Читать книгу Der Nornen Knoten - Sylvia Koppermann - Страница 15
Kapitel 8
ОглавлениеGunnmarr hatte Wort gehalten, und so brachte Roald in diesem Frühjahr, von seiner ersten Reise nach Birka, die Wagenräder mit. Sie passten, wie es der Schmied versprochen hatte, auf die Achse und schon bald konnte die Stute das erste Mal vor den zweirädrigen Karren gespannt werden. Sie war von Fjodors Hof bereits gewohnt, gelegentlich Lasten zu ziehen, manchmal auch einen leichteren Pflug, wenn es galt kleinere Bodenflächen für die Aussaat vorzubereiten und in diesem Frühjahr pflügte sie mit Bjarne zusammen sogar die neuen Felder, die die Familie mit Buchweizen, Hafer und Gerste versorgen sollten. Das neue, größere Roggenfeld, würden sie erst im Herbst pflügen und säen. Das Pflügen war sowohl für den Jungen, als auch das Pferd Schwerstarbeit, aber sie schufteten wie besessen, so dass bereits früh ausgesät werden konnte.
Bjarne hatte im Winter fleißig mit seiner guten Mutter, wie er die Stute nun beständig nannte geübt, indem er sie im Ledergeschirr an provisorische Schlitten band, auf die er immer mehr Lasten legte. Es schien fast, als beunruhige die Stute ein wenig, dass der Wagen sich, im Vergleich mit den Schlitten, so viel leichter ziehen ließ. Bjarne redete behutsam auf sie ein und wieder zeigte sich, dass der Junge eine unerklärliche und wundersame Hand für Tiere hatte, denn schon nach wenigen Versuchen ging die Stute folgsam neben ihm, ließ sich führen und zog dabei den Karren, der es nun ermöglichen würde, im Sommer zum Markt nach Uppsala zu gehen.
Auch die Vorbereitungen für die neuen Bienenvölker waren getroffen. Roald erklärte Bjarne, dass es im Frühsommer um so wichtiger wäre, keines der schwärmenden Völker entkommen zu lassen. Zwei weitere Gestelle, die jeweils bis zu zwölf Klotzbeuten aufnehmen konnten, wurden errichtet. Sie stellten sie diesmal südlicher vom Hof auf, näher zum Ufer der Landzunge, umgeben von fruchtbarem Weideland, da Roald die Ansicht vertrat, im Norden schon genug Bienenvölker zu haben, die sich mit den neuen Staaten nicht gegenseitig die Blüten streitig machen sollten. Das würde die Ausbeute an Honig nicht vergrößern, sondern schlimmstenfalls dafür sorgen, dass alle Völker zu wenig Honig einlagern konnten. Die neuen Klotzbeuten standen vor den Gestellen, bereit, umgehend die neuen Völker aufzunehmen, wenn der Honigmacher, Leif und Bjarne sie in den Körben brächten.
Vier Völker hatten den Winter nicht überstanden. Trotz aller Vorkehrungen war Frost in die Bauten eingezogen und hatte den König und seinen Staat erfrieren lassen. Bjarne betrauerte den Tod der Bienenvölker, wie er stets den Tod eines Tieres betrauerte. Es konnte ihn kaum trösten, als Roald ihm versprach, dass die neuen Völker die verstorbenen bald ersetzen würden. Bjarne sah in den Bienen eben mehr als die Grundlage der Existenz seiner Familie. Für ihn waren Lebewesen gestorben, die er als Freunde betrachtete und die er eigentlich beschützen wollte. In seinen Augen waren die Bemühungen, mit denen er geholfen hatte, den Winterschutz über die Bienenstöcke zu legen, nicht ausreichend gewesen und so war er einige Tage gefangen in Trauer und eigenen Schuldzuweisungen. Doch die vielen Vorbereitungen für die neuen Bienenvölker erlaubten ihm nicht, lange zu trauern. Er verstand, dass die Arbeit nicht liegen bleiben durfte und so werkelte er verbissen an den neuen Gestellen mit, brachte mit dem Wagen die Beuten und trainierte auf diese Weise teilweise die Stute, die den Wagen zog. Zumindest auf Wegen, die breit genug waren und ein Fahren mit dem Wagen ermöglichten. Für schmale Pfade nahmen sie den Handkarren.
Ylvi war in den Monaten des Winters und nun im Frühjahr so kräftig gewachsen, dass Tjark neben ihr fast zart wirkte. Seit einigen Wochen trank sie immer seltener von der Stutenmilch. Hjördis bereitete ihr nun mehrmals am Tag einen feinen Brei aus Haferschleim, in den sie etwas Honig und gelegentlich ein Ei rührte. Unter dieser Kost nahm Ylvi ordentlich an Gewicht zu, auch wenn sie einige Tage brauchte, um sich an die festere Nahrung zu gewöhnen. Anfangs würgte sie noch und verschluckte sich häufig, doch schon bald wollte sie überhaupt keine Milch mehr oder bestenfalls als Beigabe, um den Brei herunterzuspülen. Das kleine Mädchen begann nun auch schon allein zu sitzen, robbte immer wieder von den Fellen, auf die es von Hjördis gelegt wurde und hielt die ganze Familie in Atem, wenn es schneller davon gekrochen war und sich gerade an etwas zu schaffen machte, als man es ihm zutraute und an dem es eigentlich nichts zu suchen hatte. Regelmäßig hechteten die Jungen oder auch Roald und Hjördis hinter ihr her, um sie davon abzuhalten, etwas umzuwerfen und sich weh zu tun. Einmal krabbelte Ylvi auf den Wassereimer zu und begann sich daran hochzuziehen. Gerade stand sie stolz auf ihren dicken Beinchen, hielt sich an der Kante des Eimers fest, als dieser kippte. Ylvi plumpste auf das Hinterteil und das Wasser schwappte heraus, ergoss sich über das kleine Mädchen, das für einen Bruchteil eines Augenblicks erst verblüfft schaute und dann in erschrockenes Weinen ausbrach. Lachend nahm Hjördis das tropfende Kind auf den Arm und trug es zu den Fellen, um es zu trocknen und umzuziehen. Auch Tjark war an der Seite seiner Mutter und versuchte verzweifelt Ylvi zu trösten. Er liebte die Kleine so sehr, fühlte sich wie ein Beschützer für sie und konnte es gar nicht verkraften, wenn sie traurig war. So achtete er fortan noch mehr auf das Mädchen und wenn man Tjark suchte, wusste man, dass er dort war, wo auch Ylvi gerade wieder abenteuerlich neuen Schabernack ausheckte. Aber es beruhigte die Erwachsenen auch zu wissen, dass Tjark die Kleine praktisch nie aus den Augen verlor. Hjördis hatte in dieser Zeit ebenfalls viel zu tun und die Arbeiten stets unterbrechen zu müssen, um den kleinen Wirbelwind Ylvi wieder einzufangen, war nicht sehr förderlich. Dadurch wurde ihr Tjark schon eine wichtige Unterstützung in der Beaufsichtigung des Babys.
Roald, einerseits stolz, dass Tjark sich so um Ylvi kümmerte, lachte oft und scherzte, dass in ihm vielleicht doch ein Mädchen verloren gegangen sei, so wie er die Ziehschwester bemutterte. Und eines Abends bog sich die gesamte Familie vor Lachen, als Ylvi friedlich in ihrer Wiege schlummerte und der dreijährige Tjark altklug am Tisch saß, den Kopf schwer in die Hände stützte und kopfschüttelnd jammerte, es sei fast unmöglich, das kleine Mädchen zu bändigen und er hätte es sich nie vorstellen können, wie anstrengend es sei, Kinder zu haben.
Bereits im Frühjahr wurde eine kleinere Menge Honig geerntet. Roald erklärte Bjarne, dass der Honig nun noch nicht reif sei, sich aber gerade deshalb für das Ansetzen von Met eignete. Bei dieser Ernte war Bjarne nicht dabei, denn er lag mit einer schlimmen Magenverstimmung darnieder. Mehrere Tage übergab er sich immer wieder und hatte schlimme Leibschmerzen, so dass Roald und Hjördis sich bereits sorgten.
Mit Kräutertees und indem sie Bjarne Bettruhe verordnete, gelang es Hjördis recht schnell, den jungen Mann wieder gesund zu pflegen. So konnte er zwar nicht bei der ersten kleinen Honigernte dabei sein, jedoch Hjördis zuschauen, wie sie den Met ansetzte.
Roald hatte, um bei der Honigverarbeitung nicht zu viele Fliegen und andere Insekten anzulocken, die dann im Honig kleben blieben und ihn verunreinigten, einen eigenen kleinen Stall gebaut, der nahe der Esse stand. Die Wände dieses Stalls waren aus eher dünnen Brettern gebaut, deren Ritzen mit Heu und Pferdedung abgedichtet wurden. Das Dach bestand aus Binsen, die in Bündeln und schichtweise, versetzt zu einer regendichten Matte gebunden waren. Hier war es nicht so kühl, wie im Grubenhaus, sondern fast genauso warm, wie draußen, was die Verarbeitung des Honigs erleichterte, der umso flüssiger wurde, je wärmer es war. Der Hauptvorteil lag jedoch darin, dass sich im Stall weniger Insekten einfanden. Zumindest, wenn alle immer penibel darauf achteten, die Tür geschlossen zu halten.
In hölzernen Fässern versetzte Hjördis dort den unreifen Honig, den sie zuvor einige Tage auf Stäben, die sie über die Ränder von Schalen legte, aus den Waben tropfen ließ, mit Wasser. Lose abgedeckt mit Brettern konnte das Gemisch nun vergären. Sie betonte dabei, wie wichtig es sei, dass der zukünftige Met an einem ruhigen Platz und möglichst warm stünde. Immer wieder streckte sie die gärende Flüssigkeit mit etwas mehr Wasser und erhielt schließlich eine ansehnliche Menge Met, der jedoch nicht von der Familie getrunken werden würde. Zwar hob sie immer ein paar wenige Fässer für alle Fälle auf, meist jedoch tauschte Roald ihn in Birka für nötige Waren. Und in diesem Jahr galt es zudem schließlich auch, noch einige Fässer Met für Valgerds Hochzeit anzusetzen.
„Wir selbst trinken den Met nicht so gern, wie mit Honig versetztes Bier.“ erklärte Hjördis Bjarne, der sie fragte, warum sie denn all den Met verkaufen oder eintauschen würden „Wenn ich Bier braue, lasse ich darin gleich reifen Honig mit vergären. Das schmeckt uns besser und macht auch nicht ganz so dumm im Kopf, wenn man gelegentlich einen Becher mehr davon trinkt.“ sie lächelte Bjarne an, der nicht verstand, was sie damit meinte. Er hatte schließlich noch nie einen Schwips gehabt, da er nie mehr als einen oder zwei Becher von Hjördis Honigbier getrunken hatte. So erklärte sie dem jungen Mann, dass sowohl im Bier, noch mehr aber im Met etwas sei, was die Menschen schwindelig im Kopf werden und alberne Dinge tun ließ, die sie sonst nie machen würden. „Manche Menschen werden auch garstig, wenn sie zu viel getrunken haben. Sie prügeln sich dann. Aber zum Glück verhält sich nicht jeder so. Viele trinken einfach nur so lange und so viel, dass sie torkeln, das Gleichgewicht verlieren und kaum mehr heim gehen können.“ erschrocken starrte Bjarne Hjördis an.
„So wird man, wenn man zu viel Bier oder Met trinkt?“ fragte er und riss die Augen entsetzt auf. Hjördis nickte und Bjarne versicherte, dass er niemals so viel trinken werde. „Ich weiß, ich bin dümmer, als viele andere Menschen. Da will ich nicht auch noch schwindelig werden oder nicht mehr selbst gehen können.“ beschied er entschlossen.
„Bjarne, Du bist ein guter Junge, fast schon ein Mann,“ lächelte sie ihn an „und auch, wenn Du Manches eben auf Deine eigene Weise tust, bist Du in meinen Augen nicht dumm. Schau, Du bist immer so selbstlos, machst Dir um die, die Du liebst, so viele Gedanken, bemühst Dich alles dafür zu tun, dass sie es gut haben und denkst dabei nie an Dich. Ich kenne nicht viele Menschen, die das tun, obwohl das eine Eigenschaft ist, die einfach nur bewundernswert ist. Außerdem bist Du fleißig und ich glaube, dass ich noch nie einen Menschen kennen gelernt habe, der ehrlicher und selbstkritischer war, als Du. Wenn Du also glaubst, dumm zu sein, dann würde ich mir wünschen, dass die Welt voller dummer Menschen ist, denn dann gäbe es weniger Hass und Zwietracht, dafür mehr Mitgefühl.“
Bjarne stand da und versuchte zu begreifen, was Hjördis ihm gesagt hatte. War er nicht zeitlebens immer der verachtete, dumme Tölpel gewesen? Und nun stand die Honigmacherin vor ihm und beteuerte, dass genau das, wofür andere ihn stets verlacht hatten, seine wertvollsten Eigenschaften waren. Ein Gedanke regte sich in ihm, den er nicht richtig ausformulieren konnte, der ihm aber ein seltsam beruhigendes Gefühl vermittelte. Mochte er auch in einigen Dingen als dümmer angesehen werden, verlieh ihm eben genau das Eigenschaften, die jene, die ihn verhöhnten, nie erlangen würden. Er hatte meist gelernt, an sich selbst zu zweifeln, aber zu wissen, dass es Menschen gab, die an ihn glaubten, läutete etwas in ihm ein. Nur langsam kam es in Fahrt und würde noch viele Höhen und Tiefen erklimmen müssen, bis es herangereift war, um selbstsicher an die Oberfläche zu kriechen. Ein Umdenken hatte begonnen, ein Glaube an sich selbst, der noch zart keimte, aber hoffentlich irgendwann zu einer Knospe und später einer kräftigen Pflanze heranwachsen würde.
Die Zeit des Schwärmens stand bevor. Nahe den Bienenstöcken standen genug Körbe bereit, um gewappnet zu sein, wenn mehrere Völker gleichzeitig ausschwärmen würden. Bereits im Morgengrauen, bis zum Sonnenuntergang, saßen Roald, Leif und Bjarne auf kleinen Holzschemeln und beobachteten die Klotzbeuten. Mit den ersten Anzeichen, dass der Schwarm ausfliegen wollte, schoben sie den Korb über das Ausflugloch und hielten ihn manchmal über einige Stunden fest, bis sie sicher sein konnten, der ganze Schwarm und sein junger König waren darin. Der Honigmacher und sein Sohn liebten diese Arbeit nicht besonders, ging sie doch stets mit einigen Bienenstichen einher. Die Insekten fühlten sich bedroht und griffen an. Nur Bjarne blieb, wie durch ein Wunder verschont. Es schien, als sähen die Bienen in ihm keine Gefahr, obwohl er doch die gleichen Handgriffe machte, wie alle anderen, den Stöcken ebenso nah kam und nichts anderes tat, als Roald und Leif.
„Bjarne scheint wirklich eine besondere Gabe mit Tieren zu haben.“ stellte der Honigmacher fast neidisch am zweiten Abend der Schwarmzeit fest, als Hjördis die Stiche an seinem Körper mit lindernder Salbe betupfte.
Waren die Schwärme erst einmal im Korb, luden sie sie auf den Wagen und fuhren sie zu den neuen Unterständen im Süden. Leif blieb für den Transport auf dem Wagen und achtete darauf, dass die Deckel, die sie auf die Korböffnung gebunden hatten, nicht herunter fielen und der Schwarm womöglich doch noch entkam. Einige Stunden standen dann die Körbe mit den neuen Völkern noch vor den Klotzbeuten, die zu ihrem Zuhause werden sollten, damit die Bienen sich nach dem Transport beruhigen konnten. Erst am späteren Nachmittag, manchmal auch gegen Abend, setzte Roald schließlich die Körbe nacheinander auf die ausgehöhlten Baumstämme, klopfte das Bienenvolk aus dem Korb so heraus, dass es in die Beute fiel und verschloss diese dann. Gemeinsam wuchteten sie die Klotzbeute liegend auf die Gestelle und ließen die Fluglöcher bis zum Morgen noch verschlossen. Roald wollte nicht riskieren, dass die Bienen in ihrer Unruhe noch einmal ausflogen und flohen. Über Nacht hatten die Bienen sich dann beruhigt und wenn sie am Morgen die Fluglöcher frei legten, schien es meist, als sei das Bienenvolk nie an einem anderen Ort gewesen, als in diesem neuen Bau.
Trotz aller Bemühungen schafften sie es dennoch nicht, alle Schwärme zu erwischen. Achtzehn Schwärme konnten sie jedoch einfangen. Nachdem sie vier Völker im alten Unterstand untergebracht und damit die im Winter verlorenen Völker ersetzt hatten, waren es noch fünf weitere neue Bienenvölker, die im alten Unterstand blieben, da sich bereits abzeichnete, die Könige von eben fünf Staaten würden diesen Sommer nicht überleben. Sie waren bereits zu alt, um im nächsten Jahr noch einmal ihr kleines Königreich des Honigs zu regieren.
Die neun neuen Völker, am südlichen Standort, würden in diesem Jahr noch keine Honigernte einbringen. Sie mussten erst einmal für sich selbst Vorräte ansammeln. Roald war freudig überrascht, seine Bienenvölker so vermehrt zu haben. In den Jahren zuvor, waren ihm einfach zu viele Schwärme entkommen, da er nicht genug Hilfe hatte. Leif war noch zu klein und Hjördis konnte nicht den ganzen Tag bei den Bienen bleiben, da auf dem Hof viel zu tun war.
Es war ein warmes und überwiegend trockenes Frühjahr. Regen fiel zwar regelmäßig, aber gerade nur so, dass er ausreichte, um die Vegetation nicht vertrocknen zu lassen. So wechselten sich die Blütenstände ab und die Bienen hatten beständig zu tun. Einige Tage nach der Sommersonnenwende, kam die Zeit der großen Honigernte. Wieder, wie Roald Bjarne bereits im Herbst gezeigt hatte, entfachte er ein kleines Feuer, an dem Bündel getrocknetes Heu und noch leicht feuchtes Reisig angezündet wurden. Bjarne stand dicht bei Roald, der den Rauch um die hintere Verdeckelung verteilte und hielt ein Fass aus einem ausgehöhlten Baumstamm. Dort hinein, legte der Honigmacher die vollen und mit Wachs verdeckelten Honigwaben, von denen er nur jeweils einige dem hinteren Teil der Klotzbeuten entnahm. Nicht zu viele, um den Bienen genug Nahrung zu lassen.
Mit jedem Bienenstock, den sie beernteten, bedankte sich Bjarne bei den Bienen. Es war fast, wie eine Art monotoner Singsang, mit dem er seine Ehrerbietung und Dankbarkeit an den Bienenkönig und sein Volk aussprach. Und so ungewöhnlich dies Roald anfangs auch empfand, konnte er nicht anders, als anerkennend zuzugeben, dass eben gerade der Tonfall Bjarnes, eine beruhigende Wirkung auf die Bienen zu haben schien, die weniger aggressiv bei der Ernte wirkten.
„Du hast wirklich eine gute Hand mit den Bienen. Sie stechen viel seltener, als sie es sonst bei mir tun.“ anerkennend klopfte der Honigmacher dem jungen Mann auf die Schultern, als sie gerade wieder einen mit Honigwaben gefüllten Stamm auf den Wagen luden.
„Ja, ich glaube, die Bienen wissen nun, dass ich ihr Freund bin und ihnen nichts tue.“ strahlte Bjarne Roald an.
Nach der Ernte begann die eigentliche und schwerste Arbeit. Waben und Honig mussten getrennt werden. Zunächst schälten sie vereinzelte Brutzellen heraus und kratzten mit einem Messer die Wachsdeckel von den Waben, die sie dann auf zwei Äste, über die Ränder von Holzschalen legten. In der Nacht stellte Hjördis ein Kohlebecken in der Mitte des Stalls auf, damit es nicht zu kühl wurde und der Honig schneller aus den Waben floss. Am nächsten Tag wurden die Waben gewendet. Diese Prozedur wiederholten sie, bis annähernd der ganze Honig aus den Waben geflossen war. Der Honig aus den Schälchen wurde schließlich durch ein gewebtes Tuch gefiltert und gereinigt, um dann in verschiedene kleine und größere, selbst gefertigte Holzgefäße abgefüllt zu werden. Die Deckel aus einer Holzscheibe dichtete sie mit Wachs ab. Überhaupt verwendete Hjördis oft Wachs, um die Deckel von Vorräten abzudichten. So wurden die Lebensmittel haltbarer, denn es konnten keine Luft oder Dinge eindringen, die die Nahrung verderben würden.
Die aufwändigste Arbeit war jedoch die Reinigung des Wachses. Da dies allerdings bei den christlichen Fernhändlern so begehrt war und somit besonders wertvoll getauscht werden konnte, achtete die Familie peinlich genau darauf, es gründlich zu reinigen und eine gute Qualität zu bekommen. In einem großen Kessel, der bereits seit Generationen im Besitz der Familie war und schon einige Male geflickt werden musste, erhitzte Roald Wasser. Dort hinein gab er die nun leeren Waben, die unter der Hitze zu schmelzen begannen. Beim Schmelzen trennten sich Verunreinigungen vom eigentlichen Wachs. Der Honigmacher musste gewissenhaft darauf achten, dass die Hitze stark genug war, das Wachs zum Schmelzen zu bringen, es jedoch nicht zu heiß wurde oder gar zu wenig Wasser unter dem Wachs schwamm, um es nicht verbrennen zu lassen. War das Wachs im Wasser vollständig geschmolzen, holte Roald Baumstammfässer heran über die Hjördis locker ein Tuch legte, so dass sich eine Mulde bildete. Mit einer Schnur umwickelte sie das Fass, so dass die Kanten des Tuchs festgehalten wurden und nicht ins Fass rutschen konnten. Mit einer großen Schöpfkelle füllte sie schließlich das Gemisch aus heißem Wasser, geschmolzenem Wachs und Verunreinigungen, filterte so alle gröberen Verunreinigungen heraus und in das Fass selbst floss nur noch das Wasser und flüssige Wachs. Jetzt musste die Masse in Ruhe erkalten. Dabei erstarrte das Wachs und schließlich konnte es als dicker Klotz aus dem umgestülpten Fass herausgeschlagen werden. Letzte, kleinere Verunreinigungen hatten sich in einer Schicht am Boden abgesetzt und wurden, in einem letzten Arbeitsgang, vom Wachsblock geschält. Zurück blieb ein schwerer goldgelber Klumpen gereinigten Wachses, der verlockend nach Honig duftete und auf dem Markt ein wertvolles Handelsgut sein würde.
Aus zwei großen Wachsklumpen zog Hjördis schließlich Kerzen. Wie auch im Winter, hatte sie Dochte aus der fetten Unterwolle der Schafe geflochten, die sie an dünne, aber stabile Äste band. Immer wieder tauchte sie nun die Dochte in das zähflüssige Wachs und mit jedem Tauchgang wurde die Wachsschicht an den Dochten dicker. Die fertigen Kerzen, es waren etwas mehr als zehn Dutzend, legte sie, in Tücher gewickelt, in eine Holzkiste. Auch sie würden auf dem Markt verkauft werden.
In der Zeit, die der Verarbeitung von Honig und Wachs galt, lag ein beständiger Honigduft über dem Gehöft und lockte viele Insekten, aber auch Dachse an, die sogar versuchten, in den kleinen Stall einzubrechen. So legte Leif Fallen aus Schlingen aus, die er mit kleinen Resten von Honigwaben bestückte. Bjarne fand dies anfangs ungerecht den Tieren gegenüber, jedoch erklärte Leif ihm, dass Dachse sich selten nur ein bisschen nahmen, sondern oft regelrecht wüteten, immer wieder kamen und mit wachsender Gier auch die Hühner angreifen konnten. Nein, das wollte Bjarne nun auch nicht. Er war, obwohl er nach wie vor nicht wirklich mochte, wurden Tiere getötet, dann aber sogar etwas versöhnt, als Hjördis ihm versicherte, dass sie aus den Fellen der Räuber warme Handschuhe und Stiefel für Tjark und Ylvi machen würde, damit diese im Winter draußen nicht frieren mussten.
„Wer stiehlt, wird bestraft. So ist das Gesetz.“ war sein einziger Kommentar, als er einige Wochen später an den sechs frisch gegerbten Dachsfellen vorbei ging, die über einer Holzstange neben dem Grubenhaus hingen „Ihr wolltet stehlen, so dass meine neue Familie hätte Hunger leiden müssen, nun werdet ihr sie eben zur Strafe wärmen. Das sollen ruhig alle Eure Dachsfreunde sehen, damit sie nie wieder auf die Idee kommen, bei uns etwas rauben zu wollen.“
Es war ein wunderbar sonniger Augustanfang in diesem Jahr. Vor wenigen Tagen hatten sich Roald und Hjördis einen Überblick verschafft, was alles auf dem Markt in Uppsala angeboten werden konnte. Auf den neuen Wagen würde mehr als das Dreifache von dem passen, was Roald sonst mit einer Fuhre auf dem Handkarren zu den Märkten der Umgebung, Birka auf Björkö oder Västra Aros, bringen konnte.
„Wenn es stimmt, dass wir all unsere Waren auf einmal in Uppsala verkaufen können, bräuchte ich in diesem Jahr nicht noch einmal zu einem anderen Markt.“ nachdenklich rieb er sich das Kinn „Ich sollte vielleicht in den nächsten Tagen zu Gunnmarr übersetzen und ihm bringen, was er noch für Valgerds Hochzeit braucht, um danach mit Bjarne in die Stadt unseres Königs aufzubrechen.“
Seine Frau stimmte zu. „Vielleicht könntest Du einen Teil dessen, was wir benötigen, in Västra Aros kaufen. Es wäre ein größerer Umweg, das ist mir bewusst. In Uppsala bringen unsere Waren mehr Gewinn, aber ebenso werden die Dinge, die wir brauchen, auch teurer sein.“ nachdenklich sah sie ihren Mann an.
„Du hast Recht.“ nickte Roald eifrig „Wenn wir teurer verkaufen, trotzdem günstiger einkaufen, machen wir mehr Gewinn. Kommen wir gut durch, könnten wir es in drei bis vier Tagen nach Uppsala schaffen. Fünf bis sechs Tage rechne ich, um unsere Waren zu verkaufen. Der Wagen wird auf dem Rückweg wesentlich leichter sein, so dass wir von Uppsala nach Västra Aros vielleicht nur sieben oder acht Tage brauchen. Es wird nicht lange dauern, bis ich alles gekauft habe, was wir benötigen, so dass ich dort vielleicht zwei Tage Aufenthalt einrechnen müsste. Weitere fünf Tage für den Rückweg nach Hause, dann wären wir in drei bis vier Wochen wieder hier. Valgerds Hochzeit ist in knapp zwei Monaten. Bjarne und ich wären also rechtzeitig zurück, um mit Euch zur Hochzeit gehen zu können.“
Hjördis fuchtelte wild mit den Händen, während sie kopfschüttelnd erklärte, dass sie auf keinen Fall das Risiko eingehen würde, mit Tjark und Ylvi über den See zu setzen. „Was, wenn wir kentern? Die Kleinen und Bjarne können noch nicht schwimmen.“ brachte sie aufgeregt hervor „Wir könnten vielleicht die Kleinen retten, aber weder Du noch ich, könnten gleichzeitig mit einem der Kinder und Bjarne im Schlepp schwimmen.“
Roald musste seinem Weib Recht geben. Dennoch würde er alles daran setzen, gemeinsam mit der ganzen Familie zu Valgerds Hochzeit zu reisen. Es war Zeit, Tjark das Schwimmen beizubringen. Und bei dieser Gelegenheit sollte auch Bjarne es lernen.
So brach er am nächsten Tag auf, um Gunnmarr die beiden noch fehlenden Fässer Met und das von Hjördis gewebte Tuch zu bringen. Bereits am nächsten Tag kehrte er zurück und verkündete, in zwei Wochen nach Uppsala aufbrechen zu wollen. In der Zeit bis dahin sollten Bjarne und Tjark schwimmen lernen.