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Anderer Leute Kinder …

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… sind entweder so dermaßen wohl gelungen, dass einem ganz schwindelig wird, oder sie sind kleine Pestbeulen. Ein Vertreter der letzteren Art war neulich bei uns zu Besuch und hörte auf den Namen Richard.

Ich muss dazusagen, dass meine Söhne, die sich irgendwo zwischen »einigermaßen gelungen« und »Pestbeule« einstufen lassen, hingerissen sind von Richard. So etwas sollte eine Mutter von vornherein misstrauisch machen. Doch ich ahnte nichts.

Richards Mutter sah auch ganz nett aus. Ihr ragte weder eine Maschinenpistole aus der Handtasche noch hatte sie einen kriminalistischen Ausdruck in den Augen. Sie war einfach eine ganz normale Frau, die ihren kleinen Sohn zum Spielen zu uns brachte. Sobald sie weg war, brach die Hölle aus, und Richard entpuppte sich auf der Stelle als echte Pestbeule. »Puuups!«, rief er, was von meinen Söhnen mit wieherndem Gelächter belohnt wurde. Überflüssig zu sagen, dass das Richard ungemein beflügelte.

»Kaka-Puuuups!«, schrie er mit sich überschlagener Stimme.

»Schluss jetzt«, ergriff ich das Wort. »Möchtet ihr gern Kakao trinken? Dann wascht mal eure …«

»Kaka-Pipi-Puuuups!«, wurde ich rüde von drei hysterisch kreischenden Jungs unterbrochen, die vor Lachen auf dem Küchenboden zusammengebrochen waren. In diesem Augenblick klingelte das Telefon.

»ICH gehe ran«, versuchte ich das Trio zu übertönen, denn ich erwartete einen wichtigen Anruf von der Bank. Dabei sollte es um eine geringfügige Dispo-Überziehung gehen, wenn Sie verstehen. Also wirklich ziemlich wichtig. Doch Richard war schneller als ich.

Er angelte sich den Hörer und rief allerlei Unflätiges hinein. Dann legte er auf und wieder rollten drei kleine Jungs vor lauter Belustigung am Boden.

»Das war aber gar nicht nett von dir, Richard«, rügte ich die Pestbeule. Das ist der Nachteil an den Kindern anderer Leute: Man kann sie nicht einfach eine Viertelstunde lang ins Bad sperren und mit Fernsehverbot bedrohen. Am liebsten hätte ich Richard allerdings aus dem Fenster geschmissen.

Auch das ging leider nicht.

Während in meinem Kopf weitere Gewalt-Fantasien erschreckend klare Konturen annahmen, klingelte wieder das Telefon.

»Ich!«, brüllte ich und schubste sechs schmutzige, gierig ausgestreckte Pestbeulen-Pfoten aus dem Weg. »Hallo!«, schrie ich verzweifelt in den Hörer. Im Hintergrund tosendes Gelächter. Die Schwiegermutter meldete sich mürrisch zu Wort.

»Kommt«, hörte ich Richard sagen, »wir bauen Wasserbomben.« Und damit verzogen sie sich, und es wurde trügerisch still in der Wohnung.

»Was ist denn bei dir wieder los?«, fragte meine Schwiegermutter.

»Hast du eben schon mal angerufen?«, fragte ich hoffnungsvoll zurück.

»Nein!«

Mist! Dann war es doch der Typ von der Bank gewesen. »Ich kann nicht lange reden«, erklärte ich.

»So!«, wurde ich sogleich gerüffelt. »Aber einen Moment wirst du wohl Zeit haben und dir erklären lassen, wie man ein Souffle macht. Frau Bromberg hat auch gesagt, dass …«

Nebenan ging etwas zu Bruch. Ich legte den Hörer sanft beiseite (ich weiß gar nicht, wer Frau Bromberg ist) und schlich mich ins Wohnzimmer, wo die Jungs gerade versuchten Wasser aus einer Blumenvase in Luftballons zu füllen.

»Spinnt ihr?«, brüllte ich. Vor lauter Schreck ging dabei eine weitere Vase zu Bruch. Sechs blaue Kinderaugen blickten voller Unschuld zu mir auf. Sechs magere Kinderschultern wurden angstvoll nach oben gezogen. Du meine Güte. Kleine Münder verzogen sich verschreckt, gleich würden sie weinen. Nein, bitte nicht. Da öffnete sich schon der erste Mund und ein lang gezogenes »Puuups!« erklang. Es klang nicht besonders reuevoll. Und dann wurde wieder gelacht und sich gewälzt, und am Telefon war die Schwiegermutter tödlich beleidigt. Deswegen legte ich schnell auf. Frau Bromberg wird bestimmt bereits unterrichtet sein, was für eine disziplinlose Person ich bin. Mir doch alles egal, dachte ich wütend, während ich Scherben und Wasser aufwischte. Die Jungs hatten sich ins Kinderzimmer zurückgezogen, wo es Legosteine hagelte. Und Größeres. Wieder klingelte das Telefon.

»Ich werde wahnsinnig«, summte ich vor mich hin. Lautes Poltern klang aus dem Kinderzimmer. Ich hechtete mich zum Hörer. Zu spät. Es wurde gerade wieder aufgelegt. An diesem Nachmittag spielten die Jungs noch »Herr Holle« und ließen Mehl vom Balkon rieseln, bis ein Passant an der Tür klingelte und sich beschwerte. Sie stießen Kakaotassen um und riefen viele, viele Male »Puuuups!«, bis endlich Richards Mutter zum Abholen gekommen war.

Ich brach auf dem Sofa zusammen und schenkte mir einen Cognac ein.

Als Robert, der liebste Ehemann, nach Hause kam, sagte er: »Na, du machst es dir aber immer nett, was? Wirklich beneidenswert!«

Wissen Sie, was ich geantwortet habe? Vielleicht lag es an meinem zerstörten Nervensystem. Oder am Cognac. Ich weiß es nicht, aber ich habe laut und deutlich »Kaka-Puuuups!« gesagt und das entsprach auch ganz genau meiner geistigen, seelischen und körperlichen Verfassung. Bei der Bank rufe ich besser erst nächste Woche zurück.

Tanjas Welt Band 6

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