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Wallensen erwacht

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Wie wenn ein Bader einen Sterbenskranken zur Ader lässt und dieser bald darauf, noch sehr schwach aber mit gereinigtem Blut und wieder glänzenden Augen, am Leben teilnimmt, so hatte der Eingriff des Vitus Ulrici unser sieches Städtchen zum neuen Leben erweckt.

Die Männer zogen mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnten, die Holzbalken zur Kirche und beratschlagten über den besten Platz für das neue Pfarrhaus. Sie einigten sich schließlich darauf, es in einiger Entfernung hinter der Apsis aufzubauen, so dass der Vitus Ulrici nur wenige Schritte zu seinem Arbeitsplatz zurücklegen musste.

Einzig der Bierbrauer Beinling meuterte. Sein Haus wäre als nächstes zu errichten gewesen und das sah er durch den Bau des Pfarrhauses nun stark gefährdet. Der Rat kam ihm entgegen, in dem beschlossen wurde, jeden zweiten Balken einige Meter über die Baustelle des Pfarrhauses hinaus zu ziehen und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft mit dem Bau der Brauerei zu beginnen. So konnten die knappen Werkzeuge geteilt und die menschliche Arbeitskraft bei Bedarf auf Zuruf verdoppelt werden.

Damit war der Beinling zufrieden und alle anderen auch, denn von den Silbertalern hatte bereits eine Abordnung Wallenser Bürger in Duingen nicht nur eine Schar gackernder brauner Hühner, eine wohlgenährte trächtige Kuh und verheißungsvoll rasselnde Säcke mit Buchweizen, Erbsen und Bohnen erstanden. Zusätzlich hatten sie einige Säcke voll mit Gerste auf dem Handkarren gehabt, und das Geräusch weicher Nachgiebigkeit, mit der sie auf den Boden plumpsten, kitzelte die Erinnerung an süße Malz- und Gärgerüche in Nase und Gaumen wach. Ein Schluck Wallenser Breyhahn Bier schien ein fürwahr ebenso erstrebenswertes Ziel, wie ein schönes Pfarrhaus.

Bei der Mühle indessen waren nur noch einige Restarbeiten für ihren vollständigen Aufbau zu erledigen. Die Frauen und Kinder konnten beginnen, in die Fächer Reisig zu flechten und den Lehm darüber zu verschmieren, den sie seit Wochen mühsam aus den Kuhlen am Weenzer Bruch herbeigeschafft hatten.

Zunächst jedoch galt es, mit dem gekauften und gerecht unter den Wallensern aufgeteilten Saatgut, den Garten zu bestellen, um die Wachstumslust des Frühjahrs zu nutzen.

Mein Vater und mein Großvater bauten wie alle emsig am Pfarrhaus; mit den anderen Männern stemmten sie auch die schweren eichenen Stützbalken für die Brauerei in die Höhe. Darüberhinaus aber nutzten sie jeden Lichtstrahl der länger werdenden Tage, um mit viel Geschick und sparsamsten Holzverbrauch die Mühle wieder funktionsfähig zu machen. Wenn die Vögel noch ihr erstes Morgengähnen in den Himmel schickten, waren sie bereits dabei, Radkränze und Wellbalken zu fertigen und wenn mit hereinbrechender Dämmerung nur noch einige zänkisch zwitschernde Amseln in ihr Nest eilten, besserten sie die Holzrinne am Mühlengraben aus.

Und eines Abends war es soweit: das Wasserrad klapperte wieder. Knarrend setzten sich die Räder in der Mühle in Gang und der schwere Mühlstein knirschte. Es konnte wieder gemahlen werden in Wallensen.

Ich hielt meine Hand an das feuchte Mühlrad und spürte dankbar das kühle Wasser auf meiner Haut. Das Sonnenlicht glitzerte im Mühlengraben und mir schien es, als wollten die Wasser der Saale uns augenzwinkernd ihrer Unterstützung versichern.

Der nächste Morgen brachte weiteres Geklapper. Mit Sonnenaufgang wurden in der Mühle bereits die Gerstenkörner für das Bierbrauen geschrotet und gerade als das erledigt war, rumpelten zwei Gespanne durch das Niedertor bis zum Marktplatz.

Von dem vorderen der hoch beladenen Wagen sprang der Pastor Ulrici herunter und auf dem hinteren saß Conrad, der das Gefährt augenscheinlich ganz alleine bis nach Wallensen gelenkt hatte. Der Pastor rieb sich zufrieden die Hände.

„Der Amtsvogt hat sich überzeugen lassen, etwas von dem Zehnten des letzten Jahres wieder herauszugeben, damit ihr nicht alle verhungert und künftig euren Fron- und Spanndiensten nicht mehr nachkommen könnt.

Ich habe Saatgut mitgebracht, einige Gänse und Ziegen und die Zusicherung, euch in diesem Jahr ausnahmsweise von dem Zehnten zu befreien.“

„Ich habe versichert dafür zu sorgen, dass ihr künftig ohne Unterlass beten und einen vorbildlichen Lebenswandel pflegen werdet, um Gott nicht zu weiteren Feuerstrafen herauszufordern. Und nun ladet ab, ich werde die Güter gerecht verteilen.“

Und so kam es, dass wir im Jahr 1618 doch noch einige Felder bestellen konnten.

Marthe

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