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Wozu brauche ich einen Handwerker?
Оглавление»Selbst ist der Mann« – und schon fliest er das Badezimmer. Oder er versucht es zumindest …
Das Ergebnis ist dann meistens ein versautes Wochenende und Fugenspachtelmasse überall im Haus. Manchmal auch eine Ehekrise. »Selbst ist die Frau« hat allerdings die gleichen Folgen. Dabei wollte ich neulich nicht das Bad neu fliesen, denn ich erkenne meine Schaffensgrenzen. Ich wollte im Flur eine alte Tapete von der Wand ablösen.
»Das kann ja keine große Aktion sein«, dachte ich mir, überflog ein paar Seiten in einem Ratgeberbuch mit dem vielversprechenden Titel »Selbst gemacht, besser gemacht,« und dann konnte es auch schon losgehen. Die Tapete war einzuweichen und mit einer Nagelwalze zu perforieren.
Nun haben wir aber leider keine Nagelwalze im Haus. Deshalb ließ ich es bleiben und sprühte nur wie besessen mit der Blumendusche auf die altmodische Blümchentapete ein. Dabei floss eine Menge Tapetenlöserflüssigkeit an meinen Unterarmen entlang und auf den Teppichboden.
»Wo gehobelt wird, da fallen Späne«, keuchte ich, denn nun war ich so richtig in Fahrt. Als ich gerade zum Spachtel (festes Stahlblatt, langer Stiel) greifen wollte, klingelte das Telefon, und kurz darauf erklang vom Anrufbeantworter die verzweifelte Stimme meiner besten Freundin Marie. »Das ist die Krise meines Lebens«, heulte sie.
Da ließ ich natürlich den Spachtel fallen und eilte Tapetenlöser tropfend über die Diele. Vom Handwerker zum Psychoanalytiker. So nah liegen die Dinge im Leben manchmal beieinander.
Nach einer guten Stunde waren Maries Tränen getrocknet. Die Blümchentapeten im Flur allerdings auch. Wütend hackte ich ein paar Mal mit dem Spachtel auf die Wand ein, dann griff ich beherzt zur Sprühflasche, doch die Tapetenlöserflüssigkeit war alle.
»Harte Arbeit leicht gemacht«, stand im Buch. »Mit einem Dampfablöser arbeiten Sie umweltfreundlich und ermüdungsfrei!«
»Ha!«, dachte ich. »Mit dieser guten Idee kommen sie erst am Ende der Seite«, und da mir das Wort »ermüdungsfrei« so verlockend im Ohr nachklang, beschloss ich, mich im nächsten Baumarkt mal zu erkundigen. Leiter, Spachtel, Blumendusche ließ ich hinter mir. Das waren doch Utensilien für Anfänger.
Ich war sehr wohl in der Lage, mit professionellen Gerätschaften umzugehen. Das erklärte ich wenig später im Baumarkt dem kritisch dreinblickenden Herrn im orangefarbenen Overall auch.
»Wie viel Quadratmeter Tapete wollen Sie denn ablösen?«, fragte er.
Das verunsicherte mich, denn erstens wusste ich es nicht, und zweitens ging es ihn doch gar nichts an. Was ich in meinem Flur mache, ist Privatsache!
»Ist das wichtig?«, gab ich kühl zurück.
»Der Kauf eines Dampfablösers lohnt sich nur, wenn Sie große Tapetenflächen ablösen müssen«, informierte er mich und wurde mir immer unsympatischer.
»Es geht mir vor allem um die Ermüdungsfreiheit«, konterte ich und fand, dass ich mich anhörte, als hätte ich wirklich Ahnung, wovon ich spreche.
»Wie viele Quadratmeter?« Aus kalten Augen starrte er mich an.
Ja, wollte dieser Mensch mir nun etwas verkaufen oder nicht? Ich räusperte mich gereizt. »Sehr viele …«, antwortete ich, »… sehr viele ›gefühlte‹ Quadratmeter, verstehen Sie? Es kommt mir vor, als wären es sehr viele, wenn ich sie alle einsprühen und mit einer Nagelwalze traktieren und dann mit dem Spachtel abkratzen soll. Sehr, sehr viele …«
Erschöpft hielt ich inne und führ mir durch das Haar, in dem noch eine halbe Packung Tapetenlöser zu kleben schien.
»Und dann geht die Arbeit erst los«, sagte der Mann im Overall ohne Erbarmen, »Dann müssen Sie den Untergrund vorbereiten: Risse im Putz werden mit einer Rissbinde verschlossen, dafür empfehle ich Zellulose-Füllstoff, der ist elastischer als Gips. Und Sie müssen außerdem dann noch alte Dübellöcher füllen und die ausgebesserten Flächen anschließend mit Tiefengrund streichen und dann …«
»Gibt es dafür umweltfreundliche und ermüdungsfreie Möglichkeiten?«, unterbrach ich ihn, denn ich hatte den Eindruck, dass er mich ärgern wollte.
»Ja«, gab er ungehalten zurück. »Holen Sie sich einen Fachmann ins Haus.«
Nun war ich wirklich beleidigt. Dieser Typ in Orange traute mir wohl gar nichts zu. Außerdem stand ihm die Farbe nicht.
»Der Einsatz eines Fachmannes lohnt sich nur, wenn eine große Tapetenfläche abgelöst werden muss«, erklärte ich schnippisch und verließ frustriert den Baumarkt.
Wieder zu Hause räumte ich die Leiter in die Rumpelkammer zurück, schmiss die verklebte Sprühflasche weg und putzte eine Weile an den Flecken auf dem Fußboden herum, die zu viel Tapetenlöser dort hinterlassen hatte.
Dann ging ich erst einmal duschen und entschied dabei, dass so eine kleine Fläche Blümchentapete doch eigentlich sehr romantisch wirkt. Und ehrlich: Dass sie sich neuerdings an einigen Stellen leicht wellt – das gibt unserem Flur erst die richtig nostalgische Note …