Читать книгу Mit dem Rucksack durch Südamerika - Tanja Gutmann - Страница 16
0 ¡Sí, se puede! - Anne Montag, 22. November 2010
ОглавлениеSchon ist er da, unser letzter Tag in Ayacucho. Wahnsinn, wie schnell mal wieder die Zeit vergeht... Aber wir hatten nochmal ein paar tolle Tage mit den Jungs. Die zweite Woche mit ihnen war anders, einfach dadurch, dass man sich schon viel besser kannte. Zu so einigen hat man natürlich in der Zeit auch eine Bindung aufgebaut, was den Abschied jetzt natürlich nicht gerade leichter gemacht hat. Aber es sind einfach tolle Jungs, und ich bin unglaublich froh sie kennengelernt zu haben.
Am Wochenende hatten wir dann auch noch Zeit, mit ihnen zu feiern. Nachdem wir in der letzten Woche jeden Tag geübt hatten (ich weiß echt nicht, wann ich das letzte Mal in meinem Leben so viel Sport getrieben habe... vermutlich noch nie), war am Samstag das lang angekündigte Volleyball-Tournier. Wir haben den Abend davor noch damit zugebracht, „Trikots“ anzufertigen. Wir haben uns also weiße T-Shirts gekauft und sie dann selbst beschrieben, mit unserem Namen, einer Nummer und „las amigas“. Klingt ein bisschen kitschig, aber das hat einen ganz einfachen Grund: die Jungs werden hier quasi monatlich mit neuen Voluntarios konfrontiert und können sich nicht unbedingt immer alle Namen merken. Im Zweifelsfall rufen sie einen dann einfach immer „amiga“. Ich werde hier übrigens von den meisten nicht Anne, sondern Anita genannt. Macht ja auch irgendwie Sinn, wenn man bedenkt, dass das auch nichts anderes heißt, als „kleine Anne“. Wobei ich hier mit meiner Größe eigentlich guter Durchschnitt bin. Tanja dagegen muss bei jeder Busfahrt den Kopf einziehen.
Aber zurück zum Thema: Volleyball. Als wir ankamen, war schon alles super vorbereitet. Ein Netz war aufgestellt, die Spielfeldbegrenzung war auf dem Rasen eingezeichnet und wir hatten eine Schiedsrichterin. Es gab drei Teams: die Lehrer, die älteren Jungs und wir. Die Jüngeren saßen am Spielfeldrand und haben uns kräftig angefeuert, meist mit ¡Sí, se puede!, was so in etwa die spanische Entsprechung von „Yes, we can“ ist. Wir haben dann mit dem Match gegen das Team der Lehrer angefangen. Einen Satz konnten wir sogar gegen sie gewinnen, das Spiel haben wir dann aber doch verloren. Direkt danach ging es weiter gegen die Jungs, die uns ebenfalls geschlagen haben, wenn auch sehr knapp. Damit haben wir hintereinander weg 5 Sätze gespielt, und das im strahlenden Sonnenschein, was soviel heißt wie in sengender Hitze. Wir waren fix und fertig! Aber alle waren sich einig, dass wir uns echt gut geschlagen haben und stolz auf uns sein können ;) Die Lehrer haben dann übrigens auch noch die Jungs geschlagen und damit das Tournier gewonnen. Zur Siegerehrung gab es dann für alle furchtbar bunten und süßen Kuchen und leckeres Eis.
Am Nachmittag wollten wir dann den Jungs beim Musizieren zuhören. Es war der Tag der Kinderrechtskonventionen und dafür sollte in einer Kirche in der Innenstadt ein kleines Konzert mit Kindern aus verschiedenen Waisenhäusern stattfinden. Einmal in der Woche kommt eine Musiklehrerin mit Gitarren, Flöten und Trommeln ins URPI und musiziert mit den Jungs, die Lust haben. Wir hatten sie am Donnerstag schon proben gehört und ich habe jetzt noch einen Ohrwurm von dem Lied. Jedenfalls haben uns Lorena und auch einige der Jungs gesagt, dass es am Samstag gegen drei losgeht. Pünktlich wie wir Deutschen sind, standen wir also um drei vor der Kirche. Damit waren wir aber die einzigen... In der Kirche wurden zu diesem Zeitpunkt noch Sehtests durchgeführt und Brillen verkauft! Zumindest war einem Plakat davor zu entnehmen, dass es um 16Uhr losgehen sollte. So gegen 16:30Uhr trudelten dann auch unsere Jungs ein. Dann passierte aber nicht mehr viel. Irgendwelche Leute haben Technik von A nach B und zurück geschleppt und keiner schien zu wissen, wann es denn nun wirklich losgehen kann. Währenddessen wurde der Himmel immer dunkler und die Luft immer kühler. Als einer der Jungs dann gegen 6Uhr meinte, dass ihm kalt ist, sind alle wieder abgedampft. War echt schade!
Andererseits war es auch ganz gut, dass wir dann gegangen sind, da nur wenige Minuten, nachdem wir zu Hause angekommen sind, ein Wolkenbruch vom Feinsten losging. Beinahe hätte uns das Wetter damit einen Strich durch die Rechnung unserer weiteren Abendplanung gemacht. Schließlich wollten wir Voluntarias auch noch unseren Abschied feiern. Nora ist gestern Abend bereits wieder Richtung Lima abgereist, so dass Samstag unsere letzte Chance war, mit allen gemeinsam auszugehen. Zum Glück ließ der Regen dann nach und wir konnten uns ein Taxi ins Magia Negra schnappen. Das Magia Negra ist hier im Prinzip unsere Stammkneipe. Wir sind nicht andauernd ausgegangen, aber wenn, dann ging es eigentlich immer hierhin. Liegt sicherlich auch daran, dass es Lorenas Stammkneipe ist. Über Lorena und durch die Arbeit im URPI haben wir auch einige Peruaner kennen gelernt, so dass wir hier nie unter uns geblieben sind, was natürlich dann immer erst recht Spaß macht. Am Samstag waren wir allerdings recht früh dran, da wir alle tierischen Hunger hatten und sie auch echt leckere Pizza im Magia Negra servieren. Also standen wir um 19Uhr erstmal vor verschlossenen Türen, die dann aber nach einmal anklopfen extra für uns geöffnet wurden. Der Inhaber (glaube ich zumindest), Bacho, hat sich auch den Großteil des Abends mit an unseren Tisch gesetzt und uns erstmal zwei Runden Pisco und eine zusätzliche Pizza ausgegeben. Was will man mehr! Es war auf jeden Fall ein toller letzter gemeinsamer Abend.
Und am Samstag gab es dann die Abschiedsfeier im URPI. Gleichzeitig wurde der Geburtstag von sieben Jungs gefeiert, nämlich all derjenigen, die im Oktober oder November Geburtstag hatten. Solch eine Feier findet dementsprechend regelmäßig alle zwei Monate statt. Wir hatten als kleine Überraschung noch ein kurzes Theaterstück vorbereitet: Der Wolf und die sieben Geißlein, wobei es bei uns nur fünf Geißlein waren. Als ich das Märchen zuerst vorgeschlagen habe, war Tanja der festen Überzeugung, ich würde etwas durcheinanderbringen und „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ und „Rotkäppchen und der Wolf“ miteinander vermischen. Ich konnte sie dann aber doch noch vom Gegenteil überzeugen. Jedenfalls haben wir das ganze für die Jungs in Szene gesetzt. Ich war übrigens der große, böse Wolf. Das ganze war ein voller Erfolg. Sowohl die Kinder als auch wir hatten unseren Spaß. Der Rest des Nachmittags hat dann ein wenig an Schuldisco erinnert: im hell erleuchteten Raum waren alle Bänke und Stühle zur Seite gestellt worden und dann war Tanzen angesagt. Das haben wir dann auch für die nächsten drei Stunden getan. Dazwischen gab es jede Menge Süßkram und natürlich wurden Unmengen von Fotos geschossen. Es hat total viel Spaß gemacht und hätte von mir aus auch noch länger gehen können. Selbst die kleineren Jungs haben schon ein richtig gutes Rhythmusgefühl!
Wir hatten die meiste Zeit natürlich das Gefühl, dass jede Abschieds- und Geburtstagsfeier in etwa so abläuft, aber sowohl Lorena, als auch einige der Jungs haben uns später gesagt, dass das nicht der Fall und oftmals viel weniger los ist. Da können wir uns also schon was drauf einbilden ;) Allerdings war auch die anwesende Profesora eine tolle Frau, die alle super zum mitmachen animiert hat. Aber Angel, einer der älteren Jungs, der sich öfters etwas bitten lässt und der festen (unberechtigten) Überzeugung war, er könne nicht tanzen, meinte zu Tanja, dass wir die ersten Voluntarias waren, die ihn überhaupt zum Tanzen gekriegt haben!
Der Teil der Verabschiedung war dann natürlich alles andere als leicht, sowohl für uns, als auch für die Jungs. Ich werd die Kerle echt vermissen! Die meisten von ihnen sind so unglaublich herzlich. Der kleine Agabio zum Beispiel, der mir gerade bis übers Knie reicht, hat einem immer bei jeder Umarmung noch einen Kuss auf den Hals gedrückt. Ganz viele von ihnen haben uns dann noch eine gute Reise gewünscht. Der härteste Teil war für mich aber, als Luis, ein toller sonst aber auch meist ziemlich cooler Junge, angefangen hat zu weinen. Das war der Moment, in dem wir so ziemlich alle feuchte Augen bekommen haben.
Heute vormittag waren wir dann noch ein letztes Mal im URPI, da viele der Jungs aber vormittags zur Schule gehen, haben wir nur einen kleinen Teil nochmal gesehen. Aber es war schön, ein letztes Mal über das Gelände zu streifen. Den Nachmittag haben wir dann mit Rucksackpacken und einigen letzten Erledigungen verbracht. Zum Beispiel sind wir noch einmal zum Markt um einen der unglaublich leckeren Fruchtsäfte, die sie dort verkaufen, zu trinken (Ananas-Orange...mmh). Außerdem haben wir uns für die Fahrt noch mit Huahuas (oder Wawas) eingedeckt, ein typisches, etwas süßes Brot der Region. Wawa heißt übrigens auf Quechua „Baby“. Ich find’s daher immer etwas merkwürdig zu sagen „So, ich ess jetzt was von meinem Wawa“.
In knapp zwei Stunden fährt unser Bus. Bis auf Nora fahren alle Mädels noch weiter nach Cusco, so dass wir uns hier noch nicht verabschieden müssen. Diana, Adriana und Reiko reisen allerdings erst morgen abend ab, während Ruth und Samantha heute im gleichen Bus sitzen wie wir. Tanja und ich sind übrigens die einzigen beiden, die unterwegs noch einen Zwischenstopp in Andahuaylas einlegen. Die Fahrt bis nach Cusco dauert nämlich insgesamt 22Stunden. Und das für 580 km! So ist das, wenn man durch die Anden fährt. Da genießen wir lieber morgen den Tag in Andahuaylas und nehmen dann am Abend den nächsten Nachtbus für den zweiten Teil der Strecke.
Das nächste Mal melde ich mich dann also schon aus Cusco, sicherlich noch bevor wir am Freitag zum Inka-Trail aufbrechen. Bis dahin das letzte Mal Grüße aus Ayacucho, wir werden es vermissen!
Anne