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Von guten und schlechten Tagen

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Es gibt Tage, da fühlt man sich einfach wunderbar. Die Sonne lacht, das rote Kostüm sitzt wie maßgeschneidert und der nette italienische Eisverkäufer ruft einem »Aaah, bella Signora« hinterher …

Es gibt aber auch andere Tage! Die fangen zwar genauso an wie gute Tage – aber dann bemerkt man plötzlich den Fettfleck auf dem roten Leinenkostüm. Der Eisverkäufer guckt in die andere Richtung, und eine Wolke hat sich vor die Sonne geschoben. Und dann?

Dann geht man weiter, entdeckt sein Spiegelbild in einer Schaufensterscheibe, sieht, dass das Leinenkostüm gehörig am Po spannt. Und dass der heute früh noch so modisch anmutende Zickzack-Scheitel einfach nur blöd aussieht, und dann fängt es an zu nieseln.

Tapfer schleppe ich mich voran. Ich muss ein paar Einkäufe machen, nichts Besonderes, aber auf einmal scheint alles zu viel. Ich komme an einem Spiegel vorbei. Dieser Zickzack-Scheitel auf meinem hängenden Kopf! Unmöglich. Und trägt man so etwas überhaupt noch?

Energisch fahre ich mir durch die Haare, hinterher sieht es noch übler aus! Der stärker werdende Nieselregen tut sein Übriges mit meiner Frisur. Außerdem drücken meine neuen Schuhe. Ehrlich gesagt sind sie auch ein wenig zu hoch für den Alltag. Ich bin eben doch nicht Sarah Jessica Parker, die bei Wind und Wetter durch New Yorks Straßen stöckelt, auf so dünnen Beinen, dass man immer Sorge hat, sie würden ihr gleich durchbrechen.

Meine Beine sind nicht so dünn. Und mein Rock spannt am Po. Ich bin auch nicht auf dem Weg zu einer Party, ich gehe nur im Supermarkt einkaufen. Und eben schien noch die Sonne.

An solchen Tagen trifft man auch meistens eine Person, die man eigentlich überhaupt nicht gerne trifft. Fröstelnd, mit zerlaufener Wimperntusche, durchsuche ich meine Taschen nach einem Chip für den Einkaufswagen und breche mir prompt einen Fingernagel ab.

Als ich endlich den verkanteten Wagen hervorzerre, fahre ich ihn mir schwungvoll über die neuen Schuhe, die auf einmal aussehen, als hätte ich sie bereits seit vielen, verregneten Jahren. »Aua!«, brülle ich und hüpfe auf einem Bein herum. Zum Glück ist es nicht so dünn!

»Tanja?«, höre ich eine erstaunte Stimme hinter mir, und ich blicke in die schmalen Augen von Andrea. War ja klar! Jetzt fehlt nur noch ein Erdbeben!

»Andrea«, antworte ich mit honigsüßer Stimme und wische verstohlen an der Wimperntusche herum.

Diese Andrea konnte ich noch nie leiden. Leider wohnt sie in meinem Viertel, und ich laufe ihr ab und zu über den Weg. Es gibt Leute, die passen zu ganz bestimmten Tagen!

»Alles in Ordnung?«, fragt sie.

»Klar!«, rufe ich und stoße den störrischen Einkaufswagen vor mir her.

»Du siehst so abgekämpft aus«, sagt sie und gibt ihrer Stimme einen besonders mitfühlenden Ton. »Geht es dir gut?«

»Ja doch«, herrsche ich sie an.

»Bist du eigentlich noch mit diesem Ronald verheiratet?«, will sie wissen.

»Ich war nie mit einem Ronald verheiratet«, erkläre ich ihr und stoße mir das Schienbein an dem Einkaufswagen.

»Ach, dann habt ihr euch scheiden lassen?«, ruft sie begeistert. »Gut gemacht, Tanja! Hinter jedem Ende wartet ein neuer Anfang, und dieser Ronald war doch wirklich unter deinem Niveau.«

»Mein Mann heißt Robert«, rufe ich und bringe den Wagen abrupt vor den Erdbeeren zum Stehen.

»Genau«, Andrea stellt sich zwischen die Erdbeeren und mich. »Robert hieß der! Und mit dem bist du doch noch verheiratet?«

»Ja!«, rufe ich und schiebe sie aus dem Weg. Ich will jetzt endlich Erdbeeren und meine Ruhe.

Man kann sich immer nur so viel ärgern, wie man sich ärgern lässt, habe ich gerade erkannt und das trifft auf verregnete Tage, missratene Frisuren, tückische Einkaufswagen und blöde Leute gleichermaßen zu.

Andrea trollt sich, und ich kaufe Unmengen Erdbeeren.

Auf dem Nachhauseweg komme ich beim italienischen Eisverkäufer vorbei. »Aaaah, bella Signora!«, ruft er. Ist der blind? Ich sehe aus wie eine nasse Katze.

Aber vielleicht hat der Regen ja mein Leinenkostüm etwas geweitet und den hässlichen Fettfleck unsichtbar gemacht?

Und ein paar feuchte Haarsträhnen in der Stirn können ja auch sehr verwegen wirken. Wie dem auch sei, meine Laune hebt sich ein wenig. Ich kaufe mir eine Kugel Schokoeis, bemühe mich, nicht zu kleckern, und gehe nach Hause.

Ich habe Blasen an den Füßen. Die neuen Schuhe sind ruiniert, aber für heute habe ich mich genug geärgert. Ich ziehe mich um und setze mich erschöpft auf den Balkon. Vor mir steht eine Portion Erdbeeren. Ich lasse viel Zucker darauf rieseln.

Hübsch sehen die aus, die roten Erdbeeren! Und wie der weiße Zucker in der Sonne glitzert, die gerade hinter den grauen Wolken hervorkommt.

Für heute Abend könnte ich eine leckere Erdbeerbowle zubereiten und sie dann gemütlich mit Robert (nicht Ronald!), dem liebsten Ehemann, trinken. Bei Kerzenschein …

So ist das manchmal eben auch, mit diesen »anderen Tagen«. Auf einmal können sie wieder hell und freundlich werden. Wenn man es nur zulässt!

Tanjas Welt Band 4

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