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Kapitel 12
ОглавлениеJahresanfang 967
Ylvi stürmte zum wiederholten Mal ins Langhaus, um ihrer Ziehmutter zu sagen, wie viel welcher Waren im Honigschuppen lagerten. Es war nicht so, dass Hjördis keine Übersicht gehabt hätte. Nur trieb die Siebenjährige seit Tagen die gesamte Familie in den Wahnsinn, weil sie ununterbrochen vom Opferfest plapperte, wie aufgeregt sie sei und dabei niemals irgendwo still saß. So versuchten sie das Mädchen abzulenken und ihr Aufgaben zu geben, die sie beschäftigten, bis alle in der nächsten Woche aufbrächen.
Das Opferfest fand alle neun Jahre statt und war das größte Ereignis im Land. Aus gesamt Svitjod kamen die Menschen, nahmen an den Feiern und Segnungen teil und amüsierten sich auf den unzähligen Märkten, zu denen auch viele Händler aus fernen Ländern kamen. Zudem würde das Großthing, das Allthing, abgehalten werden, bei dem sogar der König mit anwesend war. Er selbst sprach nicht direkt Recht, jedoch achteten die Männer seinen Rat und bezogen ihn in ihr Urteil ein.
Für Tjark und Ylvi, würde dies das erste Opferfest sein, das sie erlebten und entsprechend groß war ihre Aufregung, wenn sich Tjark auch besser beherrschen konnte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
Auch Leif war noch nie beim Opferfest gewesen. Dafür kannte er die Königsstadt Uppsala inzwischen recht gut, wenn Roald ihn mitgenommen hatte, um ihre Waren dort zu verkaufen. Sie hatten es sich, nach dem ersten erfolgreichen Jahr, als Roald mit Bjarne mit dem neuen Pferdewagen in Uppsala waren angewöhnt, erst nach den Ernten ihre Waren nach Uppsala zu bringen. So wussten sie, was für den Winter dringend gebraucht wurde, wenn eine Ernte dürftiger ausfiel und sie hatten herausgefunden, dass die christlichen Händler aus dem Süden im Herbst besser für Wachs bezahlten. Im Winter konnten sie kaum die stürmische Ostsee befahren, es sei denn, sie nahmen ein großes Risiko auf sich, Schiff und Ladung zu verlieren, wenn sie kenterten. Jedoch wurde gerade im Winter noch mehr Wachs für die Kerzen in den Kirchen und Klöstern gebraucht.
Roald hatte, mit Hilfe seiner Familie, in den letzten Jahren noch einen weiteren Standort für ein zusätzliches Gestell, auf dem er Klotzbeuten für die Bienen legte, errichtet. Westlich vom Hof, in der Nähe des kleinen Gehöfts, auf dem die alte Katla nach dem Tod ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter, die am Fieber gestorben waren, allein lebte. Katlas Sohn war Obstbauer und hatte eine recht ansehnliche Streuobstwiese mit Apfelbäumen. Ihre Erträge reichten nicht zum reich werden, aber Überleben, denn er verkaufte nicht nur Äpfel, sondern vor allem auch Apfelwein. Seit die alte Frau jedoch allein war, drohte ihr der Hungertod. Sie konnte die Apfelernte nicht mehr bewältigen. Es war für sie ein sehr gutes Angebot, als Roald ihr vorschlug, Bienenvölker in ihre Apfelplantage zu stellen. Dafür würde sie auch einen Anteil am Honig bekommen. Zusätzlich half die Familie des Honigmachers bei der Apfelernte und dem Verkauf von Äpfeln und Apfelwein, den Hjördis bei Katla ansetzte. Den Gewinn teilten sich die alte Frau und Roalds Sippe. Der Honigmacher brachte ihr von ihrem Anteil mit, was sie zum Leben brauchte. Aber auch so steckten sie Katla gelegentlich eine Seite frisch geräuchertem Speck zu, wenn sie schlachteten oder Hjördis buk Naschereien für sie mit.
Ja, Roald hatte es geschafft, seine kleine Familie zum bescheidenen Wohlstand zu führen. Dank der guten Erträge, die die neuen Bienenvölker einbrachten, konnte Roald tatsächlich zwei Ferkel kaufen und züchteten inzwischen genug Schweine, um Fleisch für sich und zum Verkauf zu haben.
Hjördis ganzer Stolz war eine Milchkuh, die Roald ihr im fünften Jahr, nach Erweiterung der Bienenvölker, mitbrachte. Zudem mussten sie sich einen zweiten Wagen bauen, um all ihre Waren zum Markt befördern zu können. Anfangs wurden diese noch von der Stute und ihrem inzwischen erwachsenem Sohn, dem Hengstfohlen, das sie Wildling nannten, übernommen. Als Roald jedoch im letzten Jahr ein gutes Angebot für zwei Ochsen bekam, die ein Bauer nach Missernten verkaufen musste, um das Überleben seiner Familie und seines Hofs zu sichern, schlug er zu.
An manchen Tagen schaute der Honigmacher sich seinen Wohlstand an und konnte es kaum glauben. Dies alles war nur möglich gewesen, weil Bjarne und Leif unermüdlich an seiner Seite gearbeitet hatten. Und schließlich war es dann auch Tjark, der ebenfalls mit zupacken konnte. Jedoch waren ihre Möglichkeiten nun auch erschöpft, denn wenn die Schwarmzeit begann, mussten sie an drei Orten gleichzeitig sein und die nun sieben Dutzend Bienenvölker überwachen. Es gelang ihnen manchmal kaum, mehr als die Hälfte der neuen Schwärme einzufangen, selbst wenn Hjördis und Ylvi mit anpackten, aber insgesamt schafften sie es, die Anzahl der Völker recht konstant zu halten.
Im letzten Herbst waren Roald und Leif nicht auf dem Markt in Uppsala gewesen. Wegen des Opferfestes im Frühjahr, wollten sie in diesem Jahr ihren Verkauf verschieben und ihre Waren erst auf dem Markt am Opferfest anbieten.
Gleich nach der Mittwinternacht, begannen sie mit den Vorbereitungen der Reise nach Uppsala. Zum ersten Mal würde die ganze Familie eine solch lange Reise zusammen machen. Katla hatten sie bereits vor dem Julfest zu sich auf den Hof genommen. Sie war zu alt, um den weiten und beschwerlichen Weg in die Königsstadt auf sich zu nehmen und würde, in Abwesenheit der Familie, das Vieh versorgen.
Gespannt warteten sie nun auf die Ankunft von Gunnmarr, Alma und Valgerd mit ihrer Sippe. Gemeinsam wollten sie, in einem größeren Tross reisen, um sicherer zu sein, denn gerade um das Opferfest, war die Gefahr, plündernden Wegelagerern zu begegnen, erheblich größer. Schließlich war es soweit. Die Freunde aus Birka trafen ein und wurden mit großem Hallo empfangen.
Während der nun schon fünfzehnjährige Leif mit Bjarne und Alrik das Boot, in dem auch Gunnmarr einige Waren wie Messer, Äxte und einfache Schwerter, zum Verkauf in Uppsala mitgebracht hatte entpackten, stürzten sich Hjördis und Ylvi auf die Töchter des Schmieds und Valgerds Schwiegermutter, um sie ins Langhaus zu ziehen und mit ihnen Neuigkeiten auszutauschen. Hjördis hatte Honigbier erwärmt und mit Kräutern gewürzt, damit die Ankömmlinge sich aufwärmen konnten, denn die Überfahrt über den See war um diese Jahreszeit sehr beschwerlich und bitterkalt. Lange wusste niemand, ob die Leute aus Birka überhaupt übersetzen konnten, denn Eisschollen, die noch zahlreich im Wasser trieben konnten selbst ein größeres Boot, wie Einar es sich geliehen hatte, in Gefahr bringen.
Jetzt saßen sie aber endlich alle in der Halle des kleinen Langhauses, beengt, aber sehr gut gelaunt und erzählten sich, was so alles in den letzten Monaten, seit Roald mit seinen Söhnen zuletzt auf Björkö war, passierte. Valgerd versuchte gerade eine ihrer beiden kleinen Töchter, zu animieren, sich zu ihnen zu setzen, aber die Mädchen fremdelten. Also erhob Ylvi sich lächelnd, nahm Käti und Lilla an die Hand, um sie mit nach draußen zu nehmen. „Kommt, wir gehen zu den Ferkeln.“ und die Mädchen folgten ihr dankbar.
Isgerd sah ihren Enkeltöchtern und Ylvi verträumt hinterher. „Sie sind eine Sonne in unserem Leben. Und wenn ich sehe, wie groß Eure Ylvi geworden ist, zieht sich mein Herz zusammen, wie schnell doch die Zeit vergeht. Eine kleine Schönheit ist sie geworden!“
Tjark horchte auf. Ja, Ylvi war ein sehr schönes Mädchen. Und Isgerds Worte erinnerten ihn einmal mehr daran, dass er sich in letzter Zeit immer häufiger dabei ertappte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann, wenn er in der Nähe seiner Ziehschwester war. Er wusste nicht, was das bedeutete, war sich aber sicher, dass ein Bruder so nicht für seine Schwester empfinden sollte und wurde rot vor Scham. Die Erwachsenen bemerkten nichts von seiner Seelenqual. Nur Leif schaute zufällig gerade zu seinem Bruder herüber und ahnte, dass dieser sich mehr Gedanken um Ylvi machte, als es sich gehörte. Leif sah Ylvi noch immer nicht als Schwester an. Im Laufe der Jahre hatte er die Distanz zu dem Mädchen aufrecht gehalten und ausgebaut. Meist tat er so, als übersehe er sie völlig und Ylvi ging auch ihm aus dem Weg. Sie spürte, dass der junge Mann mit ihr nichts anfangen konnte.
„Na, Junge, aus Dir ist aber auch ein Mann geworden!“ polterte Gunnmarrs tiefe Stimme und lachend schlug er Bjarne die Hand auf die Schulter „Einen richtigen Bart sieht man da ja bereits in Deinem Gesicht sprießen.“ verlegen und erfreut zugleich, dass jemand bemerkte, wie er versuchte männlicher auszusehen und die Gesichtshaare stehen ließ, grinste Bjarne den Schmied an. Gunnmarr bog den Rücken etwas zurück, um Bjarne, der neben ihm saß, besser begutachten zu können. „Nicht nur am Bart sieht man den Mann in Dir, mein Freund. Du bist ein ansehnlicher und starker Kerl geworden. Nicht wahr Alma?“ die älteste Tochter des Schmieds nickte, während nun sie leicht errötete. Aber es stimmte, Bjarne war vielleicht nicht ganz so groß, wie die meisten Männer, jedoch muskulös, mit breiten Schultern und kräftigen Händen. Die Jahre der harten Arbeit, hatten seinen Körper geformt, so dass er nun fast aussah, wie ein Bär. Seine kupferroten Haare und der leichte Bart, funkelten im Schein des Herdfeuers, als tanzten kleine Flammen um seinen Kopf herum und zusammen mit dem Blick aus den leicht schräg stehenden, dunkelblauen Augen, sah er verwegen und geheimnisvoll aus. Alma mochte Bjarne sehr gern. Er war ihr im Laufe der Jahre zu einem geliebten Freund geworden. Ihn nun aus einer anderen Sicht zu betrachten, war so verwirrend für sie, dass sie sich mit der Ausrede entschuldigte, kurz nach den Mädchen sehen zu wollen. Isgerd, Hjördis und Katla, tauschten wissende Blicke, während sie in sich hinein lächelten. Ja, Alma wollte nie einen Mann, aber immun war sie auch nicht gegen den Charme ihres Bjarnes.
„Schade, dass Brig und ihr Mann nicht mitkommen können.“ wandte sich die Honigmacherin an Valgerd. Diese nickte bedauernd. Ihre jüngste Schwester hatte im vorletzten Herbst den einige Jahre älteren Knochenschnitzer Leifur geheiratet, mit dem sie eine gute Ehe führte. Nach einer Fehlgeburt im Frühjahr nach ihrer Hochzeit, war sie nun wieder guter Hoffnung und auch wenn das Kind erst im späteren Frühling erwartet wurde, wollte Leifur kein Risiko eingehen, dass seine junge Frau dieses Kind durch die Strapazen der Reise verlieren könnte. So war er bei ihr auf Björkö geblieben, denn eine Familie hatte er selbst nicht mehr, die sich, in seiner Abwesenheit, um sein Weib hätte kümmern können.
Sie saßen alle noch eine Weile zusammen, lachten und zogen sich gegenseitig auf, bevor sie sich zur Ruhe begaben. Selten zuvor, waren so viele Menschen über Nacht in dem kleinen Langhaus geblieben, doch die beengten Verhältnisse störten niemanden. Im Gegenteil, sie fanden es sogar recht gemütlich, verteilt auf Matten und Bänken, dicht an dicht zu schlafen.
Mit dem ersten Hahnenschrei, waren alle auf den Beinen. Ylvi noch nervöser und zappeliger, als in den vorherigen Wochen, denn heute sollte es losgehen. Sie konnte es kaum erwarten, die große Stadt zu sehen und fragte Tjark sicher einige dutzend Male, ob er glaube, dass sie auch einen Blick auf König Björn werfen könnte, von dem sie gehört hatte, er ließ sich nur noch selten in der Öffentlichkeit blicken, da er sehr gebrechlich sei. Leicht genervt, rollte Tjark mit den Augen. Auch er hoffte, dass sie schnell nach Uppsala kamen. Aber eher, weil er innerlich betete, die große Stadt machte Ylvi endlich einmal für einen Moment sprachlos, nachdem ihr schnatterndes Mundwerk seit Wochen nicht mehr zur Ruhe kam.
Da die große Gruppe langsamer reiste, als Roald allein mit Leif, wenn sie zum Markt fuhren, brauchten sie gut vier Tage. Während sie tagsüber recht gut vorankamen, froren sie nachts erbärmlich, trotzdem sie sich eng aneinander um die beiden Feuerstellen legten. Sie hofften, dass Halfdr Wort gehalten und genug Unterkünfte für sie gefunden hatte. Roald kündigte die Familien bei seinem letzten Aufenthalt in Uppsala an und Halfdr bestand darauf, dass sein alter Freund Gunnmarr mit Alma und Roalds Familie, in seiner kleinen Hütte schlafen sollten. Sogar seinen Gesellen würde er für diese Zeit ausquartieren, hatte er lachend gesagt, bevor er den Honigmacher und seinen Sohn verabschiedete.
Und Halfdr hielt sein Versprechen. Für Einar und seine Sippe, hatte er Unterkunft bei einem befreundeten Händler besorgt, der die große Familie in einem Nebengebäude unterbrachte, das sonst als eines der Lagerhäuser diente.
Tjarks Wunsch hatte sich erfüllt. Kaum betraten sie die Stadt, stand Ylvis Mund still und offen. Sie bestaunte die vielen Häuser und Menschen, blieb immer wieder fasziniert stehen und musste von Hjördis schließlich an die Hand genommen werden, die das Mädchen hinter sich her zog.
In den kommenden Tagen wechselten die Männer sich am Marktstand ab, damit jeder von ihnen auch genug Zeit hatte, die Tempelanlagen aufzusuchen und den Göttern ihre Opfer zu bringen. Als Roald zum ersten Mal mit Weib, Söhnen, Bjarne und Ziehtochter zu der Anlage im Zentrum ging, riss Ylvi entsetzt die Augen auf und Bjarne unterdrückte nur mit Mühe einen gequälten Aufschrei. In den Bäumen, rund um die drei großen Grabhügel und die Tempel, hingen die Kadaver von Pferden, Schweinen, Schafen, Hühnern, Stieren und allen Tieren, die sie kannten. Auch Tjark starrte die toten Körper an, die an den sich biegenden Ästen, im Wind schaukelten. „Das sind die Opfertiere für die Götter.“ erklärte Roald ihnen „Von jeder Art Tiere, werden neun männliche geopfert und den Göttern als Geschenk gebracht.“
„Aber warum? Warum müssen sie denn sterben?“ Bjarne heulte laut auf. Der Honigmacher erkannte den Schmerz seines Kameraden, der in jedem Tier einen Freund sah.
„Weißt Du, Bjarne, wir erbitten mit diesen Opfern den Schutz und das Wohlwollen von den Göttern. Nicht nur für uns, sondern für alle Menschen und Tiere in Svitjod. Diese Tiere sterben, weil sie ihr Leben für uns alle hingeben.“ aber Bjarne konnte das nicht nachvollziehen, geschweige denn, dass ihn die Erklärung getröstet hätte. Für ihn starben diese Tiere sinnlos. So viel Hunger konnten selbst die Götter nicht haben. Und für ihn gab es, außer um sich zu nähren, keinen Grund, ein Tier zu töten. So fühlte sich der junge Mann auch nicht wohl, wenn die Familie zur Tempelanlage ging und heute dem einen, morgen dem anderen Gott, kleine Opfer erbrachten. Er bat, lieber am Marktstand bleiben zu dürfen und Roald war es recht. So legte Bjarne auch keinen größeren Wert darauf, dem Allthing beizuwohnen und sich die Verhandlungen anzuhören. Neugierig genug wäre er gewesen, vielleicht den König zu sehen. Oder zumindest dessen Sohn Erik, der, wie man munkelte, gemeinsam mit seinem Bruder Olof, stellvertretend für den Vater dem Thing vorsaß. Hätte jemand geahnt, dass Bjarne schon sehr bald dem Thing näher stehen würde, als ihnen allen lieb war, vielleicht wären sie sogar vorzeitig abgereist, um Schlimmstes zu verhindern.
„Es ist schon eine Schande,“ ereiferte sich Halfdr am vierten Abend, als die Familie zusammensaß und das Abendmahl zu sich nahm „da ist der alte König Björn kaum mehr in der Lage zu regieren und sein ältester Sohn Olof, wird den Thron kaum übernehmen können. Alle Hoffnung liegt nun auf Erik, aber er ist jünger und hat keinen Anspruch auf den Thron.“ resigniert schüttelte der Pfannenschmied den Kopf.
„Was ist denn mit Olof?“ fragte Tjark neugierig und ließ sich nicht davon stören, dass Leif ihm gegen das Schienbein trat. „Was bist du, ein neugieriges Waschweib?“ fuhr der Ältere den jüngeren Bruder an. Doch Roald warf Leif einen finsteren Blick zu. Ihn interessierte selbst, was Halfdr damit sagen wollte. Der Pfannenschmied sprach weiter. „Nun, König Björn, so heißt es, liegt im Sterben. Niemand hat ihn seit Monaten zu Gesicht bekommen. Es heißt, mit jedem Tag könnten die Nornen den letzten dünnen Faden seines Lebens durchschneiden. Und dann braucht unser Land einen neuen König. Olof ist vom Gesetz der Thronerbe, aber er leidet selbst an einer Krankheit, ist oft verwirrt, wirkt manchmal wie ein kleines Kind und es heißt, ein jeder könnte Olof schnell beeinflussen. Das ist nicht gut für unser Land, denn ein schwacher König ist angreifbar. Und damit auch ganz Svitjod.“
„Aber Olof hat einen Sohn, sagt man.“ warf nun Gunnmarr ein.
„Das ist richtig,“ seufzte Halfdr „aber der ist gerade so alt, wie die kleine Ylvi. Noch viel zu jung, um an Stelle seines Vaters den Thron zu übernehmen. Wir alle hoffen, dass Erik König wird, wenn Björn in Hels Reich einzieht. Er ist umsichtig und gerecht und vor allem, von gesunder Natur. So anders, als sein Vater und Bruder. Aber es gibt eben die Gesetze und wir alle hoffen, dass, kommt der Tag, an dem ein neuer König gekrönt wird, ein Weg gefunden wurde, den geeigneten Königssohn auf den Thron zu setzen.“
Schweigend hingen die Männer ihren Gedanken nach. Plötzlich hob Halfdr den Kopf, sah zu Alma hinüber, die still auf einer kleinen Bank in der Ecke saß und lächelte. „Mädchen, da sitzt Du nun mit uns Trübsal blasenden Männern zusammen, wo da draußen gefeiert und gelacht wird. Willst Du nicht hinaus und Dir ein wenig Freude gönnen? Bis zum nächsten Opferfest bist du vielleicht schon zu alt, um ausgelassen zu tanzen.“ er lachte dröhnend und Gunnmarr stimmte mit ein. Auch er fand, dass seine älteste Tochter ein wenig Vergnügen verdient hatte. Alma senkte beschämt den Kopf, aber Gunnmarr würde nicht dulden, dass sie bescheiden zu Hause blieb. Er bat Bjarne und Leif, Alma zu begleiten und gemeinsam etwas Spaß zu haben. Die beiden jungen Männer waren begeistert und Alma willigte schließlich ein, mitzukommen. Eher, um den beiden den Spaß zu gönnen, als für sich selbst. Doch kaum waren sie auf dem Festplatz angekommen, auf dem tagsüber die Marktbuden und nun lange Tische und Bänke standen, an denen die Menschen saßen, tranken und lachten, sich zur Musik der Gaukler bewegten, wurde auch sie von der fröhlichen Stimmung gepackt. Als sie sich einem großen Reigen anschlossen, der sich tanzend und springend zwischen den Tischen entlang schlängelte, warf Alma lachend den Kopf nach hinten und Bjarne blieb abrupt stehen, um sie anzustarren, „Du bist die wunderschönste Frau, die ich je gesehen habe!“ stotterte er und wurde rot. Almas Herz machte einen Sprung. Übermütig beugte sie sich vor und küsste Bjarne auf die Wange. „Danke!“ strahlte sie ihn an und der junge Mann errötete noch einen Hauch tiefer.
Am Rande des Festes stand ein Mann mit finsterem Blick. Er hatte den Tölpel gleich entdeckt. Dieses unverkennbare Gesicht würde er nie vergessen. Hass kroch in ihm hoch und als er sah, wie die Frau ihn küsste, knurrte er nur „Warte, Bürschchen, Dir und Deiner Metze wird das Lachen noch vergehen.“
Mit diesen Worten tauchte Notger in der Menschenmasse unter, um sich Bjarne und Alma unauffällig zu nähern und auf seine Chance zu warten.