ganz jung, aber trotzdem hübsch anzusehen. Das lange schwarze Haar trug sie offen, was ihm sagte, dass sie noch nicht verheiratet war. Der gut gerundete, fast dralle Körper wirkte auf Notger wie eine Einladung und in ihm wuchs die Gier, während er nun wusste, wie er Bjarne eins auswischen konnte. Der Tölpel schien die Frau zu mögen. Nun, es wurde an der Zeit, ihr zu zeigen, was ein richtiger Mann ist. Notger konzentrierte sich darauf, Alma nicht aus den Augen zu verlieren und wartete auf den Moment, wo er sie, unbemerkt von Bjarne, mit sich ziehen konnte. Die Gelegenheit ergab sich schließlich, als Alma und Bjarne durch eine Gruppe tanzender Paare, kurzfristig getrennt wurden. Lachend sprang er auf Alma zu, deutete ihr, sich tanzend den Anderen anschließen zu wollen, fasste sie am Arm und zog sie mit sich. Erst tatsächlich tanzend, dann immer weiter zum Rand des Festplatzes und als Alma bemerkte, dass dieser Mann sie fortschleppen wollte, waren sie bereits aus Bjarnes Blick entschwunden.

Alma versuchte sich loszureißen, doch der Mann hielt sie fest, zerrte sie weiter und hielt ihr schließlich mit der anderen Hand ein Messer gegen die Taille. „Schrei und ich steche Dich ab, wie eines der Opfertiere!“ zischte er. Alma brachte vor Angst keinen Ton mehr heraus.

Wen Notger nicht gesehen hatte, da er ihn nicht kannte, war Leif. Der hatte aus einiger Entfernung beobachtet, wie der Mann Alma entführte und in welche Gasse er nun mit ihr entschwand. So versuchte er sich nun durch die Menschenmassen zu kämpfen, um ihnen zu folgen, doch er kam nur langsam vorwärts und geriet in Panik. Plötzlich stand Bjarne vor ihm, aufgeregt, weil er Alma nicht mehr sehen konnte und sich sorgte.

„Da war ein Mann.“ schrie Leif ihn an und zeigte in Richtung der Gasse, in die sie entschwunden waren „Er hat sie einfach mit sich fortgezogen. Sie hat sich gewehrt und kam doch nicht gegen ihn an.“ atemlos versuchte er Bjarne zu erklären, was er gesehen hatte. Dieser stürmte los. Ungeachtet der vielen Menschen, bohrte er sich durch die Massen, während Leif ihm folgte. In der dunklen Gasse angekommen, blickten sie sich ratlos um. Dort vorn war eine Kreuzung. Welche Richtung hatte der Entführer eingeschlagen?

Instinktiv wählten sie einen Weg, der vom Zentrum der Stadt weg führte und hetzten los. Bjarne setzte gerade dazu an, laut nach Alma zu rufen, als Leif ihn zurückhielt. „Wenn sie uns hört, dann kann es auch der Mann. Und er wird dann dafür sorgen, dass sie uns nicht antwortet. Wir können nur hoffen, sie so zu finden.“ das leuchtete Bjarne ein und so versuchten sie, möglichst leise voran zu kommen, um sich kein Geräusch entgehen zu lassen, das darauf hindeutete, wo Alma und ihr Entführer waren.

Die Häuserreihen lichteten sich und nach einer gefühlten Ewigkeit, kamen sie gerade an einer kleinen Baumgruppe vorbei, als ein Mann unter diesen aus dem Schatten trat, sich die Kleider zurecht zurrte und den Weg ansteuerte. Er sah Bjarne und Leif, blieb argwöhnisch stehen und versuchte zu erkennen, wer da, im Dunkel der Straße, vor ihm stand. Doch die Kontur des ungeliebten Halbbruders erahnend, begann er zu grinsen. „Ist das nicht der Bastard meines Vaters, der Tölpel, der sich meine Pferde erschlichen hat?“ spottete er und Bjarne begriff sofort, wen er vor sich hatte. Diese Stimme war, wenn auch durch die Jahre gereift, etwas, was er nie vergessen würde. Heiß und kalt durchzuckte es ihn. Beinahe wäre er dem Impuls gefolgt, sich umzudrehen und davon zu laufen, als aus dem Schatten der Bäume ein gequältes Schluchzen drang und Leif laut aufschrie „Alma!“, während er in die Dunkelheit loslief, um Alma zu suchen. Bjarne wusste nicht, was hier vor sich gegangen war, aber es musste etwas zwischen Alma und Notger gewesen sein, das seine Freundin in die Verzweiflung trieb. Mochte Notger ihm sonst Angst einflößen, jedoch war der Instinkt, seine Lieben zu schützen, in Bjarne stärker. Erneut klang ein langgezogener Laut aus der Richtung, in die Leif verschwunden war. Alma weinte auf und es hörte sich an, als rufe sie „Nein!“, während Leif leise und beruhigend auf sie einsprach. In Bjarne wuchs der Zorn. „Was hast Du mit Alma gemacht?“ knurrte er den Älteren an. Ein Grollen erklang aus dessen Kehle, rollte nach oben und suchte sich als ein hämisches Lachen den Weg nach draußen.

„Was werde ich wohl mit ihr gemacht haben, Tölpel? Ich habe ihr gezeigt, was ein richtiger Mann ist.“ er lachte immer lauter und während Bjarne zu verstehen versuchte, was der Halbbruder damit meinte, rief Leif aus dem Dunkeln „Er hat ihr Gewalt angetan! Bei den Göttern, Bjarne, sie ist völlig zerschunden!“

Noch immer verstand Bjarne nicht genau, aber er wusste, dass Notger etwas Furchtbares mit Alma angestellt haben musste. Wütend wollte er sich auf ihn stürzen, doch der um über einen Kopf größere Mann wich ein Stück zurück, drehte sich seitlich, so dass Bjarne fast an ihm vorbei gerannt wäre und schlug ihm mit der Faust so in den Rücken, dass Bjarne ins straucheln kam und stürzte. Der Aufprall war schmerzhaft. Bjarne landete mit den Rippen auf einem Stein, der fast drei handbreit groß war und blieb keuchend liegen. Notger genoss es, baute sich über seinem Halbbruder auf und sah lachend auf ihn hinab. „Was denn, was denn, wird unser Tölpel etwa mutig? Oder ist es Übermut, den man Dir beibrachte, seit Dir die Hand fehlt, die Dich züchtigt?“ sein Lachen verebbte zu einem bedrohlichen Kichern „Das hast du von Deiner Mutter, dieser Hure. Sie fühlte sich auch sehr sicher, weil mein Vater ihr gestattete, Dich zu behalten. Aber am Ende hat sie dann gewimmert und geschrien, bis ich ihr zeigte, was eine Hure erwartet, die sich ihrer Sache zu sicher ist.“

In Bjarne arbeitete es. Einerseits versuchte er den Schmerz in seiner Brust zu bekämpfen, um Luft holen zu können. Andererseits hämmerte es in seinem Kopf, dass das, was Notger sagte, nicht stimmen konnte. Fjodor hätte nie zugelassen, dass Notger Tuva etwas angetan haben könnte. Aber vielleicht war seine Mutter ja gegangen, weil sie wusste, wozu Notger fähig war. „Meine Mutter hätte sich von Dir nicht anfassen lassen.“ keuchte er mühevoll und sah zu dem Mann auf, der nun wieder zu lachen begann.

„Nein? Du glaubst, sie hätte sich nicht anfassen lassen? Nun, Bastard, sie hat sich anfassen lassen, wenn auch nicht mit Freude. Aber sie hatte keine Wahl, da allein mit mir im Wald. Es war nicht einmal schwer, sie unbemerkt vom Hof weg zu zerren, als sie in der Dunkelheit ihre Notdurft verrichten wollte. Ich habe sie mir gefügig gemacht und muss gestehen, ihr Wimmern war sehr erfrischend. Welcher Junge kann von sich schon behaupten, sein erstes Weib mit so viel Vergnügen genommen zu haben. Geschrien hat sie, doch ich zeigte ihr mit meinen Fäusten, was ich davon halte. Dann ließ sie sich besteigen, hielt sogar still und vielleicht hätte ich sie am Leben gelassen, hätte sie mir nicht gedroht, dass meinem Vater nicht gefallen würde, was ich mit ihr getan habe. Nein, ich lasse mir nicht drohen. Von Deiner läufigen Mutter erst recht nicht. Also habe ich sie aufgeschlitzt, vom Bauch bis zum Hals und dann den Tieren überlassen.“

Bjarne war kaum mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. In all das, was sein Halbbruder gerade gesagt hatte, drang nur zu ihm vor, dass dieser seine Mutter getötet hatte. Um ihn herum tanzten Schleier, in seinem Kopf pochte es und alles Denken setzte aus, als er unbewusst nach dem Stein, auf den er gestürzt war griff, Notger mit einem kräftigen Tritt gegen die Beine den Boden unter den Füßen wegzog und sich auf den Mann stürzte, um ihm den Stein immer und immer wieder auf den Schädel zu trümmern, während er nur noch schrie „Mörder! Du hast meine Mutter ermordet. Du Mörder!“

Alles war still. Für einen Moment schien es Bjarne, als gäbe es nur ein großes Nichts um ihn herum. Er spürte nicht, dass er auf dem leblosen Körper seines Halbbruders kniete, spürte den Stein in seinen Händen nicht und nahm auch nicht das Blut wahr, das überall an seinem Körper klebte. Links und rechts wurde er plötzlich gepackt. Fackelschein erleuchtete für einen Moment das völlig zerschlagene Gesicht des Mannes, der ihn vor wenigen Momenten noch verhöhnt hatte. Jemand stieß Bjarne unsanft zu Boden, drückte ihm das Knie in den Nacken, während ein Anderer ihm die Hände auf den Rücken band. All die Stimmen, die immer zahlreicher zu werden schienen, drangen nur rauschend zu ihm durch. Was sie sagten und brüllten, verstand er nicht. Dann schleiften sie Bjarne fort, aber auch das registrierte er nicht. In seinem Kopf lief immer wieder nur die Bilderfolge ab, wie er sich vorstellte, dass Notger Tuva ermordete und wie er dem Mörder seiner Mutter den Schädel einschlug. Dann, nach einer endlos erscheinenden Weile, in der man ihn irgendwohin geschliffen hatte, spürte er einen Schlag, der ihn nach vorn warf. Bjarne schlug gefesselt auf dem Boden auf, hörte eine Tür, die zu fiel und blieb in der Dunkelheit liegen. „Mutter!“ weinte er laut auf „Mutter!“ und immer wieder, rief er in dieser Nacht nach ihr. Unerhört, nicht wissend, wo er lag, was geschehen war. Irgendwann umfing ihn eine tiefe Erschöpfung, die den körperlichen und seelischen Schmerz davon jagte, um Bjarne in schwarze Tiefe ziehen zu können.

Er bekam nicht mit, was da draußen geschah, wie Leif zwischen den Bäumen hervor gestürzt war und nur noch zusehen konnte, dass ein paar Männer aus den unweit stehenden Häusern, die durch den Lärm alarmiert waren, mit Fackeln auf die beiden Männer am Boden zugerannt kamen, Bjarne packten und weg zerrten, um ihn den Wachen zu übergeben. Entsetzt starrte er auf den toten Notger, musste bei seinem Anblick würgen und auch als zwei Wachen schließlich kamen, um sich zu überzeugen, wovon die Männer, die ihnen den Gefangenen übergaben, berichtet hatten, war Leif noch immer starr vor Schrecken. Er war wie gelähmt, stand zitternd unter den Bäumen und erst, als man Notgers Leiche auf einen Karren geworfen und abtransportiert hatte, erinnerte er sich an Alma, die zusammengekauert im Dickicht hinter ihm lag und weinte, während auch sie in sich selbst gefangen und nichts um sich herum mitzubekommen schien. Er lief zu ihr, streichelte ihr das Haar und flüsterte nur „Warte hier, ich hole Hilfe.“ dann schoss er davon, um seinen Vater zu holen.

Alma hörte ihn nicht. Aber selbst wenn, hatte sie auch nicht vor aufzustehen. Sie lag da, zerschunden und blutend. Ihr ganzer Körper tat weh und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass der Nebel, in dem sich ihr Bewusstsein befand, sie davon tragen würde. Wohin, war ihr egal. Nur weg von hier, dem Schmerz und dem Mann, der ihr all das angetan hatte.

Atemlos stürzte Leif ins Haus des Pfannenschmieds. Die Erwachsenen saßen noch immer am Tisch. Diesmal allerdings wieder bei besserer Laune. Gerade hatte Halfdr zu einem Trinkspruch den Becher erhoben und die Anderen grinsten bereits, weil sie wussten, dass sie auch dieser Toast, nicht ganz ernst gemeint, zum Lachen bringen würde, als die Tür aufgestoßen wurde und der älteste Sohn des Honigmachers keuchend vor ihnen stand. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen. Sofort stürzten die Erwachsenen zu ihm, sich bewusst, dass etwas passiert sein musste. Leif liefen Tränen übers Gesicht und er konnte nur hervor stoßen „Alma,... Bjarne,...bitte, sie brauchen Hilfe!“

Hjördis blieb bei Ylvi und Tjark. Kurz darauf kamen Isgerd und Valgerd, die Halfdr, auf ihrem Weg zu Alma, rasch verständigt hatte und bat, sich um die Honigmacherin zu kümmern. Noch hatten sie nicht viel aus Leif heraus bekommen. Sie wussten nur, dass Alma geschändet und Bjarne verhaftet wurde.

Als sie Alma fanden, die noch genauso dalag, wie Leif sie verlassen hatte, schrie Gunnmarr vor Entsetzen auf und fiel weinend vor seiner Tochter auf die Knie. Sie nahm ihn nicht wahr, bis er sie versuchte in den Arm zu nehmen und zu wiegen, wie ein Kind. Alma erkannte den Vater nicht, spürte nur Hände, die nach ihr griffen und begann nun selbst zu schreien und wild um sich zu schlagen. Verzweifelt wich der Schmied zurück, wandte das tränenüberströmte Gesicht hilflos den Freunden zu und schüttelte traurig den Kopf.

„Er hat Alma mit sich fort gezogen.“ Leif stand einige Schritte entfernt und weinte, während er zu Boden blickte, als traue er sich nicht, Alma und die Männer anzusehen „Sie wollte nicht, hat sich gewehrt, aber er hat sie einfach mit sich fortgezogen. Wir haben sie gesucht, wollten ihr helfen, aber wir kamen zu spät.“ geräuschvoll schniefte der Junge „Er hat Bjarne ausgelacht. Dabei hat er erzählt, dass er Alma gezeigt habe, was ein richtiger Mann ist und dass er es mit Bjarnes Mutter genauso getan hat.“

Roald riss den Kopf hoch und starrte seinen Sohn an. Dann stürzte er auf Leif zu und packte ihn bei den Schultern. „Er kannte diesen Dreckskerl?“ dabei schüttelte er unbewusst den Jungen, der nur noch zu nicken in der Lage war. Halfdr trat zum Honigmacher, legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. „Ruhig, mein Freund, der Junge kann Dir doch gar nicht antworten, wenn Du ihn so schüttelst.“

Roald hielt inne, wurde sich bewusst, was er da tat und murmelte eine Entschuldigung, während er seinen Arm um Leifs Schulter legte. Halfdr wandte sich nun dem Jungen zu und fragte mit sanfter Stimme „Was hast Du noch gehört oder gesehen?“

Und dann brach es aus Leif heraus. Er hatte nicht jedes Wort verstanden, was zwischen Bjarne und Notger fiel, wohl aber, als der Ältere Bjarne laut verhöhnte und ihm erzählte, wie er dessen Mutter vergewaltigt und ermordet hatte. Dann hatte Leif nur noch gehört, wie Bjarne immer wieder 'Mörder!' schrie und die dumpfen Schläge folgten. Es war ein grauenhaft ruhiger Moment, als der Stein immer wieder aufschlug. Das dumpfe Krachen, ein leises Knirschen und dann die völlige Stille. Leif war wie unter Schock, wagte nicht, sich zu bewegen und nachzuschauen, bis er die tanzenden Flammen der Fackeln wahrnahm.

„Sie werden Bjarne des Mordes anklagen und vor das Thing stellen“ Roald schüttelte verzweifelt den Kopf und barg das Gesicht in seinen Händen.

„Aber,“ schrie Leif auf „dieser Dreckskerl hat doch Alma geschändet und Bjarnes Mutter ermordet!“

Roald ging zu einem Baum, der wenige Schritte entfernt stand, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stamm und ließ sich langsam daran herunter gleiten. Schwer stützte er den Kopf auf seine Unterarme und murmelte leise „Seine Mutter war eine Sklavin. Niemand würde Bjarne das Recht zur Blutrache zusprechen. Notger hat nach dem Gesetz nur sein eigenes Eigentum oder das seines Vaters geschädigt.“ längst war dem Honigmacher klar, wer Alma Gewalt angetan hatte und von Bjarne getötet worden war.

Nun sprang Gunnmarr auf und baute sich vor den Freunden auf. „Aber er hat auch meine Tochter geschändet. Und sie ist eine Freie! Bjarne hat zu Recht meiner Tochter gerächt. Kein Thing darf ihn da des Mordes verurteilen.“

Nun war es Halfdr, der nachdenklich einen Einwand vorbrachte. „Sie wissen jedoch nichts von dem, was er mit Alma gemacht hat. Und es gibt nur Alma und Leif als Zeugen. Eine Frau und ein Minderjähriger. Beide dürfen den Thingplatz nicht betreten. Wer also sollte für Bjarne aussagen?“

Die Männer schwiegen, bis Roald aufsprang. „Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass man wenigstens Leif anhört. Alma braucht Ruhe. Wir bringen sie zurück zu Halfdrs Haus und lassen nach einer Heilerin schicken. Wir werden uns die Anklage anhören und dann darum bitten, Leif und die Heilerin anzuhören.“

Die anderen Männer nickten und konnten nur hoffen, dass man den Zeugen die Aussage gestatten würde. Dann schickten sie Leif wieder zu Halfdrs Haus, um Hjördis und Valgerd zu holen. „Bring auch den Handkarren mit!“ rief Roald ihm nach „Alma wird nicht laufen können.

Der Morgen graute bereits, als die Männer, Hjördis, Valgerd und Isgerd an Halfdrs Tisch saßen und versuchten, das Geschehene zu ordnen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Alma hatte sich anfangs selbst von ihrer Schwester und der Honigmacherin nicht anfassen lassen. Zu tief saß der Schock, als dass sie die vertrauten Menschen hätte erkennen können. Irgendwann, mit viel ruhigem Zureden, schafften es die Frauen jedoch, zu ihr soweit vorzudringen, dass sie sich aufhelfen und zum Karren bringen ließ. Nachdem die Heilerin sie untersucht und versorgt hatte, ihr schließlich einen Tee gab, der sie einschlafen ließ, fiel sie in eine tiefe und beschützende Dunkelheit.

Einer der Männer, der zuvor Bjarne zu den Wachen gebracht hatte, war noch einmal hinaus gekommen, als er gewahr wurde, dass am Ort, wo kurz zuvor der Tote gelegen hatte, schon wieder irgendetwas vor sich ging. Er erkannte den Jungen wieder, den er zwar am Abend gesehen, aber nicht beachtet hatte und als er sah, dass dort auch noch eine geschändete Frau lag, holte er sein Weib hinzu, das Decken für Alma mitbrachte. Auch er würde vor dem Thing aussagen und dann erzählen, dass er und seine Nachbarn die vergewaltigte Frau nicht wahrgenommen hatten, so annehmen mussten, dass hier ausschließlich ein Mord passiert sei, aber nachdem, was er dann mitbekam, auch nur für Bjarne sprechen konnte.

Halfdr brach gleich nach Sonnenaufgang auf, um die Wachen aufzusuchen, die Bjarne gefangen genommen hielten. Von ihnen erfuhr er, dass man den jungen Mann bereits zum Platz gebracht hatte, auf dem das Allthing stattfand, wie es bei jedem Opferfest abgehalten wurde.

„Normalerweise verhandeln sie beim Allthing nur Belange, die unser Land und den Herrscher betreffen.“ flüsterte Halfdr Roald und Gunnmarr nach seiner Rückkehr zu „Aber nachdem die Mutter des Dreckskerls noch in der Nacht benachrichtigt wurde und diese dann unter Geschrei forderte, den Mörder ihres Sohnes zu sehen, ließ sie einen der hohen Männer, die dem Thing vorsitzen aus dem Bett holen und forderte eine umgehende Verurteilung des Sklaven, wie sie Bjarne nannte, der einen angesehenen Mann heimtückisch ermordet habe. Da die wichtigsten Dinge bereits beschlossen wurden, hat man sich noch in der Nacht mit dem König beraten und festgelegt, an diesem letzten Tag des Allthing gleich den Mord mit zu verhandeln. Bjarne wird also bereits heute seinen Prozess bekommen und wir müssen uns beeilen.“

Der Nornen Knoten

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