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Kinder spielen – wer kommt da zu Wort?

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Sagen Sie Ihren Kindern auch zwanzigmal dasselbe? Und nichts passiert? Vor allem Sätze wie »Räum dein Zimmer auf« stoßen auf so taube Ohren, dass ich manchmal ehrlich besorgt bin …

Aber nur manchmal! Denn wenn ich flüstere: »Möchtet ihr ein Eis?« – dann eilen die lieben Kleinen aus den entferntesten Ecken der Wohnung heran und schreien begeistert: »Jaaa!«

Vielleicht sagen Sie Ihrem lieben Mann ja auch immer dasselbe, und nichts passiert.

»Schatz, nimmst du bitte den Mülleimer mit, wenn du gleich gehst?«, wäre zum Beispiel so ein Satz, der einfach nicht ankommt. Testweise habe ich einmal geflüstert: »Schade, dass Hertha aus der Fußball-Bundesliga abgestiegen ist.« Daraufhin hat sich Robert, der liebste Ehemann, verzweifelt die Haare gerauft.

Manchmal muss man aber auch aus anderen Gründen etwas immer wieder sagen. Wenn man sich beispielsweise mit seiner Freundin unterhalten will, und sie ihre beiden Kinder mitgebracht hat, damit sie mit meinen drei Kindern spielen.

»Du«, sagt Marie, und ihre Augen glitzern so merkwürdig. »Ich muss dir was erzählen.«

»Was?«, rufe ich neugierig und gieße uns Kaffee ein. Wir sitzen auf dem Balkon. Marie nimmt einen Schluck, dann holt sie Luft – und ihr Sohn Paul biegt heulend um die Ecke. »Der Samuel hat mich gehauen!«, brüllt er. Samuel trottet hinterher. »Gar nicht, der lügt, der Eierkopp!«, kreischt er. Die Mütter schlichten, alles halb so schlimm, man haut sich nicht, man sagt nicht »Eierkopp« und so weiter.

»Also …«, sagt Marie. Ich nicke ihr aufmunternd zu. Sanne ruft etwas.

»Also …«, sagt Marie wieder.

»Blut, Blut!«, kreischt es aus dem Kinderzimmer. Marie und ich springen auf, rasen los. Im Kinderzimmer liegt kein Kind in einer Blutlache, im Gegenteil: Alle fünf sitzen friedlich im Kreis und gucken uns entnervt an. »Was ist?«, fragt Mäxchen. »Wo ist Blut?«, fragt Marie, und ihre Stimme zittert leicht.

»Wir spielen doch nur«, erklärt uns die Tochter von Marie ungehalten.

Marie und ich kehren zurück auf den Balkon. »Also wirklich«, kichert Marie erleichtert. »Du wolltest mir doch was erzählen«, sage ich.

»Genau.« Maries Augen kriegen schon wieder dieses mysteriöse Funkeln. »Also …« Sie räuspert sich.

»Poooo abwischen!«, ruft es aus dem Badezimmer.

»Sag schon«, flehe ich.

»Du kannst dich doch erinnern, dass ich …«, beginnt sie. »Poooo abwischen!«, kreischt es lauter. Sie seufzt und sprintet ins Bad. Ich seufze gequält. Was ist nur los? Hat sie einen Liebhaber? Wandert sie aus? Ist sie schwanger?

»Du kannst dich doch erinnern, dass ich …«, wiederholt sie, als sie nach einer Weile wieder da ist.

»Der hat schon wieder ›Eierkopp‹ zu mir gesagt«, flennt Paul und kriecht beleidigt auf Maries Schoß.

»Jetzt geht mal schön spielen«, versucht Marie, ihn abzuwimmeln, aber Paul findet es herrlich auf Mamis Schoß, bohrt seinen schmutzigen Zeigefinger in ihren Erdbeerkuchen und will Kaffee kosten. »Lass ihn doch, erzähl weiter«, sage ich und werde allmählich nervös.

»Das geht nicht«, zischt sie mit einem Blick auf Paul. Oh! Es ist also nicht ganz jugendfrei, was sie zu berichten hat. Also doch der Liebhaber?

»Paul«, flöte ich mit meiner allerliebsten Stimme. »Der Samuel hat ein neues Lego-Auto. Willst du dir das mal ansehen?«

»Nö«, sagt Paul und vertilgt eine Erdbeere. »Und wie geht es sonst so?«, frage ich Marie erschöpft.

»Ganz gut«, sagt sie. Dann schweigen wir, warten darauf, dass es Paul zu langweilig wird. Wird es ihm aber nicht. Auf Mamis Schoß Erdbeeren aus dem Kuchen zu bohren ist gerade sein größtes Glück. »So!«, sagt Marie. »Nun gehst du mit den anderen spielen und lässt mich mit der Tanja reden, ja?«

»Nö«, sagt Paul. Samuel kommt auf den Balkon. »Boooah«, ruft er entrüstet. »Der Eierkopp isst Erdbeeren ohne Kuchen!«

»Jetzt ist es genug«, meckere ich los. »Ihr geht jetzt spielen und Schluss!« Die Jungs trollen sich, dafür kommen die Mädchen. »Dürfen wir uns mit deinen Sachen schminken?«, fragt Sanne.

»Ja doch!«, schnauze ich. Alles würde ich jetzt erlauben, nur um meine Ruhe zu haben. Sanne scheint es zu ahnen. »Und uns deine Kleider anziehen?«

Ich nicke. Gleich verliere ich meinen Verstand, wenn ich nicht endlich erfahren darf, was Marie mir zu berichten hat.

»Also …«, sagt sie zum vierten Mal.

»Sprich schneller«, unterbreche ich sie. Die Haustür klappt. Robert, Ehemann und Hertha-Fan, kommt nach Hause. »Wie nett«, ruft er. »Die Damen haben es sich gemütlich gemacht. Na, euer Leben möchte ich auch führen.«

Dass das hier Schwerstarbeit ist und wir seit Stunden versuchen, ein Gespräch in Gang zu bekommen, ist nicht zu erkennen.

»Wir gehen!«, ruft Marie ins Kinderzimmer. Und Sie werden es bereits ahnen: Die Kinder spielen friedlich, keiner hört, keiner kommt.

»Ich rufe dich heute Abend mal an«, sagt Marie müde. »Wenn nichts dazwischenkommt.«

Ich weiß leider bis heute nicht, was sie mir erzählen wollte. Aber ich werde sie demnächst mal zu einem Abendessen einladen. Ohne Kinder! Und ohne Ehemänner …

Tanjas Welt Band 4

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