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Meine Söhne sind ganz lieb – oder?

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Ich weiß ja nicht, ob alle kleinen Jungs so sind, denn ich habe ja nur zwei – aber das reicht mir schon. Die Rede ist von Schlacht-Plänen, die lautstark am Frühstückstisch diskutiert werden …

Und von Playmobil-Rittern, die in langen Reihen durch das Wohnzimmer marschieren, um im Badezimmer von mordlustigen Schlümpfen dahingemetzelt zu werden. Dabei sind letztens sogar drei Ritter ins Klo gefallen – und wer hat sie wieder herausfischen müssen? Ich!

Doch nicht nur deswegen bin ich zunehmend genervt von den kriegerischen Ambitionen meiner Söhne. Und ich habe keine Ahnung, wo sie das her haben. Bei uns zu Hause geht es friedlich zu, wir verabscheuen Gewalt, es gibt kein Kriegsspielzeug, und ich habe sogar Skrupel, eine Mücke an der Wand zu erschlagen. Wieso bombardieren sich also meine Söhne, die so liebevoll erzogen werden, abends mit Plüschtieren und Kopfkissen und schreien: »Schlachtschiff versenkt!« Wieso?

Es sind sensible Kinder, die das Krümelmonster aus der Sesamstraße gruselig finden und in der Silvesternacht heulend erwachen, weil sie solche Angst haben. In meinen Augen passt das nicht zusammen.

Neulich lud ich für den Nachmittag ein nettes, kleines Mädchen aus der Nachbarschaft ein. Sie hieß Luise, brachte drei Barbiepuppen mit, und ich hoffte, dass die einen beruhigenden Einfluss auf meine zwei Wikinger haben würden. Hatten sie aber nicht. Wenig später hingen die Barbies kopfüber von der Deckenlampe, wurden mit Legosteinen beschossen, und Luise hatte sich unter dem Bett versteckt.

»Lasst das!«, schrie ich in den Tumult und entknotete die malträtierten Barbies.

»Aber Mama!«, rügte mich Samuel. »Das sind Vampir-Barbies, und die wollten gerade Luise aussaugen!«

»Ach so ist das«, murmelte ich betroffen, denn das konnte ja keiner wissen. Da traf mich ein Legostein an der Schläfe.

»Der Ober-Vampir versucht, die Barbies zu befreien und will uns dann auch aussaugen!«, kreischte Mäxchen grimmig. Er schien den Plan durchschaut zu haben. Zerzaust blickte Luise unter dem Bett hervor.

»Ich will jetzt endlich befreit werden«, beschwerte sie sich, und bevor mich weitere Legosteine treffen konnten, verließ ich fluchtartig das Kinderzimmer, und überließ Luise und ihre Barbies einem ungewissen Schicksal.

»Legosteine sind keine Wurfgeschosse«, versuchte ich meinen Söhnen am Abend zu erklären. »Man baut damit Türme oder Häuser, aber man wirft sie nicht durch die Gegend.«

»Man kann damit machen, was man will«, widersprach Samuel altklug.

»Morgen baut ihr ein nettes Schloss damit«, befahl ich ungeduldig und hätte am liebsten mit der Faust auf den Tisch gehauen wie ein alter General und »Das ist ein Befehl!« gedonnert. Aber bei uns geht es ja wie gesagt immer friedlich und harmonisch zu. Nur nicht im Kinderzimmer …

Meinem mütterlichen Druck nachgebend, bauten Max und Samuel am nächsten Morgen tatsächlich ein Legoschloss. Sie sahen nicht begeistert aus, aber sie taten es, und ich war sehr zufrieden.

»Na, es wird doch«, dachte ich mir. Und hatte mich, wie immer, zu früh gefreut. Denn wenig später hörte ich lautes Poltern aus dem Kinderzimmer dringen.

»Attacke!«, schrie Samuel und zielte mit seinem Hausschuh auf das Legobauwerk. Mäxchen bombardierte es mit Plastikdinosauriern.

»Was macht ihr da?«, rief ich erschrocken.

»Wir stürmen die Burg!«, rief Samuel. »Dafür haben wir sie doch gebaut.«

»Ihr stürmt eure eigene Burg?«, fragte ich ungläubig.

»Na, irgendwer muss es doch tun«, brüllte Mäxchen feurig und warf sich höchstpersönlich in die Legosteine. Dabei tat er sich weh und heulte sehr untapfer. Dann brauchte er ein Pflaster, viele Küsschen und ein rosa Pfefferminzbonbon, um dermaßen gestärkt Matchboxautos gegen den Plüschkopf eines Teddybären fliegen zu lassen und wenig später eine Marsinvasion erfolgreich abzuwehren.

»Warum?«, fragte ich mich schon wieder und immer wieder. »Warum sind meine Söhne so?«

Haben Sie eine Antwort? Oder haben Sie eine kleine Tochter, die singend vom Balkon aus Seifenblasen in die Welt bläst und nachmittags in eine Blumenstickerei vertieft ist? Dann wären Sie zu beneiden.

Dass nämlich auch kleine Mädchen oftmals genauso merkwürdig veranlagt sind, weiß ich seit vergangener Woche. Besagte Luise kam wieder zu Besuch. Dass sie beim letzten Mal so lange unter dem Bett auf Rettung warten musste, schien sie nicht verübelt zu haben. Sie brachte ihre drei inzwischen sehr zerrupft aussehenden Barbiepuppen mit, und kaum waren alle im Kinderzimmer verschwunden, beobachtete ich durch den Türspalt, wie Luise einer dunkelhaarigen Barbie ein Bein auskugelte und einer blonden den Kopf abbiss.

»Wir kochen Hexensuppe«, erklärte sie meinen Söhnen, die eifrig Playmobilmännchen und schmutzige Socken herbeitrugen.

Vielleicht müssen Kinder ja ein wenig gewalttätig mit ihrem Spielzeug umgehen. Vielleicht fördert es ja den gesunden Menschenverstand, und wenn man dann erwachsen ist, mag man niemandem mehr ein Bein auskugeln und damit eine Burg oder ein Parlamentsgebäude stürmen.

Umso besser, wenn man als Kind Plastikritter mitsamt Pferd das Klo hinuntergespült hat und Plüsch-Vampire mit Briobahngleisen gepfählt hat. Dann hat man das Zeug dazu, ein durch und durch friedliebender Mensch zu werden …

Tanjas Welt Band 5

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