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Die großen Tricks der kleinen Babys
Оглавление»Ach, kleine Babys sind so süß!«, seufzte ich entzückt bei meiner Freundin Barbara, die ihre einjährige Tochter Kim auf dem Schoß hielt. »Ja, ja«, sagte Barbara müde, »aber sie sind auch ganz schön anstrengend …«
Diesen letzten Satz überhörte ich, weil ich gerade Kims dickes, kleines Händchen streichelte und ein Stofftierchen darauf tanzen ließ.
»Ach«, seufzte ich wieder. »In diesem Alter sind Kinder doch so goldig.« Sie müssen noch keine Schularbeiten machen, wollen nicht zum Fußballtraining gefahren werden, haben keine Trotzphasen. Kurz: Sie sind einfach nur zauberhaft.
»Na, du als dreifache Mutter hast ja auch Erfahrung«, erwiderte Barbara.
»Ja«, dachte ich stolz, »die habe ich allerdings«, und irgendwie muss mir dieser Gedanke zu Kopf gestiegen sein, denn als Barbara mich wenig später fragte, ob ich Klein Kim nicht mal übers Wochenende hüten könnte, sagte ich ohne nachzudenken: »Ja, klar!«
Am folgenden Sonnabend traf Kim bei uns ein. Sie reiste mit großem Gepäck: Taschen voller Windeln, Kuscheltiere, Nuckelflaschen standen plötzlich im Flur herum. Barbara hatte sich schnell verabschiedet, um ins Wellness-Wochenende abzureisen, was Kim gar nicht weiter berührte. Sie grinste mich an, sabberte ein bisschen auf meinen Teppich und kroch dann mit beachtenswerter Schnelligkeit auf allen vieren davon. Ich folgte ihr in die Küche, wo sie gerade zwei ihrer nassen Finger in die Steckdose bohrte. Und urplötzlich fiel es mir wieder ein: Babys sind nur deswegen so niedlich, weil man sonst vor lauter Anstrengung durch Übermüdung einfach alles stehen und liegen lassen würde. Das hat Mutter Natur sehr tückisch so eingerichtet.
Was sie offensichtlich auch – noch heimtückischer – eingerichtet hat, ist die Tatsache, dass selbst erfahrene Hasenmütter nach nur wenigen Jahren vergessen haben, wie es ist, den ganzen Tag hinter einem Kleinkind herzurennen Und sich, geblendet von der süßen Niedlichkeit, fragen, ob man nicht doch noch einmal – ein letztes Mal –, bevor es zu spät ist …
Diese Frage stellte ich mir nun nicht mehr. Denn nachdem ich Kim vor einem Stromschlag bewahrt hatte, bemerkte ich den üblen Geruch, den sie verströmte. Wie konnte ein so süßes Kind so entsetzlich stinken? (Fragen Sie Mutter Natur!)
»Hier stinkt’s!«, rief mein kleinster Sohn Max, der gerade in die Küche schlenderte, gefolgt von Samuel und Sanne.
»Was ist das?«, fragte Samuel und zeigte auf Kim.
»Das ist ein Baby«, rief ich genervt und versuchte, Kim unter dem Küchentisch hervorzuangeln.
»Ist es das, was so stinkt?«, wollte Sanne wissen.
»So hast du auch mal gerochen«, meckerte ich und bekam Kims Fuß zu packen.
»Niemals«, widersprach Sanne mit arroganter Miene und verzog sich in ihr Zimmer.
»Wenn die nicht mehr so riecht, können wir mit ihr Memory spielen«, bot Samuel mir an, dann verschwanden auch die Jungs, und ich beförderte Kim zu Tage, was sie mit einem undankbaren Geheul quittierte. Kurz darauf versuchte ich, ihr die Windel zu wechseln, und ich muss gestehen, dass ich aus der Übung war. Kim kreischte in schrillsten Tönen und wehrte sich mit aller Kraft gegen eine neue Pampers. Mir brach der Schweiß aus. Drei Windeln klebten auf meinem Handrücken oder auf dem Fußboden, aber nicht an Kinns Po.
Erst beim vierten Versuch stellte ich mich geschickter an. Kim heulte dennoch immer weiter, sie schien mir einiges zu verübeln und warf einen Schnuller nach mir. Wenig später kam Robert, der liebste Ehemann, ins Wohnzimmer, in dem Babyspielzeug, Krabbeldeckchen und Stapel von Windeln verteilt waren. Kim saß auf meinem Schoß und kaute nachdenklich an meinen Haaren, während ich kurz meine Augen geschlossen hatte, um meinen Kreislauf zu stabilisieren.
»Ihr seht aber niedlich aus, ihr zwei«, murmelte Robert.
»Das täuscht«, knurrte ich. »Es sieht nur so aus, in Wirklichkeit ist es Knochenarbeit.«
»Ach«, murmelte Robert und hatte meine Aussage wohl vollkommen überhört. In diesem Alter sind Kinder doch zu niedlich!«
Ich versuchte ihm klarzumachen, dass Mutter Natur ein ganz listiges Weib ist, aber er hörte gar nicht zu und nahm Klein Kim auf den Arm. Aus blauen Engelsaugen lachte sie ihn an.
»Hach«, seufzte Robert wieder. »Da könnte man doch glatt noch einmal darüber nachdenken, ob man nicht selbst …« Fragend blickte er mich an, und in seinen Augen flimmerte ein merkwürdiges Licht, das so aussah, als wollte es noch mehr Leben in die Welt setzen. Am liebsten auf der Stelle.
»Spinnst du?«, rief ich panisch, und »La, le, lu« singend verließ Robert mit Kim auf dem Arm das Wohnzimmer, um ihr auf dem Balkon die Stiefmütterchen zu zeigen. Was hatte ich da bloß heraufbeschworen?
Wenig später klingelte das Telefon. Es war Barbara, die wissen wollte, wie alles lief. »Bestens«, rief ich betont munter.
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich Kim doch wieder abhole?«, fragte Barbara mit zitternder Stimme. »Sie fehlt mir so.«
Mein Herz machte einen erleichterten Sprung, und so kam es, dass Klein Kim bereits eine Stunde später das Feld wieder geräumt hatte. Zurück blieb ein trauriger Robert, der gedankenverloren in die Stiefmütterchen starrte. Ich werde ihn mal bei Barbara zum Windelwechseln vorbeischicken, dann fällt ihm vielleicht wieder etwas ein!