Читать книгу Tanjas Welt Band 6 - Tanja Wekwerth - Страница 9
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Omas Verwöhn-Programm …
Оглавление… ist mein Untergang. Erziehungstechnisch. Denn immer wenn meine Mutter ihre schützenden Flügel über die Brut legt, komme ich mir vor wie eine besonders fiese Spielverderberin.
Und die bin ich letztlich auch. Deutlich steht es in den Augen der lieben Kleinen geschrieben. »Lass die Kinder doch ein wenig fernsehen«, sagt meine Mutter milde, als lautstark gegen meinen Ausschaltversuch protestiert wird.
»Die Kinder glotzen seit zwei Stunden«, gebe ich zurück und mein böser, böser Zeigefinger nähert sich spitz und grausam dem Schalter.
Die Kinder winseln, als würde ich ihnen gleich Stromstöße verabreichen. Prompt breitet Oma die Flügel aus. »Es ist so eine niedliche Geschichte, ich möchte auch gern wissen wie sie ausgeht!«, ruft sie trickreich. Bewundernd blicken die Kinder zu ihr auf.
»Es ist eine ganz blöde Zeichentrickserie, bei der es darum geht, wer dem anderen den größeren Hammer auf den Kopf haut!«, rufe ich gequält. Denn alle sind gegen mich. Alle! Selbst Lucky, unsere Promenadenmischung, hat sich bequem zur Oma aufs Sofa gekuschelt, obwohl der Hund weiß, dass er da nicht hingehört. Den Kopf auf das Knie meiner Mutter gelegt, blickt er mich vorwurfsvoll an. Wie kannst du diesen netten, gemütlichen Nachmittag so stören, sagt sein untreuer Hundeblick. Mein Zeigefinger zittert.
Dann guckt mich keiner mehr an. Alle Augenpaare sind wieder auf den Fernseher gerichtet, in dem der Kater Tom gerade einige Stangen Dynamit in Jerrys Mauseloch stopft.
»Köstlich«, freut sich meine Mutter. »Ist das nicht sehr, sehr komisch?«
Ich bin wütend, Mutter lächelt froh …
»Das ist Verherrlichung von Gewalt!«, wüte ich. Keiner antwortet.
Kurz darauf gibt es eine Detonation, Jerry-Maus kommt verkohlt aus dem Mauseloch gewankt. Wieherndes Gelächter lässt das Sofa erbeben. Am lautesten von allen lacht meine Mutter. Sie schlägt sich sogar auf die Schenkel. Selbst Lucky sieht erheitert aus.
»Wenn der Schwachsinn vorbei ist, kommt ihr in die Küche essen«, sage ich grollend. Und mit strengem Blick auf meine Mutter, die gerade Gummibärchen in offene Kinder- und Hundemäuler fallen lässt, wiederhole ich sehr deutlich: »Alle!«
In der Küche koche ich vor Wut. Nebenbei koche ich Brokkoli. Kinder brauchen Vitamine, obwohl ich den Eindruck habe, dass sie in letzter Zeit (genau genommen, seitdem meine Mutter zu Besuch ist) nur noch Geschmacksverstärker, Verdickungsmittel, Kohlensäure und den Farbstoff E 124 benötigen.
Eine halbe Stunde später sitzen sie am Tisch. Immer noch sehr mitgenommen von den Heiterkeitsausbrüchen.
»Und wie Jerry schließlich die böse Bulldogge auf die blöde Katze gehetzt hat …«, kichert meine Mutter und füttert Lucky mit einer Scheibe Schinken.
»Der Hund wird nicht am Tisch gefüttert«, rufe ich in das laute Gelächter.
Lucky kaut genussvoll. Ab sofort wird er kein Frolic mehr wollen, nur noch handgereichten Serrano-Schinken.
»Ich esse keinen Brokkoli«, nölt Sanne.
»Ich habe keinen Hunger«, sagt Samuel.
»Was gibt es zum Nachtisch?«, fragt Mäxchen.
»Es gibt keinen Nachtisch«, ruft die Spielverderberin vom Dienst. Das bin ich, falls Sie es noch nicht mitbekommen haben.
»Schade«, sagt meine Mutter. »Ich kann ja schnell einen Pudding kochen.«
»Nein!«, brülle ich.
»Jaaa!«, brüllen die Kinder.
»Ihr sollt jetzt was Vernünftiges essen!«, befehle ich und häufe Brokkoli auf die Teller.
»Oma soll Kirschsuppe machen«, ruft Samuel und starrt auf die Brokkoliröschen, als wären sie Gift.
»Oma SOLL gar nichts«, entgegne ich.
»Hast du auch eben gesagt«, kontert Sanne. »Wenn sie nichts soll, dann sollen wir auch nichts.«
Zwölf Jahre Schwerstarbeit an Erziehung lösen sich gerade in einen rauchigen Haufen auf.
»Lass sie doch«, sagt meine Mutter mit freundlichem Lächeln. »Ich mache ihnen schnell eine Kirschsuppe.«
»Nein«, sage ich ein letztes Mal und möchte mich am liebsten in einem Wutanfall am Boden wälzen.
»So war sie schon als Kind«, flüstert meine Mutter verschwörerisch den Kindern zu und zieht eine Grimasse.
Ich fühle mich unverstanden und ungerecht behandelt. So ähnlich wie Jerry in seiner Mausehöhle. Besänftigend legt meine Mutter ihre Hand auf meine.
»Du bist ein wenig überarbeitet, Liebes«, sagt sie. »Was hältst du von folgender Idee? Du lässt dir jetzt ein feines Bad ein, die Kinder essen ihren Brokkoli und zum Nachtisch gibt es Kirschsuppe, hm?«
Am Tisch wird gejubelt. »Oma ist die Beste!«-Hochrufe ertönen. Ist sie wohl.
Geschlagen ziehe ich mich in die Badewanne zurück und versinke in Orangenblütenschaum. Als ich wieder auftauche, sitzt meine Mutter am Wannenrand. Sie hält zwei Gläser Sekt in die Höhe und sagt: »Weißt du, es ist so toll, Großmutter zu sein. Du kannst die Kinder verwöhnen und wenn es um die Erziehung geht, bist du wieder abgereist. Eines Tages wirst du mich verstehen. Prost!«
Und dann haben wir angestoßen: Auf das Glück, eines Tages mit seinen Enkelkindern Marshmallows ins Sofa zu schmieren und dumme Zeichentrickfilme zu gucken. Darauf freue ich mich schon richtig.