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Kapitel 7

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Winter 960/961

Schnee deckte das Land zu, als wolle er Menschen und Tiere zum Schlaf betten. Die Tage waren lang. Erst spät erwachte der Tag und blieb nur wenige Stunden. Es gab nicht viel zu tun wenn das Vieh versorgt war. Meist beschäftigten sich die Männer in den Tagesstunden mit dem Aushöhlen der neuen Bienenklötze. Dabei wärmten sie sich an der kleinen Esse, an die die Werkstatt gebaut war. Schon bald hatte Bjarne genug Geschick, ganz ohne Hilfe von Roald oder Leif, einen Klotz auszuhöhlen und den Deckel anzupassen. Die Arbeit bereitete ihm Freude und mit jedem fertigen Klotz, den er zu den Anderen stellte, kommentierte er vergnügt „Noch ein wunderschönes Haus für meine Freunde, die Bienen.“

In den dunklen Tagesstunden saßen sie gemeinsam um Kohlebecken im Langhaus und schnitzten an hölzernen Gefäßen in unterschiedlichen Größen. Das Klappern des Webstuhls, an dem Hjördis Abend für Abend saß, klang wie ein fröhlicher Takt und untermalte die Erzählungen des Honigmachers, der von den Taten der Götter berichtete, während die Jungen immer wieder staunend, mit offenen Mündern, seinen Geschichten folgten und dabei ganz ihre Arbeiten vergaßen.

Ylvi lag auf einem dicken Fell und beobachtete die Familie, während sie fröhlich gluckste und lustige Laute von sich gab. Ihre kleinen, nun schon dicklichen Beinchen, versuchten sich dabei in den Pelz zu stemmen, so dass der Po sich hob und das kleine Mädchen machte wippend, mit Speichel prustend, seine Faxen. Selbst Leif konnte sich dann ein Lächeln nicht verkneifen.

Einige Tage war Hjördis damit beschäftigt, einen Klumpen Wachs immer wieder einzuschmelzen und dünne Dochte hinein zu tauchen, die sie aus der fettigen Unterwolle der Schafe geflochten hatte. Bjarne kannte Kerzen, aber er hatte nie gesehen, wie sie hergestellt wurden. Svea ließ sich die Kerzen, die sie in den Nächten nach der Wintersonnenwende Nacht für Nacht abbrannten, von Fjodor auf dem Markt kaufen. „Wer bin ich? Eine Bauersfrau, dass ich mich mit einer solch niederen Arbeit befasse? Eine Herrin zieht ihre Kerzen nicht selbst, sie kauft sie von denen, die es nötig haben.“ war stets ihre Antwort, wenn Fjodor ermahnte, sie könne die Kerzen auch selbst herstellen. Als Bjarne eines Tage von Sveas Einstellung erzählte, lachte Hjördis nur. „Nun, für uns ist es ein Glück, dass es Frauen wie Svea gibt. So verdienen wir noch etwas dazu.“

Einen Teil der fertigen Kerzen wickelte die Frau des Honigmachers in Leinentücher und lagerte sie in dem Schuppen, in dem alle Produkte der Bienen, die auf den Märkten verkauft werden sollten, aufbewahrt wurden. Zwölf Kerzen legte sie im Langhaus zur Seite. Diese würden sie selbst in den Rauhnächten abbrennen. Weitere je zwölf Kerzen wickelte sie ebenfalls in Tücher. Eines dieser Pakete legte sie zu den fertigen Stoffen, die sie bereits für Valgerd gewebt hatte. Das letzte Paket wanderte in eine Kiepe, einen großen Korb, den man mit Gurten auf dem Rücken trug. Kurz vor der Wintersonnenwende füllte Hjördis die Kiepe mit einigen Nahrungsmitteln. Ein halbes Dutzend Äpfel, getrocknete Linsen, einen kleinen Leinensack mit Hafer, ein hölzernes Fässchen Butter, etwas Käse, getrocknete Fische und Streifen gedörrtes Kaninchenfleisch. Obenauf, behutsam in ein Leinentuch gewickelt, lagen dunkle Fladen, die ein wenig an Brot erinnerten, das mit Honig gesüßt war.

Sobald es hell und das Vieh versorgt war, brach die Familie auf. Roald hatte Bjarne eigens Schneeschuhe angefertigt, wie sie alle anderen Familienmitglieder besaßen. Aus biegsamen Zweigen formte er dazu ein Oval, dessen Ränder er in der Mitte durch ein Gitter aus geflochtenen Binsen verband. Da Hjördis die kleine Ylvi, in dickes Tuch gewickelt, vor der Brust trug, übernahm Bjarne die Kiepe. So stapfte die Familie des Honigmachers zu Stig und Gudrun.

Das alte Paar lebte auf einem kleinen Hof, nur etwa zwei Meilen nordöstlich. Sie waren kinderlos. Die Götter hatten es so gewollt. Und jetzt, im Alter, fiel es ihnen zunehmend schwerer, die nötigen Arbeiten zu verrichten, um überleben zu können. Aus diesem Grund halfen Roald und Hjördis den alten Menschen oft. Ob es nun bei der Heuernte war, der Schur der beiden Schafe, oder dem Einlagern von Vorräten.

Es war ein anstrengender Marsch durch die weiße Winterwelt, und trotz ihrer Schneeschuhe, sanken sie immer wieder tiefer ein, als ihnen lieb war. Gegen Mittag lag schließlich der winzige Hof vor ihnen. Das Haupthaus war kaum größer als eines der Stallgebäude auf Fjodors Hof, stellte Bjarne erstaunt fest. Und nur ein einziger, winziger Schuppen stand dort, der gegenüber dem Eingang des Wohnhauses lag. Unter der Schneedecke konnte man den Verlauf eines nicht besonders großen Pferch sehen. Die Spitzen der Zaunpfähle wölbten sich aus dem Schnee. Dicker Rauch quoll aus der Dachöffnung und versprach wohlige Wärme, nach dem langen Fußmarsch.

Als sie fast am Haupthaus angekommen waren, öffnete sich die Tür und Stig trat heraus. Überrascht von dem unerwarteten Besuch, strahlte er übers ganze Gesicht und rief nach seinem Weib. „Geht hinein und wärmt Euch. Da wird Gudrun sich freuen, Euch alle zu sehen! Ich hole nur rasch Feuerholz.“ ohne ein weiteres Wort schloss Leif sich dem alten Mann an, um ihm tragen zu helfen.

Gudrun und Stig freuten sich so sehr über den Besuch, dass sie an diesem Tag nicht aufhören konnten, zu strahlen. Die mitgebrachten Geschenke aus der Kiepe verstaute Gudrun sorgfältig bei den Vorräten. Sie würden ihnen zum Wintersonnenwendfest Festmahle bereiten. Am Abend saßen alle in fröhlicher Runde zusammen und Stig erzählte von einer großen Fahrt, die er als junger Mann unternommen hatte. Als jüngerer Sohn einer großen Familie, hatte er keinen Anspruch auf den Hof der Eltern. Um sich Land leisten zu können, schloss er sich einer Gruppe junger Männer an, die unter einem Schiffsbesitzer die südliche Ostseeküste unsicher machte und Dörfer überfiel, um sich so ein wenig Kapital zu beschaffen, mit dem sie sich in der Heimat eine Existenz aufbauen konnten. Bei einer ihrer Fahrten stießen sie auf ein Schiff das fromme Christenmönche transportierte. „Ihr glaubt es nicht, aber die sahen nicht so aus, wie diese braun bekittelten Hungerleider, die hier auf den Märkten predigen, dass wir ins Fegefeuer kommen, wenn wir ihren einzigen Gott nicht verehren. So edles Tuch, wie das, in welches einer von ihnen sich kleidete, habe ich selbst bei unserem König nicht gesehen. Prunkvoller, als ein Weib und behangen mit Juwelen, kroch diese weibische Schande eines Mannes auf Knien herum und winselte, wir sollten ihn verschonen, wenn unser Seelenheil uns lieb sei, denn sonst müssten wir uns am Tag des jüngsten Gerichts in der Hölle verantworten, wo wir tausend und abertausend Qualen zu erleiden hätten.“ laut lachte der alte Mann und kratzte sich am dünnen, bereits schlohweißen Bart „Dem habe ich sein jüngstes Gericht gegeben! Demütig und arm, wie die Mönche es predigen, habe ich ihn vor seinen Gott treten lassen.“ nun stimmten alle in das Lachen mit ein.

Der Aufbruch am nächsten Tag war heiter, wenn auch mit ein wenig Traurigkeit durchzogen. Die alten Leute mochten die Familie des Honigmachers sehr und hätten sich über ein paar Tage mehr ihrer Gesellschaft gefreut. Aber sie wussten auch, dass der Hof von Roald nicht länger allein bleiben konnte. Das Vieh musste versorgt werden und der Vorrat an Stutenmilch, den sie für Ylvi mitgenommen hatten, ging der Neige zu.

Die Wintersonnenwende nahte und Hjördis putzte das Langhaus, bis sogar der festgetretene Lehmboden zu glänzen drohte. Die elf Tage, die zu den zwölf Rauhnächten gehörten, verbrachte man nicht mit Arbeit. Das ganze Jahr über, war Faulheit und Müßiggang verpönt, jedoch in diesen Tagen fast ein Muss, um sich zu besinnen, von was man im kommenden Jahr hoffentlich nicht betroffen sein würde.

Auch auf Fjodors Hof hatten in den Rauhnächten Kerzen gebrannt, aber niemand erklärte Bjarne den Grund. Auch musste er in den Tagen nicht weniger schuften, als sonst. Und da Svea und Notger im ganzen Jahr über die Arbeit den Knechten und Mägden überließen, konnte er auch nicht mehr Müßiggang bei ihnen erkennen, als sonst. Nun stand der junge Mann staunend vor den zwölf geschnitzten Figuren, die Hjördis im Halbkreis auf der steinernen Platte platzierte. Zwei eiserne Schalen standen in der Mitte der Figuren. In einer befanden sich eng gebundene Kräuter und Harze, auf einem kleinen Stück Holzkohle. Eine der Kerzen, die Hjördis vor wenigen Wochen gezogen hatte, stellte sie in die andere Schale. Die Figuren waren meisterlich gefertigt und stellten Szenen dar, die fast angsteinflößend wirkten. Ehrfürchtig traute Bjarne sich nicht, das Holz, aus dem sie geschnitzt waren und das durch seine dunkle Verfärbung anzeigte, bereits viele Jahre alt zu sein, zu berühren. Belustigt betrachtete der Junge den geschnitzten Bauern, der in einem Getreidefeld schlief, dessen Ähren bereits viel zu hoch wuchsen oder den Mann, der gierig Güter in die Falten seines Hemdes schob, während das Gewicht seines Gewands ihn bereits zur Hälfte im Boden versinken ließ. Bjarnes Blick wanderte weiter und er erschrak. Ein wütender Mann, mit zornigem Gesicht, stand mit einem Knüppel da. Zu seinen Füßen Frau und Kinder, von ihm erschlagen. Wieder eine andere Figur zeigte einen Mann und eine Frau, die mit ausgebreiteten Armen einander zugewandt waren, während im Hintergrund eine Frau weinend am Boden kniete und ein Mann, mit erhobenem Speer, auf das Paar zustürmte. Leif bemerkte Bjarnes Entsetzen.

„Die Figuren sind sehr schön, nicht wahr? Der Vater des Vaters meines Vaters, hat sie vor vielen Jahren geschnitzt. Seither sind sie im Besitz unserer Familie.“ stolz nickte der Junge. Bjarne konnte den Blick noch immer nicht von den Figuren abwenden. Sie faszinierten ihn und jagten gleichzeitig Schauer über seinen Rücken. „Aber warum zeigen sie so böse Menschen?“ fragte er ungläubig.

Roald, der die Jungen beobachtet hatte, kam näher und stellte sich neben Bjarne. Er deutete auf die Figuren. „Jede von ihnen stellt eine Untugend dar. Zwölf an der Zahl. Da ist die Feigheit, Gier, Faulheit,“ Roald zeigte nacheinander auf alle Figuren „Stolz, Neid, Zwietracht, Betrug, Unglaube, Torheit, Jähzorn, Ehebruch und die Völlerei.“ Bei der letzten Figur lag ein so fetter Mann, dass er sich selbst kaum mehr bewegen konnte, in einem Stuhl und ließ sich von mehreren Frauen aus großen Schüsseln füttern „Vor all diesen Untugenden erhoffen wir, verschont zu bleiben.“ Roald erklärte Bjarne, dass sie in den Rauhnächten ganz besonders dieser Untugenden gedachten und Hel, die Göttin und Herrin über die Welt der Toten, Helheim, baten, die Familie in den kommenden zwölf Monaten vor eben dem zu beschützen. In jeder Nacht, wenn eine der Kerzen brannte und das Räucherwerk glimmen würde, nahm man eine der Figuren aus dem Halbkreis und legte sie zurück in die Kiste, in der sie bis zur nächsten Wintersonnenwende verwahrt wurden. Dies sollte symbolisch anzeigen, wie Odin in den Rauhnächten, mit seinen wilden Reitern über den nächtlichen Himmel zog und die Untugenden der Menschen einsammelte, um sie von ihnen zu nehmen.

Lange dachte Bjarne über das nach, was er von Roald erfahren hatte. Er verstand, dass Untugenden die Eigenschaften waren, die man als böse und schlecht bezeichnete. Und nichts davon wollte er sein. So hörte er an jedem Abend, wenn Hjördis wieder eine Kerze anzündete, die Kohle unter dem Räucherwerk zum Glühen brachte und eine der Figuren fort nahm, ganz besonders zu, um welche schlechte Eigenschaft es sich handelte. Später, auf dem Nachtlager, bat er Hel dann, ihn davor zu beschützen, um ein guter Mensch sein zu können. So sehr er sich auch anstrengte, Odin und seine Reiter vielleicht hören zu können, wie sie über den nächtlichen Himmel ritten, schlief er dann doch ein, um sich am nächsten Morgen vorzunehmen, in der kommenden Nacht so lange wach zu bleiben, bis er den Göttervater gehört habe. Nur gelang ihm dies in keiner Nacht und so hoffte er, dass die Zeit bis zur nächsten Wintersonnenwende schnell vorübergehen würde.

Bereits seit vier Monaten lag Schnee über dem Svealand und so langsam spürte man das nahende Ende des Winters. Immer öfter taute es mehr, als neuer Schnee hinzukommen konnte. Die länger werdenden Tage waren längst nicht mehr ganz so frostig, wie in den vergangenen Wochen.

Eines Tages, es war bereits lange nach der Mittagsstunde, bemerkte Tjark, der mit Leif zwischen den Gebäuden spielte, in der Ferne eine Gestalt, die sich unsicher näherte und immer wieder in die Knie ging. Aufgeregt rannten die Jungen zu ihrem Vater und machten ihn auf den nahenden Besucher aufmerksam. Roald erfasste die Situation schnell und lief los. Wer immer dort auch auf dem Weg zu seinem Hof war, befand sich am Ende seiner Kräfte. Noch lag an vielen Stellen hoher Schnee, der durch das Tauwetter schwer und nass geworden war. So dauerte es eine Weile, bis er zu der Person kam, die nun heftig atmend auf Knien im Schnee kauerte. Schon von Weitem, erkannte er Gudrun und versuchte, seinen Schritt zu beschleunigen. Wenn die alte Frau den beschwerlichen Weg durch den Schnee auf sich nahm, musste etwas passiert sein. Gudrun war nicht in der Lage, Roald sogleich zu erklären, warum sie gekommen war. Ihr Atem ging schnell, keuchend und stoßweise. Beruhigend sprach der Honigmacher auf sie ein und stützte sie, während er sie zum Hof geleitete.

Durchgefroren saß sie nun nah dem Herdfeuer, von Hjördis in ein dickes Schaffell gehüllt und erzählte stockend und unter Tränen, dass Stig vor zwei Tagen gestorben war. Der alte Mann hatte sich erkältet, begann zu fiebern und was seine Frau auch versuchte, es gelang ihr nicht, dem Gatten zu helfen. „Er bekam kaum noch Luft. Sein Atem pfiff und rasselte und er hustete beinahe unaufhörlich. Mit jedem Tag wurde er schwächer und schließlich konnte er nicht einmal mehr wenige Tropfen Wasser schlucken. Aber ich konnte ihn doch auch nicht allein lassen, um Hilfe zu holen.“ Verzweifelt brach die alte Frau in Tränen aus. Erschüttert sahen sich der Honigmacher und seine Frau an, während Gudrun weiter berichtete, wie sie versucht hatte, ein Grab auszuheben, was ihr jedoch nicht gelang, da der Boden noch gefroren war. Sie hatte Stig in Tücher gewickelt, aber ihre Kräfte reichten nicht aus, um ihn nach draußen zu ziehen, wo sie schließlich Holz aufgeschichtet hatte, um seinen Körper zu verbrennen. „Wie soll er denn nun ins Reich der Toten ziehen können, wenn sein Körper in unserem Haus auf dem Lager liegt?“ die schmalen Schultern der alten Frau bebten unter dem heftigen Weinen.

Hjördis nickte ihrem Mann zu, der sich zu Gudrun hinunter beugte und beruhigend auf sie einsprach. „Gleich morgen, wenn die Nacht dem Tag weicht, werde ich mit Leif und Bjarne zu Euch gehen und Stigs Körper verbrennen. Ich verspreche Dir, er wird ins Reich der Götter einziehen, wie es sich für einen Krieger gehört, denn auch wenn er als alter Mann starb, dann nur, weil er tapfer so manche Schlacht geschlagen hat.“ Dankbar nahm Gudrun Roalds Hände und küsste sie.

Am nächsten Morgen, brachen der Honigmacher, sein Sohn und Bjarne auf. Als sie Stigs Hof erreichten, hörten sie bereits von Weitem die beiden hungrigen Schafe blöken. Leif bekam als erstes den Auftrag, Schafe und Hühner zu versorgen, währenddessen betraten Roald und Bjarne das Haus. Trotz der Kälte, hing der süßliche Geruch des Todes bereits in der Luft. Ehrfürchtig blieben die beiden Männer am Lager, auf dem in Tücher gehüllt der alte Freund lag, stehen und schwiegen einen Moment. Etwas abseits vom Haus befand sich das aufgeschichtete Holz, das Gudrun zum Verbrennen ihres Mannes gestapelt hatte. Roald korrigierte einzelne Scheite, die etwas instabil wirkten, schichtete noch etwas Holz nach und bereitete einen würdigen Schrein vor, auf den er schließlich, von Bjarne unterstützt, den Leichnam legte. Die Lücken zwischen den Scheiten verstopften die Männer so gut es ging mit trockenem Reisig, das sie neben dem Feuerholz am Schuppen fanden. Auch über dem Toten breiteten sie Scheite und Reisig aus. Zu guter Letzt, entzündeten sie ein kleines Feuer, nahe dem Scheiterhaufen, um daran die Fackeln zu entfachen, die sie aus dicken Ästen fertigten, um deren Spitze sie in Wollfett getränkte Stofffetzen wickelten. Mit Worten, die die Götter baten, den einst glorreich kämpfenden Stig in ihr Reich aufzunehmen, entzündeten sie reihum das Reisig. Es dauerte nicht lange und die Flammen leckten an den Scheiten, um schließlich als großes Feuer Stigs Körper zu verschlingen. Es roch nach verbranntem Fleisch und Leif wurde übel, doch er unterdrückte den Würgereiz. Ein echter Mann musste dies aushalten können. Welche fragwürdige Ehre würde er Stig erweisen, wenn er neben seinem Totenfeuer erbrach?

Noch am nächsten Morgen, glühte die Asche des Feuers. Lang hatten die Drei in der vergangenen Nacht den Scheiterhaufen bewacht. Unter dem sternenklaren Himmel war der Rauch in die eisige Nacht gezogen und es sah tatsächlich so aus, als begleite dieser Rauch Stig in das Reich der Götter.

Keiner von ihnen hatte ein Auge zugemacht. Nun banden sie den beiden Schafen die Beine zusammen, taten Gleiches auch bei den Hühnern und zurrten die Tiere auf den Bohlen, die sonst als Sitzfläche der beiden Bänke im Haus dienten, fest. Mit vereinten Kräften, zogen Roald und Bjarne diese provisorischen Schlitten. Sie kamen nur langsam vorwärts und es dämmerte bereits, als sie schließlich den Hof des Honigmachers erreichten.

Gudruns Seele trauerte. So viele Jahre hatte sie an der Seite ihres guten Mannes verbracht. Dieser starke und liebevolle Mann, würde sie nie wieder in kalten Nächten wärmen, sie zum Lachen bringen und trotz seines Alters herumwirbeln, wie ein verliebter Jüngling. Ohne Anteilnahme, fast regungslos, starrte sie ins Herdfeuer. Hjördis setzte sich neben sie, legte den Arm um Gudruns Schulter und rieb ihren Oberarm, während sie der alten Frau erklärte, dass Roald und sie es für besser hielten, wenn die alte Frau bei ihnen bliebe. Das Vieh stand bereits bei den Tieren der Familie und sobald der Schnee soweit geschmolzen war, würden sie mit Gudrun zu deren Hof gehen, um ihr restliches Hab und Gut zu holen. Statt einer Antwort, lehnte die alte Frau ihren Kopf nur an Hjördis Schulter und schluchzte leise. Einerseits war sie der Familie dankbar, die ihren Mann würdig ins Totenreich hatte reisen lassen. Andererseits war ihr alles gleichgültig, denn ohne Stig hatte das Leben auf dieser Erde für sie keinen Sinn mehr.

Als wenige Wochen später der Schnee dem beginnenden Frühling wich, zog die Familie des Honigmachers wieder zum Hof von Stig und Gudrun. Die alte Frau selbst reiste auf dem Handwagen mit, auf dem man sie in Tücher gewickelt bettete. Ihr Lebensmut hatte sie verlassen. Am Vortag wachte sie einfach nicht mehr auf, und so konnten Hjördis und Roald nichts weiter tun, als sie dorthin zu bringen, wo auch ihr Mann zu den Göttern gereist war. Noch immer war die Stelle, an der sie Stigs Leiche verbrannt hatten, zu erkennen. Dunkel zeugte verbrannter Boden von dem Feuer. Eben an dieser Stelle, errichteten sie nun den Scheiterhaufen für Gudrun und übergaben ihren Körper den Flammen.

Der Nornen Knoten

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