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GUIDO BAUMANN

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MITTAGS NIE, SAGT DER EPIKURÄER

Das Gespräch beginnt schon im Auto – über Autos:

An einem strahlenden Sommertag. In

einem offenen Jaguar-Sport, Baujahr 1932 (Remake).

Am Ostufer des Zürcher Sees nach Küsnacht zu

kutschieren, ist schon ein großer Spaß.

Von Guido Baumanns Frau Veronique, der Lieder-

macherin, kutschiert zu werden, ist »super«.

Anfang gut, alles gut – Horst Petermann begrüßt uns vor der Tür des kleinen, eher unscheinbaren Hauses direkt an der Seestraße, in dem er das Restaurant Kunststuben in wenigen Jahren zum Zürcher Geheimtip Nummer 1 gemacht hat.

Guido kennt es wesentlich länger als Herr Petermann, der aus Hamburg kommt, in den Vier Jahreszeiten gelernt hat. Guido ist hier um ein paar Ecken in die Schule gegangen, wo er das Abitur machte: »Damals war die Wirtin eine muntere Italienerin. Wir kamen gern her, gerade weil die Eltern das nicht mochten. Die Schweiz war in den dreißiger Jahren noch wesentlich bürgerlicher als heute.«

Was ist bürgerlich? Falls ein festliches Menü an weiß gedeckter Tafel, höfliche Tischsitten, ein leichter Plauderton »bürgerlich« sind, bekennen wir uns beide gern als Bürger. Aber umweht ihn nicht ein Hauch Bohème, den listigen Linksaußen in Robert Lembkes Fragestunde »Was bin ich?« Er trägt über dem offenen Hemd ein hellgestreiftes Sakko, im feuerwehrroten Jaguar weht das wohlfrisierte graumelierte Haar – das könnte durchaus einen schicken Magazintitel geben: A touch of Hollywood at Küsnacht.

Für einen Mann von 59 sieht er fabelhaft aus, rank und schlank, gebräunt, gepflegt, heiter-gelassen. Lebt er vernünftig?

Veronique schaut ihn genauso an, wie man gern angesehen wird von seiner Frau. Jeden neuen Teller (groß, weiß, vornehm, von Hutschenreuther) begrüßt er mit den Augen. Den Schaum von Krebsen mit Broccoli-Salat läßt er auf der Zunge zergehen. Besonders rühmt er den dritten Gang: »Carpaccio vom Reh mit Trüffeln«, die Frau Petermann uns frisch auf den Teller schabt.

»Danke viel Mal«, sagt er mit seinem berühmten Guido-Baumann-Lächeln, als ich ihn zu einem Dézalay überreden will. Er bleibt bei zwei Gläschen Champagner während der gesamten Mahlzeit. Nach dem Dessert noch den Espresso. Ein Digestif? »Mittags nie«, spricht der weise Epikuräer.

Ich könnte mir denken, er war schon immer ein bißchen weise, auch als ganz junger Mann, als er vom Café Odeon aus die Radiounterhaltung der Schweizer Rundspruchgesellschaft leitete. Werner Höfer hielt ihn für ein Wunderkind, holte ihn aus dem Züricher Odeon zum Kölner WDR. Guidos deutsche Jahre begannen. Es begann auch, was ihn vor allem berühmt machte, seine Zusammenarbeit mit Robert Lembke.

»Sie waren ja zu unserem 30. Geburtstag in München, unglaublich fast, daß dies nun schon 30 Jahre läuft. Aber tatsächlich, bereits 1956 saßen wir das erste Mal vor Lembkes Kamera. Er und Höfers Frühschoppen, das sind doch wohl die einzigen Serien des deutschen Fernsehens, deren Dauererfolg amerikanische Vorbilder erreicht.«

»Was bin ich« ist das deutsche Remake der US-Serie »What’s my line?«.

»Es ist unbegreiflich für mich, Guido, wie Sie die Kandidaten einkreisen, durchleuchten und doch wohl öfter und schneller als Annette von Aretin, Marianne Koch, und Hans Sachs den Beruf erraten. Zumeist mit einem ganz trockenen, unterkühlten: Dann sind Sie . . . Sie sehen in diesem Moment wie ein Falke aus, der aus großer Höhe auf sein Opfer herabschießt. Sie wissen ja, es ist manchmal geflüstert worden, das ginge nicht mit rechten Dingen zu.«

Die vielen Fältchen um seine Augen ziehen sich schnell zusammen, die Pupillen verengen sich etwas, das ergibt ein für ihn charakteristisches wachsames Lächeln, im Profil hat er wirklich etwas Falkenhaftes.

»Niemand kann ernstlich meinen, Kungeleien kämen nicht heraus, bei zehn Sendungen im Jahr. Nein, die anderen können es genauso gut. Es ist, nun ja, ein bißchen Menschenkenntnis, ein bißchen Einfühlung, ein bißchen Allgemeinbildung. Und das Publikum hilft indirekt, ich beobachte es aufmerksam.«

»Ist es nicht vor allem Intuition? Sind Sie ein intuitiver Mensch, vielleicht sogar mit medialen Fähigkeiten?«

»Zweifellos gehört Intuition dazu, es ist wohl wirklich die Hauptsache, aber man muß nicht bis ins Parapsychologische gehen. Vielleicht bin ich als Frager so etwas wie das Gegenteil von Günter Gauß, der immer so allwissend wirkt.«

Unschlagbar ist Guido Baumann, wenn es darum geht, einen Künstler hinter der Maske zu erraten, einen Star aus dem Showbusineß. Er verfügt eben auch über eine enorme Personenkenntnis in der Szene.

»Man macht nicht ungestraft jahrzehntelang Unterhaltung. Heute interessiert mich allerdings mehr als alles Entertainment das Schreiben. Ich berate den Ringnier-Konzern, mache Interviews, die gedruckt werden – wie Ihres hier mit mir.«

Wir lachen beide zugleich los über die komische Situation: Bei diesem Tischgespräch interviewt ein Interviewer einen Interviewer. »Wer ist Ihr nächster Partner?« frage ich.

»Voraussichtlich Billy Wilder, er ist 78, aber noch immer einer der interessantesten unter den großen Figuren des amerikanischen Films. Und außerdem fliege ich gern nach Amerika. Ich habe drüben viel gelernt. Wem sage ich das . . .«

Wer war sein ergiebigster Partner?

»Ich möchte keine Zensuren verteilen. Beeindruckt hat mich einmal Rolf Liebermann. Ich fragte ihn, warum er das Komponieren aufgegeben habe zugunsten der Opernintendanz in Hamburg und Paris. Er zögerte lange, ich wartete, und dann sagte er: Es war die Angst vor einem Stück weißen, leeren Papiers.«

»Apropos Angst. Sie wirken bei öffentlichen Auftritten so angenehm locker und unprätentiös, so beneidenswert casual. Ist das angeboren oder hart erarbeitet?«

Er betrachtet angelegentlich und ernst eine kleine blaue Blüte, mit der Herr Petermann die frischen Wald- und Wiesenbeeren des Desserts garniert hat. Dann blickt er mich so freundlich und offen an, wie nur er das kann: »Ich bin ausgesprochen kamerascheu. Ich war immer ein eher schüchterner Mensch.«

Als er den roten Jaguar wieder startet, Veronique an seiner Seite, denke ich: Vermutlich ein Mann ohne Feinde, ein Mann mit dem seltenen Talent zur Freundschaft, man fühlt sich einfach wohl in seiner Gegenwart. Ist da nicht eine Spur von Traurigkeit, von Resignation und viel Nachdenklichkeit hinter all dem Lächeln, der Grazie, der Weltläufigkeit?

Der berühmte Titel der Gedichte Eugen Roths könnte für ihn erfunden sein: Ein Mensch.

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