Читать книгу Tanjas Welt Band 4 - Tanja Wekwerth - Страница 6

5
Der Besuch einer alten Freundin

Оглавление

Neulich erwartete ich Besuch von einer Bekannten, die ich jahrelang nicht mehr gesehen hatte. Und – ich werde ganz ehrlich sein: Ich wollte sie doch ein klein wenig beeindrucken …

Mein Zuhause sollte aussehen, wie ein wahr gewordener Wohntraum aus der »Schöner Wohnen«-Zeitschrift. Die Kinder sollten wohlerzogene Engel sein und ich selbst? Nun, mir schwebte das Bild einer sympathischen, jungen Frau vor, die lässig und souverän alles unter Kontrolle hat.

Sympathisch bin ich meistens und jung auch einigermaßen. Alles unter Kontrolle habe ich eher selten, von »lässig und souverän« ganz zu schweigen. Aber das brauchte man mir an diesem Nachmittag ja nicht unbedingt anzumerken.

Gleich am frühen Morgen des besagten Tages schwang ich Staubtücher, zerrte den dröhnenden Staubsauger hinter mir her, stocherte Barbie-Puppen und Matchbox-Autos unter dem Sofa hervor. Dann stellte ich mich in den Türrahmen des Wohnzimmers und tat so, als sähe ich es zum ersten Mal.

Das Sofa machte einen ziemlich abgewetzten Eindruck, und seit wann hatte dieser bunte Läufer ein Loch? Spontan beschloss ich, das Sofa weiter nach vorn zu ziehen, bis es das Loch verdeckte. Ich schob und zog. Leider verknackste ich mir dabei meinen Nacken.

Schmerzgebeugt humpelte ich ins Kinderzimmer, arrangierte Kuscheltiere, schmiss Laster und Kräne in Spielzeugkisten, legte die Blümchenvorhänge in dekorative Falten. Die Betten waren noch zu machen, und ich hatte nur noch fünf Stunden Zeit.

Blumen mussten her, fiel mir plötzlich ein. Mit wirren Haaren voller Staubflusen eilte ich in den Blumenladen an der Ecke und besorgte zwei Sträuße. Die Sonnenblumen stellte ich auf den gewischten Küchentisch, auf dem außerdem in einem Obstkorb grüne Apfel und gelbe Birnen leuchteten. Auf meinem Nachttisch stand wenig später ein entzückender Strauß Teerosen, als wäre es ganz selbstverständlich. Daneben stapelte ich einige Bücher von Thomas Mann und Heinrich Heine.

Wenn nur dieser Nacken nicht so schmerzen würde! Im (inzwischen geputzten) Badezimmer rieb ich mir etwas ABC-Salbe auf die verknackste Stelle und dekorierte nebenbei einige Muscheln auf dem Badewannenrand. Dann holte ich die Kinder aus Schule und Kindergarten, kämmte ihre Haare, ließ Sanne ein kariertes Kleid anziehen und wollte ihr Satinbänder ins Haar flechten, was sie nicht mit sich geschehen ließ.

»Bitte«, flehte ich, denn es hätte allerliebst ausgesehen. »Niemals«, lautete die Antwort. »Das Kleid ist schon schlimm genug!«

Also machte ich mich über die Jungen her, steckte sie in pastellfarbene Hemden, zog artige Seitenscheitel.

»Wie Engelchen seht ihr aus«, rief ich begeistert.

Ein zweistimmiges Knurren war die Antwort, was nicht sehr engelhaft klang.

»Ihr sprecht nur, wenn ihr gefragt werdet, ihr kleckert nicht, ihr macht keine merkwürdigen Geräusche, und wenn ihr aufs Klo müsst, ruft ihr nicht durchs ganze Haus ›Poooo abwischen!‹ Alles klar?«, schärfte ich ihnen ein. Wieder wurde nur geknurrt.

Und nachdem ich mich geduscht, geschminkt und umgezogen hatte, legte ich eine Mozart-CD ein, entzündete Duftkerzen auf dem liebevoll gedeckten Kaffeetisch. Es war sechzehn Uhr. Lässig fütterte ich noch eben die Fische im Aquarium, damit sie nicht so verhungert gucken würden. Fertig! Von wegen, ich wäre nicht lässig und souverän! Ich war einfach perfekt. Wie die Orgelpfeifen saßen die Kinder stumm auf dem umgestellten Sofa.

»Na?«, fragte ich sie selbstzufrieden. »Wie habe ich das gemacht?«

»Knurr.«

»Könnt ihr auch sprechen?«, herrschte ich sie an.

»Dürfen wir ja nicht, nur weil deine blöde Pups-Freundin uns besucht!«, brach es aus Samuel hervor.

»Pssst!«, machte ich entsetzt. »Sie kann jetzt jeden Moment kommen.«

Um es kurz zu machen: Sie kam nicht. Mozart verklang, die Kerzen brannten herunter, die Kinder tobten bekleckert auf dem Sofa herum.

Erschöpft setzte ich mich auf einen Stuhl und massierte mir den Nacken. An diesem Tag ging ich früh zu Bett.

Genau eine Woche später (das abgewetzte Sofa stand wieder an der alten Stelle, die Blumen waren verblüht), klingelte es um sechzehn Uhr an der Tür. Ungeschminkt, in Schlabberjeans kreischte ich ins legosteinübersähte Wohnzimmer: »Macht mal den Fernseher leiser!«, bevor ich öffnete und zur Salzsäule erstarrte. Da stand sie: Ulrike, die ich vor einer Woche erwartet hatte!

»Tanja!«, rief sie und sah erfreut aus.

»Willkommen«, hauchte ich und dachte an das Frühstücksgeschirr, das noch auf dem Küchentisch stand.

»Wie nett deine Wohnung ist«, zwitscherte sie und nahm auf dem Sofa Platz.

Während ich panisch in der Küche Kaffee kochte, blätterte ich im Kalender und stellte fest, dass Ulrike tatsächlich für heute angemeldet war und ich mich um eine Woche geirrt hatte. Am liebsten hätte ich geweint. Ich fegte Puzzleteile vom Tisch, stellte trockene Kekse vor meinen Gast hin und knurrte leise in meine Tasse.

»Weißt du, Tanja«, sagte Ulrike und biss fröhlich in einen Keks, dass es nur so krachte, »bei dir ist alles so echt und unverstellt. Ich hatte schon Angst, es würde aussehen wie in einem ›Schöner Wohnen‹-Heft.« Da wurde aus meinem Knurren ein Lachen, und während die Kinder lautstark Fangen spielten, hatte ich mit Ulrike noch einen richtig netten Nachmittag. Ganz wie im echten Leben!

Tanjas Welt Band 4

Подняться наверх