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Ich habe keinen grünen Daumen

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Und? Haben Sie ihn? Den berühmten grünen Daumen? Meiner ist leider nur rosa, und so sehr ich mich bemühe – ich schaffe es nie, Ableger zu ziehen oder eine Topfrose so zu beschneiden, dass sie es auch überlebt …

»Das ist doch kinderleicht«, ruft die Schwiegermutter und zerrt an meinem mickrigen Oleander herum. »Du nimmst einen Zweig und steckst ihn ins Wasser, und nach drei Wochen kriegt er kleine Wurzeln, und du kannst ihn einpflanzen.«

Sie sieht mich skeptisch an. »Das hast du doch begriffen, oder?«

»Natürlich«, meckere ich. »Es liegt auch eher daran, dass ich ein kompliziertes Verhältnis zu Pflanzen habe. Immer gieße ich zu viel oder zu wenig, ständig sind meine Rosen verlaust, vertrocknet mein Lavendel, hängt mein …«

»Papperlapapp«, unterbricht sie mich. »Mach es nur so, wie ich es dir sage.«

Also schneide ich dem Oleander einen Seitentrieb ab. Ich spüre deutlich, dass er es mir übel nimmt. Dann stecke ich den Stängel in ein Glas Wasser, und nach drei Wochen ist er verschimmelt. Wie soll ich das meiner Schwiegermutter erklären? Neidisch schiele ich auf die Geranienpracht meiner Balkonnachbarin. »Wie machen Sie das?«, frage ich sie.

»Nichts mache ich. Ich gieße sie nur ab und zu, wenn ich daran denke«, lautet die unspektakuläre Antwort, und plötzlich habe ich meine Zweifel. Ob sie des Nachts mit einem geheimen Dünger auf den Balkon schleicht?

Es muss eine Verschwörung in der Pflanzenindustrie im Gange sein, denn obwohl ich genauestens befolge, was an Gieß- und Pflegeanleitungen auf den kleinen Plastikkärtchen der Blumentöpfe steht, verzeichne ich einen Misserfolg nach dem anderen.

Frustriert blicke ich auf meinen kleinen Buchsbaum, der eine verdächtig gelbe Färbung angenommen hat, nachdem ich versucht habe, ihm die Form eines springenden Rehs zu geben.

»Der Buchsbaum verträgt eine kräftige Beschneidung«, hatte auf dem Kärtchen gestanden. Das springende Reh sieht zwar eher aus wie ein springender Fisch, aber das wird der Buchsbaum doch nicht wissen. Auf jeden Fall wird er jetzt gelb. Zum Trost gieße ich ihn reichlich. Nach einer Woche ist er tot.

Meine Nachbarin schnippelt gerade an ihrem dicken, dunkelgrünen Buchsbaum herum. Allmählich nimmt er die Form eines Teddybären an. Ich schlucke den aufkommenden Neid hinunter.

»Hübsch«, rufe ich hinüber. »Aber passen Sie auf! Schneiden Sie nicht zu viel. Ich glaube Buchsbäume mögen das eigentlich nicht.«

»Haha«, lacht sie mich aus. »Diesen Buchsbaum habe ich schon viele Jahre. Er war schon einmal ein Osterhase, dann ein Quadrat, und nun wird er zum Teddy.«

»Schnipp, schnapp«, macht ihre kleine Gartenschere munter, und die Blätter wirbeln nur so durch die Luft.

Wütend starre ich auf meinen grau angelaufenen Lavendelbusch.

»Was mache ich falsch?«, frage ich meine Nachbarin.

»Lavendel müssen Sie im Frühling kräftig zurückschneiden«, ruft sie gegen das Geschnippel ihrer Schere an. Der Buchs-Teddy ist fertig.

Mit »kräftig zurückschneiden« habe ich schlechte Erfahrungen gemacht, aber ich wage es trotzdem. Mutig stutze ich den Lavendel, der unwillige, trockene Geräusche von sich gibt, und stelle dabei fest, dass er längst mausetot ist. So tot wie die Lorbeerpflanze im Kräuterkasten.

Ich erwäge kurz, mir künstliche Blumen anzuschaffen. So eine nette, ewig blau blühende Clematis könnte ich um meinen Balkon herumschlingen, und ich wäre die einzige in der Straße, die Magnolien im Januar hätte. Und im Februar und im März immer noch.

»Mama, wir sollen eine Sonnenblume pflanzen. Hilfst du mir?«

Samuel steht erwartungsvoll vor mir, in der einen Hand einen selbst bemalten Blumentopf, in der anderen einen schwarzen Kern.

Panik steigt in mir auf. Ich habe mir gerade ernsthaft Gedanken um Plastikblumen gemacht, und da will mein Sohn, dass ich ihm eine Sonnenblume aufziehe. Ich! Wo bei mir nicht mal die Kresse auf der Watte wächst.

»Nun«, sage ich, um Zeit zu gewinnen. »Ich denke, wir füllen erst einmal Erde in deinen Topf.«

Samuel strahlt. »Genau«, sagt er. »Erde in den Topf. Ist ja klar!«

Gemeinsam füllen wir seinen Blumentopf.

»Und jetzt?« Erwartungsvoll sieht er mich an.

Mein Herz klopft. »Jetzt bohrst du ein Loch in die Erde.«

»So?«, fragt er und steckt seinen kleinen Zeigefinger tief in den Topf. Ich gucke in das Loch. Das ist bestimmt viel zu tief oder nicht tief genug.

»Wunderbar!«, rufe ich unsicher. Andächtig lässt mein Sohn den kleinen Sonnenblumenkern in sein selbst gebohrtes Loch fallen. Es ist ein erhebender Moment.

»Und jetzt?«, frage ich Samuel gerührt.

»Jetzt wünschen wir der Sonnenblume viel Glück, und dann kommt Erde darauf. Und dann wird gegossen. Ist ja klar«, lautet die weise Antwort.

Und was soll ich Ihnen sagen? Seit einiger Zeit haben wir eine wundervolle, gelbe Sonnenblume auf dem Balkon. Eine echte!

Vielleicht habe ich bis jetzt ja immer vergessen, meinen Pflanzen viel Glück zu wünschen, denn seitdem ich hin und wieder ein nettes Wort an meinen neuen Lavendelbusch richte, duftet er ganz besonders gut.

Tanjas Welt Band 4

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