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Endlich weg mit dem Winter-Speck

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Die steigenden Temperaturen und dünnere Kleidung erinnern mich in letzter Zeit an das, was ich mir vor vielen Wochen vorgenommen habe: ein sportlicher Mensch zu werden …

Speck von zahlreichen Wintern hat es sich auf meinen Hüften gemütlich gemacht, und ich mache es mir eigentlich auch gern mal gemütlich: auf dem Sofa, auf dem Balkon. Dazu ein Stückchen Kuchen, ein Eckchen Schokolade. Und wie ich gerade erst in einer Zeitschrift gelesen habe, ist das alles ja auch erlaubt, wenn man den Ausgleich schafft. Zu Deutsch: Sport treibt.

Eine andere Art Ausgleich gibt es wohl leider nicht. Wenn ich also dreimal um den Häuserblock renne, darf ich ungestraft ein Snickers mit extra viel Erdnüssen essen. Das ist doch ein Angebot! Und wenn ich zehn Bahnen schwimme, wird sich das Stück Marzipantorte nicht auf meinen Hüften niederlassen.

Ich liebe Marzipantorte! Ich hasse Schwimmbäder!

Aber ich war wild entschlossen, in meinem Leben für Ausgleich zu sorgen, und deswegen suchte ich letzte Woche in den Untiefen meines Kleiderschrankes nach dem etwas verblichenen Badeanzug und ging ins Schwimmbad. Warmer Chlorgeruch schlug mir entgegen, und mir wurde ein wenig übel.

»Nun reiß dich zusammen!«, schimpfte ich mit mir und eilte in die Umkleidekabine.

Hier gab es viele Frauen, die wohl gern Marzipantorten aßen, und ich fühlte mich nicht mehr so dick. Trotzdem war es ziemlich voll und eng, es roch ein wenig nach Schweiß und Parfüm.

Ich überlegte kurz, ob ich nicht doch lieber dreimal um den Häuserblock rennen wollte. Doch dann war ich wieder tapfer, schlüpfte in den Badeanzug und eilte in den Duschraum. Unterwegs traf ich einen nackten Mann, der mich freundlich anlächelte. »Habe nur mein Duschgel vergessen«, erklärte er mir.

»Aha«, stammelte ich peinlichst berührt.

Er lief an mir vorbei, als wäre nichts dabei. Ich hörte ihn noch etwas murmeln, wollte mich aber für nichts in der Welt umdrehen.

So langsam wurde das alles sehr anstrengend.

Mein Gesicht glühte heiß und rot vor Scham. Als hätte ich noch nie einen nackten Mann gesehen! Ich hatte bestimmt schon jede Menge Kalorien verbrannt für Stress, Schock und Gerangel in der Umkleidekabine.

Jetzt musste ich noch duschen. Während ich mit meinem Duschgel unter dem Arm auf eine freie Dusche wartete, fragte ich mich, was ich mir eigentlich antat. Ich beobachtete eine dünne, nackte Dame, die sich gerade singend das Haar wusch, und eine andere, die ihr Gesicht genussvoll in den warmen Wasserstrahl hielt.

Endlich war sie fertig damit, und ich war an der Reihe. Wie ich laut kreischend feststellen musste, war der Wasserstrahl aber gar nicht warm, sondern eiskalt gewesen, und ich hatte an diesem Vormittag einen weiteren Schock erlitten.

»Kräftigt das Bindegewebe«, erklärte mir meine VorDuscherin grinsend, bevor sie den Raum verließ. Wütend kurbelte ich am Wasserhahn. Aaah, schön heiß. Ja, so ließ es sich aushalten.

Ich stand lange unter dem warmen Strahl, der meine Nerven beruhigte. Ob das für heute genügte? Ob ich jetzt wieder nach Hause durfte?

Meine Oma hat immer gesagt: »Der gute Wille zählt.«

Der gute Wille verbrennt aber leider keine Kalorien, also weiter. Etwas verunsichert schlich ich mich ans Wasserbecken. Schön blau sah das aus. Viele Köpfe zogen ihre Bahnen darin. Da hinten schwamm die singende, dünne Dame und hinter ihr der vergessliche Nackte, der hoffentlich seine Badehose inzwischen anhatte.

Als er mich sah, winkte er fröhlich, und ich lief zu meinem Ärger schon wieder rot an. Schnell ließ ich mich ins Wasser fallen.

»Springen vom Beckenrand verboten!«, schnauzte mich ein dicker Bademeister an, als ich wieder auftauchte.

»Entschuldigung«, sagte ich und schluckte vor Schreck ein wenig Wasser, das nicht gut schmeckte.

Dann fädelte ich mich in die vorüberschwimmenden Köpfe ein, vor mir ein kahlköpfiger Opa, hinter mir eine prustende Dame. Ich holte tief Luft, konzentrierte mich auf meine Armund Beinbewegungen. »Schön kräftig durchziehen«, hatte in der Zeitschrift gestanden.

»Aua!«, meckerte die Dame hinter mir. »Sie haben mich getreten.«

»Entschuldigung«, sagte ich schon wieder und paddelte eine Weile zaghaft vor mich hin, um keinem mehr wehzutun. Der Opa vor mir hatte seinen Schwimmkurs geändert und war abgetaucht, dafür kamen mir zwei miteinander schwatzende Frauen entgegen. Hastig schwamm ich aus dem Weg, stieß mit einer Hochschwangeren zusammen und musste mich schon wieder entschuldigen.

Drei Schwimmzüge später rammte mir jemand seinen Fuß ins Kreuz. Chlor brannte in meinen Augen. Ich erreichte den Beckenrand; sah, wie der vergessliche Nackte Kurs auf mich hielt, und kletterte eilig aus dem Wasser.

»Genug!«, schrie es in mir, und auf die innere Stimme soll man ja bekanntlich hören.

»Wenn ich hier ohne Fußpilz, Bindehautentzündung und blaue Flecken wieder rauskomme, werde ich zweimal die Woche durch den Park joggen«, schwor ich mir und ergriff die Flucht.

An diesem Nachmittag gönnte ich mir auf meinem Balkon ein großes Stück Marzipantorte. Das hatte ich mir wirklich verdient.

Und nächste Woche werde ich das erste Mal joggen gehen. Oder übernächste.

Tanjas Welt Band 4

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