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Meine Kinder mögen Eis – keine Kunst

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»Auch im Urlaub kann man nicht immer nur mit Playmobil spielen«, sagte ich meinen Kindern. Schließlich wollte ich sie allesamt in die Neue Pinakothek schleppen …

»Stimmt«, antwortete Samuel einsichtig. Doch bevor ich allzu stolz auf ihn sein konnte, ergänzte er: »Und deswegen gehen wir heute ins Schwimmbad und zu Mittag in die Pommesbude!«

»Nein!«, widersprich ich streng. »Wir gehen in eine Gemälde-Ausstellung!«

»Wer hat da was gemalt?«, wollte Sanne wissen.

»Ganz viele Maler. Zum Beispiel Caspar David Friedrich«, schwärmte ich. »Ein romantischer Maler, er gilt als einer der größten Künstler Deutschlands und des neunzehnten Jahrhunderts und …«

»Ach, nö«, sagte Mäxchen, unser Jüngster, daraufhin schlicht. »Ich möchte doch lieber ins Schwimmbad.«

»Meine Güte!«, rief ich ungehalten. »Andere Kinder in eurem Alter haben schon Opern komponiert. Mozart zum Beispiel. Und ihr wollt immer bloß spielen. So ein bisschen Kunstgeschichte wird euch nicht wehtun!«

So kam es, dass ich mich mit meinen drei desinteressierten, schwitzenden Kindern an einem heißen Nachmittag im August auf den Weg in Münchens Theresienstraße machte.

In der Leopoldstraße gab es die erste Krise. »Mir ist heiß«, knatschte Samuel.

»Wir sind ja gleich da«, beruhigte ich ihn. »Du wirst sehen: Die Ausstellung gefällt euch ganz sicher. Friedrich zum Beispiel gilt mittlerweile als Wegbereiter der europäischen Moderne.« Ich muss gestehen, dass ich mich wirklich gut auf diesen Museumsbesuch vorbereitet hatte.

»Wie hat der denn den Weg bereitet?«, motzte Samuel.

»Nun …«, begann ich verunsichert.

Zum Glück unterbrach mich Sanne in diesem Moment. »Gibt es da eine Klimaanlage?«, wollte sie wissen, und das begann mich dann wieder zu ärgern.

»Wieso …«, meckerte ich, »… wieso seid ihr so ignorant? Was ist so schlimm an weltberühmten Gemälden, die die Natur als Spiegel menschlicher Empfindungen betrachten, was ist so schlimm an …«

Schon wieder wurde ich unterbrochen. »Gefühle ?«, rief Mäxchen mit schriller Stimme. »Was haben denn die damit zu tun?«

»Kinder«, sagte ich und bemühte mich um mütterlich heitere Gelassenheit, was mir bei über dreißig Grad verdammt schwer fiel. »Dieses Museum ist ein künstlerischer Höhepunkt der Stadt München. Mehr als 400 bedeutende Gemälde des 18. und 19. Jahrhunderts sind hier zu sehen.«

»Vierhundert Bilder?«, schrie Sanne entsetzt auf. »Du heiliger Strohsack! Wie lange wird das dauern?«

Genervt stöhnte ich auf. »Andere Kinder spielen Schach und Geige und überspringen nebenbei noch ganz lässig zwei Klassen. Und alles, was ich von euch erwarte, ist, dass ihr einfach mal eine Ausstellung besucht!«

»Und andere Kinder dürfen Reiterferien auf dem Ponyhof machen!«, konterte Sanne geschickt.

»Ich will ein Eis«, quengelte Samuel. »Andere Kinder kriegen jeden Tag dreimal Eis.«

So viel zum Argument »andere Kinder«.

»Ihr bekommt nach der Ausstellung ein Eis, okay?«, versuchte ich zu verhandeln. Ohne großen Erfolg.

»Jetzt!«, beharrten die Kinder.

»Später!«, betonte ich.

»Jetzt!«

»Später!«

»Jetzt!«

»Okay!«

Umgehend wurde der nächste Eisstand von uns belagert, und es dauerte eine Weile, bis meine Kinder sich entschieden hatten, ob sie nun Erdbeer-Himbeer-Eis im Hörnchen oder lieber grünes Shrek-Eis im Becherchen haben wollten.

»Und gleich können wir uns in aller Ruhe die Gemälde ansehen«, rief ich froh und bemühte mich sogleich wieder darum, das Kunst-Interesse der Kinder zu erwecken. »Wisst ihr, dass Friedrich und viele seiner Kollegen im Alter hoch verschuldet waren ?«

»Na!«, machte Sanne abfällig und bohrte ihre Zunge in eine Kugel Eis. »Zum Malen braucht man ja nicht viel Geld. Wenn allerdings Britney Spears keine Platten mehr aufnehmen könnte – das wäre schlimm!«

»Oder Benjamin Blümchen!«, rief Max voller Entsetzen.

»Das wäre gar nicht so schlimm«, widersprach ich, und so langsam fragte ich mich, ob ich tatsächlich die Nerven haben würde, mit drei mürrischen, erhitzten Kindern in die Pinakothek zu gehen. Würden sie nicht nacheinander alle aufs Klo müssen, anschließend Durst haben und sich dann sowieso nur für Feuerlöscher und Notausgangsschilder interessieren?

Inzwischen hatten wir den Vorplatz des Museums erreicht, und für all jene, die es nicht wissen: Da stehen einige Bäume, unter deren kühlen Schatten man es sich bequem machen kann.

Das haben wir dann alle vier auch getan, und weiter sind wir an diesem heißen Nachmittag im August nicht mehr gekommen. Wir haben noch ein Eis gegessen, und dann sind wir ins Hotel gegangen und haben die Maler eben Maler sein lassen.

Ich werde morgen allein wiederkommen und am Nachmittag mit den Kindern ins Schwimmbad gehen und Pommes rotweiß essen. Andere Kinder sind in diesem Alter vielleicht bereits Klaviervirtuosen und spielen nicht mit Playmobil, aber meine Kinder sind eben ganz normale Kinder, und ganz besonders nette – wenn sie dreimal am Tag Eis essen dürfen.

Tanjas Welt Band 6

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