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Mit der besten Freundin im Café

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»Wenn du nichts Gutes über einen anderen zu sagen hast, dann sage lieber gar nichts.« Ist das nicht eine edle Aussage? Allerdings stammt sie nicht von mir …

Sie stammt von meiner Oma. Ich dagegen tratsche ganz gerne mal ein bisschen über meine Mitmenschen. Eher harmlos – aber immerhin. Neulich, da saß ich mit meiner Freundin Marie in einem Straßencafe, und wir lästerten über die vorüberlaufenden Passanten.

»Guck dir diesen Hut an«, zischte Marie über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg. »Tssss«, antwortete ich abfällig, als ich den rosaroten Strohhut auf dem Kopf einer jungen Frau erblickt hatte, und es klang wie das Zischen einer Viper.

»Guck jetzt nicht«, kicherte Marie, »aber von rechts kommt ein …« Ich riss meinen Kopf nach rechts.

»Nicht so auffällig«, rügte mich Marie, aber da hatte ich ihn auch schon erblickt: einen grau melierten Herrn mit zurückgeföhntem Haar, in karierten kurzen Hosen und offenem Hemd. Ich prustete in die Serviette.

»Das ist wohl der Hecht vom Kurfürstendamm«, grunzte ich.

»Grüß Gott, die Damen«, raunte der karierte Hecht, als er an unserem Tisch vorbeikam, und wir verstummten. Da hatte er uns einfach angesprochen! Hochmütig hoben wir die Nasen. Dann war er um die nächste Ecke verschwunden, und wir kicherten wieder. Ich ließ meinen Blick über die anderen Café-Gäste schweifen. Da saß eine ältere Chinesin und neben ihr ein blond gelockter Jüngling. »Ob das ihr Geliebter ist?«, fragte ich Marie und reckte mein Kinn in die Richtung.

»Vielleicht ist es ihr Adoptivsohn?«, mutmaßte Marie. »Quatsch!«, sagte ich.

»Guck mal, wie sie ihn anguckt.«

Marie starrte zu den beiden hinüber.

»Tatsächlich«, hauchte sie.

Wir beobachteten die beiden noch eine Zeit lang, bis wir eine wilde Geschichte ausgesponnen hatten, in der der blonde Jüngling einst der Klavierlehrer des lieblosen Ehemannes der Chinesin gewesen sein könnte, bis er eines Tages ein Schälchen Jasmintee von ihr gereicht bekommen hatte. Seit diesem Tag war es um ihn geschehen, und auch der Altersunterschied von 29 Jahren konnte ihrer Liebe nichts anhaben. Gerade trafen sich die beiden, um ihre Zukunft zu besprechen, denn sie planten ihre Flucht in die tiefen Wälder von Kanada, wo sie kein Mensch jemals wiederfinden würde.

»Romantisch«, seufzte Marie. In diesem Moment standen die Chinesin und der Jüngling auf. Sie würden an unserem Tisch vorbeikommen. Wir würden gleich einen Gesprächsfetzen mithören können. Vielleicht wollten die beiden ja auch zurück ins ferne China? Schließlich kannte ihre Familie den neuen Schwiegersohn noch gar nicht. Da – jetzt kamen sie.

Aufgeregt spitzte ich die Ohren. Die Chinesin redete auf den Jüngling ein. »Schicken Sie mir Ihre Ernährungsprotokolle im Laufe der Woche, und bedenken Sie, dass Eisen für die Bildung von Hämoglobin …«, hörte ich sie sagen.

»Was?«, fauchte Marie, als die beiden vorübergegangen waren. »Hämoglobin?« Ich begann zu lachen. »Sie ist nicht seine Geliebte, sondern seine Ernährungsberaterin.« Enttäuscht sackte Marie in sich zusammen. »Keine Flucht in die kanadischen Wälder!«

Ich schüttelte mich vor Lachen. Wenig später setzten sich ein dünner Mann und eine dicke Frau an einen Nachbartisch. Er trank Mineralwasser, sie Kakao mit Schlagsahne. Wieder kicherten wir. »Besser wäre es umgekehrt«, zischelte Marie. »Und ihre Bluse«, stöhnte ich. »Hast du diese gepunktete Bluse mit Puffärmeln gesehen?«

Marie grinste. »Guck mal unauffällig nach links«, flüsterte sie. Neugierig riss ich meinen Oberkörper herum.

»Unauffällig!«, meckerte Marie.

Ja, wer kam denn da? Der karierte Hecht mit einer gefärbten Blondine am Arm! Diesmal grüßte er uns nicht.

»Die ist aber nicht seine Ernährungsberaterin«, gluckste Marie, und ehe ich in meine Tasse lachen konnte, spürte ich einen stechenden Seitenblick.

Unter einem Sonnenschirm blitzten mich von rechts zwei Augenpaare an, die zu zwei Kaffee trinkenden Damen gehörten. »Tsssss«, hörte ich die eine gerade zischen wie eine Viper, ihren Blick hatte sie dabei zweifelsohne auf mich gerichtet. »Verschmierter Lippenstift … hässliche Jacke …«, hörte ich, und dann lachten beide in ihre Servietten. Also, so was! Die lästerten über mich. Wie unfein, wie unfreundlich.

»… blond gefärbt …«, kicherte die andere mit Blick auf meinen Scheitel. Das war jetzt aber wirklich boshaft und mehr als eine harmlose Lästerei. Ich und gefärbte Haare? Die paar Strähnchen zählen ja wohl kaum.

»Statt rumzusitzen und über die Leute zu tratschen, sollte sie lieber ein wenig Sport treiben!«, sagte die eine gerade laut und deutlich in ihre Tasse. Da habe ich mich umgedreht und die Lästertanten angemeckert. »Ich tratsche nicht, und meine Jacke ist auch nicht hässlich!« Erschrocken blickten mich die beiden an. »Aber wir haben Sie gar nicht gemeint«, erklärte mir eine der Damen, »wir reden gerade über unsere Cousine Rita.«

Das war mir dann furchtbar peinlich. Die oben erwähnte Aussage meiner Oma werde ich mir in Zukunft doch ein wenig zu Herzen nehmen. Und »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu!« habe ich auch von ihr. Weise Aussagen!

Tanjas Welt Band 4

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