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GPS: »Sie haben Ihr Ziel erreicht.« Aber keinen Parkplatz.

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Die Abkürzung GPS steht für die Grüne Partei der Schweiz, aber auch für Globales Positionsbestimmungssystem, eines dieser knarzigen Wörter, die man immer sofort wieder vergisst. Also ein Ding, das einem auf dem ganzen Erdplaneten sagt, wo man ist. Eine Mischung aus Kompass, Landkarte, Gott und Telefonauskunft. Als Nichtautobesitzer frage ich meinen Nachbarn Simon, der sich nach eigenen Aussagen »nur so ganz oberflächlich« auskennt. Meine vage Frage »Wie geht das?« beantwortet er mit unsicherem Nuscheln.

»Hssn-rm, Garmin ist Weltmarktführer, aber Mac-kompatibel für Updates, kostet aber 280 Euro, TomTom hat den ersten XL, die Go-Serie 510710910, über Matshare gibt’s Upstream, geht alles per TMC, Traffic Message, also TM-Channel. Wo Staus sind, gibt’s dynamische Umleitungen. Na ja, mehr weiß ich nicht.«

Ich schlage Simon alle Zähne aus und bedanke mich höflich. Man sollte doch immer gleich die Fachleute fragen.

Thilo arbeitet bei einem großen Hersteller von Navigationsgeräten, hat Geografie studiert und ist jetzt eine Art Geländescout. Während alle Welt sich darüber ereifert, wie Google in unsere Privatwohnungen hineinfotografiert, empfindet dies jedermann bei Navigationsgeräten als normal. Thilo lächelt milde, denn er ist Geo-Researcher, wörtlich also Erderforscher, und kartografiert kontinuierlich alles, wo unsereiner mit dem Auto hinfährt. Angeblich ändern sich jedes Jahr 15 bis 20 Prozent unserer Straßendaten. Sagen die Navi-Macher. Ein Fünftel jedes Jahr? Das würde bedeuten, dass vor fünf Jahren der Blick aus meinem Fenster eine komplett andere Welt gezeigt hätte, kein einziges Haus dort schon gestanden hätte, alle Bäume wären erst seither gewachsen, der Kinderspielplatz, die Post, alle »points of interest«, die Navis so anzeigen, wären erst entstanden. Somit wäre ich selbst ein Teil der Schöpfungsgeschichte. Unwahrscheinlich. Aber andererseits … na ja, kann schon sein.

Thilo, heißt es der oder das Navi? Oder Navigationsgerät?

»Das Navi. Wir sagen das Navi.«

Ich habe gehört, dass das größte Problem Sackgassen sind.

»Könnte sein, wenn eine alte Karte drin ist. Die Karten stellen wir ja her, haben eine weltweite Riesendatenbank. Und die Navi-Hersteller kaufen bei uns die Daten. Je nachdem nehmen die nur bestimmte Attribute, zum Beispiel den Straßennamen, die Höchstgeschwindigkeit, Lkw-Verbote – manche Anbieter sagen, mehr brauche ich nicht. Oder aber sie legen gerade Wert auf markante Punkte.«

Seid ihr da Google Earth hinterher?

»Google Earth verwendet die Daten von Teleatlas. Und gerade für die beiden großen Anbieter Navteq und Teleatlas gilt: Jeder erwartet, dass er die aktuellen Daten hat und dass alles perfekt ist. Manche Kunden sind sehr enttäuscht, dass es nicht so ist. Da fehlt schon mal ein Kreisverkehr.«

Kann es sein, dass die Fähigkeit, Karten zu lesen, vollkommen verloren geht? Und wäre das schlimm, ich meine, wenn einer heute kein Telefon mit Wählscheibe bedienen kann, ist das ja auch kein Schaden.

»Ich ganz persönlich habe als Geograf natürlich gelernt, Karten zu lesen. Es gibt aber Leute, die konnten das eh noch nie. Ich stelle immer wieder fest, dass die Leute sich zu 100 Prozent auf das Ding verlassen, und das darf man nicht. Da gibt es ja diesen berühmten Fall, wo ein 750er-BMW in die Isar gefahren ist – vielleicht macht das ja besonders Spaß, weil es ein richtig dickes Auto war. Sein Navi hat eine Fährverbindung als Brücke ausgewiesen.«

Wie ist das mit Baustellen?

»Zurzeit werden Baustellen bei uns nicht erfasst. Das macht nur unser Konkurrent. Wenn ich neue Daten einarbeite, dann gibt es alle drei Monate ein neues Release, eine Kopie der Datenbank, die in verschiedenen Formaten von den Kunden gekauft wird. Unsere Schmerzgrenze, was den Datenstamm angeht, ist: ein Jahr alt, und das finde ich okay.«

Wie gehst du mit Staumeldungen um, hörst du auf das Navi oder dein Autoradio?

»Wenn ich ehrlich bin, mache ich nicht immer, was das Navi sagt. Ich lasse das ja immer stumm laufen und arbeite nur mit Display. Ich mache das auch nach Bauch. Manchmal ist auch einfach rausfahren schön, das eröffnet ganz neue Optionen. Neben Autobahnen gibt es oft tolle Kneipen.«

Benutzt du privat noch Karten und Pläne?

»Für die Arbeit ja. Wenn ich in meiner Heimatstadt Bonn eine Straße suche, benutze ich gerne Karten, wir haben auch ganz viele Stadtatlanten. Bis man mit dem Navi rein- und rauszoomt … Das ist alles zu umständlich, außerdem ist das Display etwas zu klein. Aber ein Kollege von mir hat ein Handy-Navi getestet. Das ist ganz süß, aber nicht ganz so klein. Ich frage mich, ob ich das alles brauche.«

So wie die unvermeidlichen Fußgängernavigationsgeräte. Hach, wird es eine Freude sein, diese Dinger zu hacken und die Leute gegen Hauswände dotzen zu lassen.

Thilo, was ist am schwierigsten zu kartografieren?

»Innenstädte. Weil wir es immer mit Autos machen. Und in Altstädten und Fußgängerzonen ist der GPS-Empfang immer schlecht.«

Wie ist derzeit die Lage in Turkmenistan?

»Vor ein paar Jahren war in Osteuropa gar nix, inzwischen sehr viel. Wir haben einiges in Asien, im Nahen Osten. Bahrain, Dubai. Auch in Südamerika laufen Projekte, auch Südafrika.«

Und Schwarzafrika?

»Schwarzafrika eher nicht. Aber wenn der Kunde sagt, er will eine Route für Südafrika, dann wird da ’ne Truppe hingeschickt. Ich habe zum Beispiel letztes Jahr eine ganze Mittelmeerinsel kartiert.«

Hast du auch als Geograf noch ein Traumreiseziel?

»Ich würde gern mal nach Australien. Nach Neuseeland. Oder mit dem Schiff ans Nordkap.«

Siehst du Navigationen auch in anderen Lebensbereichen kommen?

»Ich habe eine Magenspiegelung machen lassen. Der Arzt war ganz begeistert von meinem Job und meinte, so was bräuchte er auch, gerade für Magenspiegelungen.«

Am Ende ist es bei Navi-Systemen wie beim Fernsehen: Es macht dumme Menschen dümmer und kluge Menschen klüger.

Die Zukunft ist möglicherweise schon angebrochen, wenn Sie dieses lesen. Sie fotografieren Ihren Standort, mailen das Foto an Ihren Netzbetreiber, und der antwortet blitzschnell: Kein Problem, drehen Sie sich um, fünf Meter vor Ihnen steht ein historisches Gebäude namens Brandenburger Tor! Dadurch werden Straßenschilder überflüssig, Hausnummern natürlich auch, und als nützliche Orientierungspunkte gibt es ja weiterhin Douglas, Bauhaus und Subway.

Übrigens: Die erste »intelligente« Zahnbürste Oral-B Triumph sagt Ihnen, wie fest Sie drücken müssen, wie lange Sie putzen müssen, und ist per GPS-Sender mit einem Display verbunden, sie weiß jedoch nicht, wo in Ihrer Futtereinfahrt starkes Kariesaufkommen und Zahnsteinbehinderungen zu erwarten sind.

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