Читать книгу Tischgespräche - Begegnungen mit Prominenten unserer Zeit - Thilo Koch - Страница 16
PHILIPP VANDENBERG
ОглавлениеMIT KLEOPATRA PER DU
Nobler kann ein Gespräch kaum anfangen.
Mein Gast holt mich vom Münchner »Königshof«
mit seinem Rolls-Royce ab, öffnet höflich
die linke Tür des »Silvercloud«, nimmt rechts hinter
dem riesigen schwarzen Lenkrad Platz,
und tatsächlich hören wir bestenfalls die Uhr ticken,
als der Motor läuft. Ich lobe gebührend
den matten Silberglanz des riesigen Kühlers und vor
allem »Emmy«, die Jugendstil-Kühlerfigur.
»Selbstverständlich putze ich ihn selber«, sagt Herr Vandenberg. »Ich wäre so gern mit der ›Duchess‹ gekommen, meiner Neuerwerbung, aber es ist zum Offenfahren vielleicht doch schon etwas kühl.«
Auf dem Weg vom Stachus zur Maximilian-Anlage staunen die Leute ein bißchen über unsere »Silberwolke«. Im Inneren unserer Luxuskabine ertönt sanfter Swing: »In jedem meiner Oldtimer habe ich Kassetten mit der Musik aus dem Baujahr, hier ist das 1956, in der ›Duchess‹ 1913. Sie gehörte Rudyard Kipling. Er mag sie sich vom Honorar des Dschungelbuchs gekauft haben. – Auch das wird Sie interessieren . . .« Er öffnet das walnußholzgetäfelte Handschuhfach vor mir, und ein Minifernseher flimmert auf.
Wir halten vor Eckart Witzigmanns »Aubergine«. Gerade heute ist ein schneeweißer Baldachin über dem Eingang fertig geworden, und wir schreiten über einen lilafarbenen Läufer hinein. Die kleine Bar im Mezzanin gefällt uns so gut, daß wir uns hier fast »festquatschen«. Wie hat Herr Vandenberg seine »Duchess« aus London nach Baiernrain in sein Automuseum gebracht? Wie hoch ist die Weltauflage seiner Bücher derzeit?
»Zu 1: in Kisten, zu 2: etwa neun Millionen.«
Ich proste dem Erfolgverwöhnten zu und rechne ein bißchen nach. Wenn er auch nur eine Mark pro Buch verdient hat . . .
»Gewiß«, sagt er, an ein anderes Thema, das wir berührten, anknüpfend, »Thomas Mann hatte 15 Prozent, ich habe mehr.«
Also geht die Rechnung anders. Ladenpreis von »Das Tal. Auf den Spuren der Pharaonen« DM 38,–. Davon 15 Prozent. Na, und so weiter. Da kann er sich Hobbies wie den Rolls-Royce leisten.
»Teuer?« Der ehemalige Redakteur bei der Münchner Abendzeitung, später des »Playboy«, hebt relativierend eine feingliedrige Hand. »Meine Autoveteranen sind heute im Durchschnitt dreimal so viel wert wie zu dem Zeitpunkt, als ich sie erwarb. Nennen Sie mir eine Anlage mit besserer Rendite.«
Die Erfolgsstory Philipp Vandenberg begann keineswegs in Breslau, wo er 1941 geboren wurde. »Einen Vater habe ich nie kennengelernt, meine Mutter hat mich verschenkt.«
Hat ihn dann, wie im Märchen, ein Fürst Vandenberg adoptiert?
Er kann ganz plötzlich fröhlich herauslachen, und sein sonst ernstes, manchmal fast starres Gesicht wirkt dann gelöst, die intensiv ernsten dunklen Augen blitzen belustigt.
»Ich hieß ganz anders. Als ich 1973 mit meinem ersten Buch – es war »Der Fluch der Pharaonen« – zum Scherz Verlag kam, sagte der: Zuerst einmal brauchen Sie einen Namen. Also nahm ich ein Münchner Telefonbuch, schlug es auf, tippte mit der Papierschere auf einen Namen – Müller stand da. Unmöglich, sagte Scherz. Also schlug ich weiter hinten auf – und traf Vandenberg.«
Frau Witzigmann im lila Kostüm, Ton in Ton mit dem neuen Teppich, plaziert ein französisches Paar und schaut diskret zu uns herüber. Fast hatten wir vergessen, daß wir ja auch zum Essen hier sind, weiß Gott.
Mit Champagner beginnen? Nein, den mag er nicht. Einen relativ einfachen Loire-Wein dagegen kostet er mit Vergnügen und ist auch sonst beim Menü durchaus kein Snob.
Wir freuen uns über eine hübsche kleine Spezialspeisekarte, geschmückt mit einem Aquarell der Anita Albus, dem großen Arcimboldo nachempfunden, einen Menschenkopf unter der Kochmütze darstellend, raffiniert collagiert aus Früchten, Gemüse, Fisch, Hühnerbein und Hummer. Ist die Ähnlichkeit mit dem Chef de la cuisine rein zufällig?
Handgeschrieben wird hier angekündigt, was Herr Witzigmann uns heute zudenkt. Von Jakobsmuscheln, Lachs in Kressesauce und einem gefüllten Rehnüßchen ist die Rede. Aber schon steht das Tellerchen mit der Vorspeise da: ein Fingerhut Kaviar, eine Mini-Quiche-Lorraine, ein Wachtelspiegelei, eine Pizzarina.
Und schon steht auch der Herr vom Nebentisch auf und sagt zu mir: »Kennst du mich noch?« Sein Gesicht ist mir vertraut, sah ich es nicht zuletzt unterm Stahlhelm, gute 45 Jahre jünger? Er ist ein berühmter Radiologe geworden. Wie beschließen ein anderes Tischgespräch zu vereinbaren, ein ganz privates, eines der Erinnerungen, und was man vielleicht aus ihnen gelernt hat – oder auch nicht.
Dies bleibt nicht die einzige Überraschung des denkwürdigen Abends, Philipp Vandenberg erzählt von seinem neuesten Buch, es erscheint im Februar bei Bertelsmann: »Cäsar und Kleopatra«. Noch einmal? Nach Shakespeare und Shaw, Wilder und Brecht?
»Ja«, sagt er, »erst recht!« Und erzählt wie noch nie. »Ein Thema muß mich treffen wie ein Blitz. So war es hier. Wußten Sie dies? Sie hat ihn hypnotisiert. Ich meine das nicht symbolisch. Sie konnte das. Wie hätte sie sonst einen Cäsar dazu gekriegt, immer wieder den Nil hinauf und hinunter zu kreuzen? Und sie hat auch Mark Anton hypnotisiert, auf seinem römischen Flaggschiff.«
»Hätten ihre erotischen Fähigkeiten allein nicht ausgereicht? Sie, die griechische Prinzessin mit dem Pharaonenflair Ägyptens? Dagegen waren römische Kaiser vor der Zeitwende noch fast Barbaren, nein?«
»Kleopatra war häßlich und sehr klein – etwa ein Meter fünfzig – aber ungeheuer gescheit. Sie sprach 16 Sprachen, Cäsar nicht einmal gut griechisch. In seinem berühmten Buch ›De bello Gallico‹ verfügt er über ganze 1200 Wörter. Und Kleopatra hatte übersinnliche Kräfte. Sie war 21, Cäsar Mitte 50 und epileptisch. Er hatte die stärkeren Legionen, war der größte Stratege seiner Zeit. Und Rom, arm trotz seiner Macht, brauchte Ägypten, brauchte also auch Kleopatra.«
Ist James A. Michener Philipp Vandenbergs geheimes Vorbild?
Nein, der sei ihm viel zu epischbreit, fange immer bei Adam und Eva an. Es stimmt, Vandenbergs Prosa ist zupackend, auf dramatische Szenen zugespitzt, der Leser soll unmittelbar dabei sein, sich verzaubern lassen von der prallen Lebensfülle historischer Ereignisse. Ist das schon beinahe Karl May? Was die Kraft des Fabulierens angeht, vielleicht; aber Vandenberg ist außerdem historisch »echt«, ein Fanatiker des sauber recherchierten Details. So könnte sich das alles tatsächlich abgespielt haben, vor ein paar tausend Jahren.
Weiß der Himmel warum, wir geraten auf die Astrologie, die bei den Alten eine so große Rolle spielte. »Wann sind Sie geboren?« fragt er plötzlich. Wir stellen fest, daß wir beide an einem 20. September das Licht der Welt erblickten. Er 1941, ich 1920. So wird das mein erstes VIF-Tischgespräch, bei dem ich mit dem Gast Brüderschaft trinke. Dein Wohl, Philipp! Sollst leben, schreiben, Autos sammeln. Und lachen.
Er, der klassisch Hochgebildete, schließt: »Denken wir an Epikur: Die höchste Lust ist die Ausgeglichenheit der Seele.«