Читать книгу Tanjas Welt Band 6 - Tanja Wekwerth - Страница 14

13
Frau zu sein wird immer schwieriger …

Оглавление

Sich intensiv um die Kinder zu kümmern, verschafft einem den Titel »Gluckenmutter«. Frauen, die arbeiten, sind »Rabenmütter«.

Du liebe Güte, man kann es gar nicht richtig machen. Wenn ich auf der Parkbank sitze und versonnen meinen Kindern beim Spielen zusehe, kann ich mir die Kommentare meiner lieben Mitmenschen denken:

»Guck mal, die da drüben. Die hat wohl nichts zu tun. Hockt am helllichten Tag im Park rum. Mit der Zeitung auf dem Schoß. Als ob so ein Weibchen lesen könnte!«

Und wenn ich vor dem Computer brüte und meine Kinder anmeckere, leise zu sein, heißt es bestimmt: »Guck dir bloß mal Frau Wichtig am Computer an. Lässt ihre Kinder vor der Glotze verwahrlosen. Anstatt sich um sie zu kümmern, schreibt sie irgendwelche blödsinnigen Emanzen-Geschichten. Es ist ein Jammer!«

Ja, es ist ein Jammer, dass man sich für alles rechtfertigen muss. Neulich habe ich etwas über den Begriff »Quality Time« gelesen. Qualitäts-Zeit also. »Nicht die Zeit-Menge, die eine Mutter mit ihren Kindern verbringt, ist ausschlaggebend, sondern die Qualität der miteinander verbrachten Zeit«, stand da geschrieben.

Wer redet eigentlich von den Vätern, fragte ich mich. Und dann fragte ich mich noch, ob zehn Minuten superharmonisches Puzzeln abends um neun wirklich etwas mit Qualität zu tun haben. Oder vielleicht doch eher etwas mit dem schlechten Gewissen … das einen schon wieder heimsucht.

Ich habe es trotzdem ausprobiert. Lesen sie selbst:

Es ist ein sonniger Nachmittag. Ich hätte gerade JETZT eine halbe Stunde Zeit. Später muss ich dringend mit der Bank telefonieren und anschließend Papierkram erledigen, aber JETZT würde es wirklich gut passen, JETZT beginnt die »Quality Time« …

»Wer will mit mir spii-ii-iielen?«, erklingt mein mütterliches Stimmchen in der Wohnung. Ich erhalte keine Antwort. Also mache ich mich frohgemut auf die Suche nach meinen Kindern. Schließlich tickt die Uhr.

Sanne liegt auf ihrem Bett und liest in einem dicken Schmöker.

»Was?«, fragt sie geistesabwesend und hebt nicht mal den Kopf.

»Wollen wir was zusammen machen?«, frage ich hoffnungsvoll.

»Nö«, sagt sie und dreht mir mitsamt Buch den Rücken zu.

»Hm«, denke ich ein wenig ratlos und gehe ins Jungszimmer. Hier wird gerade eine enorme Brio-Bahn konstruiert. Wieder hebt niemand den Kopf, als ich mein Spielangebot mache.

»Haaaaa!«, kreischt Samuel stattdessen. »Jetzt ist der Güterwagen in den Bahnhof gesemmelt. Harr! Harr! Was willst du denn, Mama?«

»Mit euch spielen«, erwidere ich und hocke mich neben die Gleise.

»Nee, lass mal«, antwortet Mäxchen und klopft mir gönnerhaft auf die Schulter.

»Aber einen Apfelsaft könntest du uns bringen.«

Moment mal! Das wird jetzt gerade das Modell »Steinzeit«, das Eva Herman propagiert: Muttis an den Herd und Klappe halten!

»Hol dir deinen Saft allein«, meckere ich und setze mich frustriert auf ein Kissen. »Ich wollte doch mit euch spielen.«

»Wir spielen schon«, sagt Samuel ungeduldig. »Außerdem hast du dich gerade auf das Kernkraftwerk gesetzt!«

Also bitte schön. Wer sitzt schon gern auf einem Kernkraftwerk? Ich erhebe mich, so würdevoll es geht, und gehe nachdenklich hinaus. Dann eben nicht, denke ich und laufe ein wenig ziellos herum. Schließlich mache ich mir einen Kaffee, greife zur Zeitung, hüpfe aufs Sofa, und …

Ja, genau. In diesem Moment bauen sich die Jungs vor mir auf. »Wir dachten, du wolltest mit uns spielen«, mosern sie.

»Das kann ja wohl nicht wahr sein!«, rufe ich und verstecke mich hinter der Zeitung.

»JETZT darfst du mitspielen«, wird mir erklärt.

»Aber JETZT will ich nicht mehr«, antworte ich. »JETZT trinke ich meinen Kaffee und dann muss ich zur Bank!«

»Tim und Struppi vorlesen«, stößt Samuel hervor. Es klingt wie eine Drohung.

»JETZT nicht«, erwidere ich unbeeindruckt.

»Niiie spiiielst du mit uns!«, lautet die einstimmige Antwort meiner Söhne. Ich seufze. Sollte ich ihnen jetzt die Sache mit der »Quality Time« erklären? Ich habe sie wohl selbst nicht so recht begriffen, sonst hätte sie mir nicht so viel Unfrieden beschert.

Was vielleicht einmal mehr zeigt, dass Mutterschaft eine viel zu persönliche und komplexe Angelegenheit ist, als dass man sie in Vorschriften und Merksätze pressen könnte.

Also lassen Sie sich bloß nicht verrückt machen. Jede Mutter macht es auf ihre Weise schon irgendwie richtig. Ich bin jedenfalls eine bekennende Rabenglucke.

So ein bisschen »Quality-Time« beanspruche ich nämlich auch für mich selbst.

Tanjas Welt Band 6

Подняться наверх