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Freunde mit hohen Ansprüchen

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Dass ein Restaurant-Besuch mit Kindern sich als anstrengend erweisen kann, habe ich Ihnen bereits beschrieben. Dass es mit Erwachsenen noch komplizierter werden kann, weiß ich seit letztem Wochenende.

Robert, der liebste Ehemann und ich, waren mit einem befreundeten Ehepaar in einem feinen Restaurant verabredet, und ich freute mich schon ungemein auf einen entspannten Abend. Wir würden Gespräche führen können, ohne unterbrochen zu werden von kleinen Stimmchen, die unermüdlich rufen: »Mama, ich habe Durst. Mama, ich muss aufs Klo. Mama, mir schmeckt die Soße nicht!«

Wir würden in aller Ruhe essen können, ohne auf anderen Tellern Fleisch in winzige Häppchen zu schneiden und Erbsen nach links und Möhrchen nach rechts zu sortieren. Was für eine Freude!

Robert und ich saßen an diesem denkwürdigen Abend schon an einem weiß gedeckten Tisch, als Petra und Ulli eintrafen. Wir begrüßten uns herzlich, gerade brachte der Kellner vier Gläser Sekt. Alles war perfekt.

»Da wird ein Tisch am Fenster frei«, rief Petra nach dem ersten Schluck. »Wollen wir uns rasch umsetzen?«

»Ach, nein«, antwortete ich. »Das ist mir doch viel zu ungemütlich.«

Aber Petra wuchtete bereits ihre Handtasche auf einen der Stühle. Was blieb uns anderes übrig, als ihr zu folgen?

Nun saßen wir an einem verkrümelten Tisch voll von schmutzigem Geschirr. Ein kalter Hauch Bratensoße stieg mir in die Nase.

»Ist das nicht viel schöner hier?« Petra strahlte mich über die heruntergebrannte Kerze hinweg an. Ich blieb ihr die Antwort schuldig und trank einen Schluck Sekt. Wenig später hatte der Kellner den Tisch neu eingedeckt, und ich begann mich wieder zu entspannen. Petra hatte ja Recht. Von hier hatten wir einen wunderbaren Blick auf den beleuchteten Kurfürstendamm. »Was werden wir denn Schönes essen?«, fragte ich munter.

»Es zieht ein wenig«, sagte Petra. Ulli verzog belustigt das Gesicht. »So ist sie immer«, lachte er laut. »Petra hat sehr hohe Ansprüche!«

Ich sah, wie Robert seine Serviette zerknüllte.

»Also, ich finde wirklich, dass es zieht!« Petra zog die Schultern hoch und schüttelte sich. »Von Zugluft bekomme ich sofort einen steifen Nacken.«

Konzentriert starrte ich in die Karte. »Dich scheint es nicht zu stören?«, beharrte Petra. »Sieh nur, wie die Kerzenflamme in der Zugluft flackert.«

»Ich setze mich nicht wieder um«, knurrte ich.

Petra starrte mich an, als wäre ich das egoistischste Geschöpf unter dieser Sonne. »Du sitzt ja auch nicht in diesem mörderischen Wind!«

»Wollen wir die Plätze tauschen?«, bot ich ihr an, denn ich wollte endlich einen entspannten Abend haben.

Eifrig begann Petra, Handtaschen, Sektgläser und angebissene Brötchen zu verschieben.

»Ist jetzt alles in Ordnung?«, fragte ich skeptisch.

»Wun-der-bar!«, rief Petra. Jetzt konnte es endlich losgehen mit den Erwachsenengesprächen und der Gemütlichkeit. Zufrieden studierte ich die Speisekarte, entschied mich für Salat, Fisch und Weißwein, klappte die Karte zu und trank einen Schluck Sekt.

»Hach«, machte Petra verärgert. »Haben die keine vegetarischen Gerichte?«

»Iss doch den Gemüseauflauf«, riet ich ihr.

»Ich hasse aber Kapern. Hier sind überall Kapern drin. Ich weiß überhaupt nicht, was ich nehmen soll. Wir hätten chinesisch essen gehen sollen.«

Verzweifelt sah Petra auf. »Es gibt hier ganz in der Nähe ein wunderbares Restaurant …«

Ulli tätschelte ihren Arm. »Ja ja, meine Petra, sie ist immer so anspruchsvoll. Das sieht man ja schon an der Wahl ihres Ehemannes.« Und dann lachte er wieder so laut, dass sich die Leute am Nebentisch zu uns umdrehten.

»Ich hasse es, wenn mir jemand im Rücken sitzt«, beschwerte sich Petra. »Dann fühle ich mich so beobachtet.«

»Das kann einem in einem Restaurant schon mal passieren«, meldete sich Robert zu Wort. Seine Serviette war inzwischen völlig zerrupft.

Als der Kellner an unseren Tisch kam, um die Bestellung aufzunehmen, hatte Petra noch immer keine Wahl getroffen.

»Nehme ich die Rehnüsschen? Aber dann bitte ohne Prinzessböhnchen, lieber mit Pommes frites. Oder lieber doch den Seeteufel? Aber ich kann keine Sahne vertragen, ich hätte stattdessen lieber Zitronensaft und frisch gehackte Petersilie. Oder warten Sie …«

So ging es eine Weile hin und her. Und als sie endlich einen kleinen, gemischten Salat bestellt hatte, hatte ich jegliche Hoffnung auf einen entspannten Abend aufgegeben. Einen Versuch wollte ich noch wagen.

»Habt ihr schon die neue Ausstellung in der Nationalgalerie gesehen?«, fragte ich.

»Wo ist denn hier das Klo?«, unterbrach mich Petra. »Ich muss mal ganz dringend pinkeln. Kommst du mit?«

»Nein«, flüsterte ich. Ich wollte nicht mit ihr aufs Klo, ich wollte auch nicht gleich meinen Teller mit ihrem tauschen müssen, weil ihr irgendeine Soße nicht schmecken würde. Ich wollte am liebsten nach Hause.

»Wir Mädels gehen doch immer zusammen aufs Klo«, kicherte Petra und zog mich am Arm hinter sich her zu den Toiletten.

»Haben die hier keinen Tamponautomaten?«, nörgelte sie, dann lächelte sie mich an. »Das ist doch richtig nett heute Abend. Und das nächste Mal gehen wir mexikanisch essen.«

Ich glaube, das nächste Mal gehe ich wieder mit meinen Kindern essen. Das ist unkomplizierter …

Tanjas Welt Band 4

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